Die Rückbesinnung auf eine Gesellschaft, die vom Stolz auf ihre Errungenschaften, von der aus eigener Kraft verwirklichten bürgerlichen Ordnung und der Eliminierung der Verbrecherherrschaft geprägt ist, fand sich im amerikanischen Westernfilm der vierziger und fünfziger Jahre auf geradezu exemplarische Weise. Die Pioniere und Farmer haben eine Stadt gegründet, Schulen und Kirchen für ihre kulturellen und spirituellen Bedürfnisse gebaut, doch mit dem Aufschwung kamen auch Gangsterbanden, die im Verein mit korrupten Geschäftemachern ihre terroristische Herrschaft antraten. Ein erfahrener Sheriff, der gerade ein schönes Bürgermädchen geheiratet hat und eigentlich auf seiner Ranch ein ruhiges Leben beginnen möchte, stellt sich schließlich als einziger aus innerer Verantwortung den Banditen entgegen, nachdem die feigen Bürger der Stadt ihn schmählich im Stich lassen. Am Ende wirft er seinen Sheriffstern, das Symbol des Gesetzes, in den Staub der Straße und verläßt die Stadt zusammen mit seiner jungen Frau. All dies findet sich in einem Film, den man wohl ohne zu übertreiben den berühmtesten Western aller Zeiten nennen darf: in Fred Zinnemanns „High Noon“ („Zwölf Uhr mittags“, 1952). Nachdem Gregory Peck abgelehnt hatte, besetzte Zinnemann die Rolle des nicht mehr ganz jungen Sheriffs Will Kane mit Gary Cooper. Dies sollte sich als Glücksfall erweisen, denn tatsächlich erreichte der Coopersche Archetypus hier seinen vollendeten Ausdruck. Der Regisseur paßte seine Handlung zudem exakt der Western-Dramaturgie an, indem die 90 Minuten der Vorführung gleichzeitig auch den 90 Minuten der Filmhandlung entsprechen. Die Idee war revolutionär, denn in diesen anderthalb Stunden erfüllt sich sozusagen das Leitbild des Westerners: Ein Mann muß tun, was ein Mann tun muß. „Ich muß hierbleiben!“ gibt Sheriff Cooper seiner Frau, einer gläubigen Quäkerin, zur Antwort, als sie ihn zur gemeinsamen Flucht überreden will. Dieses immer wieder auftretende Dilemma des Helden, daß er oft nur widerstrebend handelt, gehört zu den ideellen Kernpunkten in Fred Zinnemanns Filmen. Es war kaum anzunehmen, daß Zinnemann so bald einen Film von ähnlicher Qualität drehen würde, aber seine Version von James Jones Roman „From Here to Eternity“ („Verdammt in alle Ewigkeit“, 1953) übertraf so manchen Riesenerfolg Hollywoods – sowohl künstlerisch als auch in finanzieller Hinsicht. Geschickt schildert Zinnemann die schwüle Atmosphäre, die einige Monate vor dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor in einem Militärlager der US-Armee auf Hawaii herrschte – und vor allem den Kampf des Individuums um seine Unantastbarkeit und Menschenwürde. Zinnemanns Kritik an der psychischen Struktur des soldatischen Männerbundes, der Hierarchie und Drill zwangsläufig beinhaltet, ist dennoch maßvoll. Der Soldat Prewitt (Montgomery Clift) weigert sich, für seine Kompanie zu boxen, weil er bei einem früheren Kampf einen Freund so schwer getroffen hat, daß dieser erblindete. Während die meisten Vorgesetzten ihn schikanieren, hat Sergeant Warden (Burt Lancaster) noch am ehesten Verständnis für sein Verhalten. Doch der Sergeant hat ein Verhältnis mit der Frau (Deborah Kerr) des unfähigen Kompaniechefs und selbst genug Probleme. Bei einem Ausgang mit seinem Freund Maggio (Frank Sinatra) verliebt Prew sich in die Prostituierte Lorene. Maggio kommt ins Militärgefängnis und wird von dem sadistischen Aufseher Fatso Judson (Ernest Borgnine) schwer mißhandelt. Er flüchtet und stirbt in Prewitts Armen. Aus Rache ersticht der Judson und desertiert. Als die Japaner Pearl Harbor überfallen, versucht er sich zu seiner Kompanie durchzuschlagen. Eine MP-Patrouille, die ihn für einen feindlichen Deserteur hält, erschießt ihn. „Er war der beste Soldat, den ich kenne“, sagt Warden, der ihn identifizieren muß. Obwohl es um zwei große Liebesgeschichten geht, ist „From Here to Eternity“ der Hollywood-Männerfilm schlechthin. Die Szene, in der Sinatra in den Armen seines Freundes sterbend erzählt, wie er Ernest Borgnine ins Gesicht gespuckt hat, und Montgomery Clift auf ihn herabschaut, als ob er sein eigenes Kind in den Armen hielte, und die betrunken umherstehenden Soldaten plötzlich verstummen, ist von einer Intensität und Zartheit, die wohl nur einem Meisterregisseur wie Fred Zinnemann gelingen konnte. Der Oscar, den er 1953 für die beste Regie erhielt, war mehr als verdient. Mangel an Pathos hinterließ bitteren Geschmack Zinnemann, am 29. April 1907 als Sohn jüdischer Eltern in Wien geboren, studierte zunächst Jura, bevor er als Zwanzigjähriger in Paris eine Ausbildung zum Kameramann begann. 1929 siedelte er in die Vereinigten Staaten über und arbeitete als Regieassistent und Regisseur von Kurzfilmen bei MGM. Seinen ersten abendfüllenden Spielfilm drehte er 1944: „The Seventh Cross“ („Das siebente Kreuz“) nach dem Roman von Anna Seghers. Der Film mit Spencer Tracy an der Spitze schildert die Flucht sieben Gefangener aus einem deutschen Konzentrationslager. Zinnemanns zu dieser Zeit entstandene Filme sind gesellschaftskritisch und im besten Sinne aufklärerisch und dennoch von einem unwiderstehlichen Optimismus. „The Search“ („Die Gezeichneten“, 1948), gedreht in den Ruinenlandschaften der deutschen Städte, handelt von einem kleinen Jungen, der seine Familie verloren hat und die Erfahrung der Schrecken der Lager mit eine Amnesie larviert. Ein US-Soldat (Montgomery Clift in seiner ersten Filmrolle) nimmt ihn auf und kümmert sich um ihn. Am Ende findet die totgeglaubte Mutter ihr Kind wieder, und der Soldat gibt seine Absicht auf, den Jungen zu adoptieren. „The Men“ („Die Männer“, 1950) zeigt eine Gruppe von gelähmten Kriegsveteranen, die in einem Sanatorium rehabilitiert werden sollen. Ihr größtes Problem ist die Angst, kein „richtiger Mann“ mehr zu sein. Einer der Männer (Marlon Brando in seiner ersten Rolle) faßt erst durch die liebevolle Hilfe seiner Verlobten wieder Selbstvertrauen. Der Film wurde zu einem Skandal, nicht zuletzt weil er den Verlust der Männlichkeit durch die Folgen des größten Männlichkeitsrituals, des Krieges, thematisierte. Um Kriegsheimkehrer geht es auch in „Teresa“ (1951). Zinnemann erzählt hier die Geschichte eines amerikanischen Soldaten, der sich während des Krieges in eine Italienerin verliebt. Nach Kriegsende kommt Teresa mit ihrem Mann nach Amerika, dem Land, von dem sie immer geträumt hat. Doch es entpuppt sich keineswegs als Paradies. Sie hausen in einer schäbigen Bude, Teresa wird von der eifersüchtigen Schwiegermutter tyrannisiert, und ihr Mann versagt im Zivilleben. Schließlich verläßt sie ihn, kommt jedoch am Ende, nachdem er seine Probleme in den Griff bekommen hat, zu ihm zurück. Zinnemanns realistische Darstellung der amerikanischen Nachkriegswelt hinterließ wegen ihres Mangels an Pathos bei manchen Kritikern und einem Teil des Publikums einen bitteren Geschmack. Erst mit „High Noon“ und „From Here to Eternity“ gelang es dem überzeugten Pazifisten, auch die Sympathien seiner Kritiker zurückzugewinnen. Einer seiner letzten Filme war der Agenten-Klassiker „The Day of the Jackal“ („Der Schakal“, 1972) nach dem Roman von Frederick Forsyth. Am 14. März 1997 ist Fred Zinnemann im Alter von 89 Jahren in London verstorben. Fotos: Gary Cooper in Zinnemanns „Zwölf Uhr mittags“: Der Film läuft am 30. April um 23 Uhr im BR; Fred Zinnemann (1907-1997)