Wie ein verzweifeltes Aufbäumen wirken die Beschlüsse des Hamburger SPD-Parteitages. Die Genossen stehen unter Druck: Die Linkspartei nimmt ihnen Wählermassen ab, Kanzlerin Angela Merkel punktet in der Koalition mit Außenpolitik und vermeintlichem Klimaschutz. Die Union liegt in Umfragen 15 Prozentpunkte vor der SPD. Für den sozialdemokratischen Durchschnittsdelegierten lag es da nahe, das Rad der Zeit zurückzudrehen: keine Bahnreform, Ruf nach Tempolimit wie in den 1970ern, Mindestlöhne als Lattenzaun gegen die Globalisierung und länger gezahltes Arbeitslosengeld. Fraktionschef Peter Struck setzte noch einen drauf und forderte die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale vom ersten Kilometer an. Folgerichtig wäre jetzt die Wiedereinführung der Eigenheimpauschale. Das alles wird der Sozialdemokratie wenig helfen, der Sacharbeit in der Großen Koalition aber viel schaden. Unabhängig davon, wie man zu den von der SPD beschlossenen Einzelmaßnahmen steht: Irgendwelche Fortschritte in der Regierung wird es in diesem und im nächsten Jahr nicht mehr geben. Die Wahlkämpfer haben die Regie übernommen. In Hessen wird bereits Ende Januar 2008 gewählt. Grausamkeiten aus Berlin, die man mitzuverantworten hätte, verbieten sich für die SPD daher von selbst. Bis zur Bundestagswahl 2009 ist jetzt Stillstand auf allen Ebenen angesagt. Am Berliner Kabinettstisch übernehmen Winkeladvokaten und Taktiker die Regie, um das Beste für ihre Seite herauszuholen. In diesem Klima kann kein Staat gedeihen.
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