Selten hat die Verleihung einer bedeutenden Literaturauszeichnung eine so nahezu einhellige Zustimmung des gesamten Literaturbetriebs erfahren wie die Vergabe des diesjährigen Georg-Büchner-Preises an den Schriftsteller und Essayisten Martin Mosebach. Des gesamten Literaturbetriebs? Nein, Sigrid Löffler, Gründerin und seitherige Herausgeberin der Zeitschrift Literaturen, hat jetzt eine volle Breitseite gegen Mosebach abgefeuert. Bereits auf dem Titel der Oktober-Ausgabe prangt neben dem Konterfei von Mosebach provozierend-vorwurfsvoll ein fettes „Warum?“. In einem giftigen Rundumschlag läßt Löffler dann ihren Affekten freien Lauf. An Mosebach stört sie so ziemlich alles: das grandseigneurale Auftreten, häufig mit Weste und Einstecktuch, immer mit Krawatte, die gelebte Achtung bürgerlicher Werte, der antimoderne Aristokratismus in Mosebachs Haltung und Denken, sein Engagement für die katholisch-vorkonziliare Tradition, seine Bezugnahme auf einen Reaktionär wie den kolumbianischen Aphoristiker Nicólas Gómez Dávila usw. usf. Kritisch vermerkt Löffler auch, daß Mosebach seine „erlesenen Ressentiments“ unter anderem im Wiener Karolinger Verlag veröffentlicht hat. Der sei „auf Dunkelmänner spezialisiert (…), von Günter Maschke bis Armin Mohler“. Und ganz schlimm findet die Dame, daß Mosebach - horribile dictu! – Worte wie Sofa oder Elefant konsequent mit „ph“ schreibt. Nein, Sigrid Löffler ist sich sicher, die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, die den mit 40.000 Euro dotierten Büchner-Preis vergibt, hat diesmal „eher eine Gesinnung als büchnerpreiswürdig ausgezeichnet und weniger ein originelles literarisches uvre“. Das ist natürlich Blödsinn. Der Akademie außerliterarische, also sachfremde Motive zu unterstellen, geht schon deshalb fehl, weil die Jury in Mosebach zwar einen „Zeitkritiker von unbestechlicher Selbstständigkeit“ sieht, ihre Entscheidung aber eben auch ausdrücklich mit Mosebachs „stilistischer Pracht“ und „urwüchsiger Erzählfreude“ begründet hat. So sagen Löfflers Invektiven gegen Mosebach letztlich weit mehr über ihr erschüttertes linksliberales Weltbild aus, als daß sie einen Autor treffen würden, dessen Rang in der deutschen Literatur nun mit der Verleihung des Büchner-Preises am 27. Oktober beglaubigt wird. Einen weiteren Schwerpunkt des Literaturen-Heftes bilden unter dem Titel „Deutsche Dynastien“ zusammengestellte Rezensionen von Familiengeschichten („Die Reemtsmas“, „Die Furtwänglers“, „Die Butlars“). Als „Bücher des Monats“ werden unter anderem vorgestellt Don DeLillos Roman „Falling Man“ über das Trauma der Anschläge vom 11. September 2001 in den USA und Rüdiger Safranskis „Romantik“-Darstellung. Interessant zu lesen ist auch ein Essay des Literatur- und Medienwissenschaftlers Niels Werber, der sich mit dem Nachleben der RAF („Alle Versuche sind gescheitert, die Terroristen als normale Verbrecher zu behandeln“) befaßt und nüchtern feststellt, daß theologische Denkfiguren von Walter Benjamin und Carl Schmitt bis heute die Selbst- und Fremdbeschreibungen der RAF-Mitglieder prägten. Anschrift: Literaturen, Reinhardtstr. 29, 10117 Berlin. Das Einzelpreis beträgt 9 Euro, das Jahresabo für zehn Ausgaben kostet 88 Euro. Internet: www.literaturen.de