Die Einäscherung der sterblichen Hülle von Jörg Haider ist auch drei Wochen nach seinem Tod noch nicht erfolgt. Die offizielle Begründung lautet: Die Genehmigung für die Beisetzung der Urne auf dem Familiengrundstück im Bärental sei immer noch ausständig. Auch über Durchführung und Ergebnis der von Haiders Witwe Claudia ins Gespräch gebrachten zweiten Obduktion des Leichnams wurde bis Redaktionsschluß nichts bekannt. Spekulationen finden so ihren Nährboden. Aus Kärnten verlautet, ein Foto der nahe dem Unfallort positionierten Radarfalle zeige, daß der VW Phaeton des Landeshauptmanns angeblich mit 202 km/h unterwegs war. Jene Zeugin, die den Unfall gemeldet haben soll, kann derzeit aber nichts zur Klärung dieser und anderer Fragen beitragen, da sie sich in Italien aufhalten soll und Medienkontakte angeblich meidet. Die algerische Zeitung Liberté berichtete, der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi soll zwischen drei und fünf Millionen Euro Lösegeld für die Freilassung der österreichischen Sahara-Geiseln gezahlt haben — auf Bitten Haiders im Frühjahr diesen Jahres. Außenministerin Ursula Plassnik bestritt Lösegeldzahlungen. Soweit Haiders Erbmasse politisch-administrativer Natur war, ist sie verteilt: Josef Bucher wurde BZÖ-Klubobmann im Nationalrat, Gerhard Dörfler Landeshauptmann in Kärnten. Nur als Volkstribun und telegener Alleinunterhalter findet Jörg Haider in den Reihen des BZÖ keinen Nachfolger. Der interimistische BZÖ-Chef Stefan Petzner kann ihn in dieser inoffiziellen, aber wirkmächtigsten Funktion niemals ersetzen. Die von ihm hinterlassene Lücke könnte sich somit bald als Vakuum entpuppen, in dessen Sog große Teile seiner Hinterlassenschaft mit dem Spiritus rector verlorengehen. Das BZÖ Kärnten wird seinen außerordentlichen Parteitag am 15. November abhalten. Hier wird sich der geschäftsführende Obmann Uwe Scheuch den Delegierten zur Wahl als Landesparteichef stellen. Der Bundesparteitag soll hingegen erst im Frühjahr 2009 — nach der für Februar oder März erwarteten Kärntner Landtagswahl — stattfinden. Ob dort Petzner ins höchste BZÖ-Amt gewählt wird, ist längst nicht sicher. Konkrete Aussagen zum politischen Zukunftskonzept des BZÖ kommen vorerst nur von Bucher. Er bekundet in einem Standard-Interview seine Hoffnung, doch noch in die Regierung zu kommen. Die Programmatik lasse eine Koalition von ÖVP, FPÖ und BZÖ praktikabel erscheinen. Eine Wiedervereinigung mit der FPÖ schließt Bucher jedoch aus. Die unterschiedlichen Wählergruppen bestätigten die Strategie „getrennt marschieren“. Bei den Koalitionsverhandlungen von SPÖ und ÖVP mutierte ÖVP-Obmann Josef Pröll mittlerweile vom Bremser zum Anschieber. Bereits in dieser Woche müsse feststehen, so Pröll, ob man sich bei den Eckpunkten der Staatsfinanzen einigen könne und die „Große Koalition“ möglich sei oder nicht. Aber gibt es Alternativen? Bankenhilfspakete, die wohl zu Lasten des Sozialstaats gehen, machen eine Regierung nicht populär. Das wissen sowohl BZÖ als auch FPÖ. Ihre Chance liegt in geduldig offensiver Oppositionspolitik. Alles andere als eine Neuauflage von Rot-Schwarz wäre überraschend und — im unwahrscheinlichen Fall einer Regierungsbeteiligung — für beide Rechtsparteien ein strategisches Fiasko.