Mit einer erweiterten Fassung der Texte von Karlheinz Weißmann zum „Konservativen Minimum“, die in mehreren Folgen als (gekürzter) Vorabdruck in dieser Zeitung erschienen sind, eröffnet der Verlag Edition Antaios in diesem Herbst seine neue Reihe „Kaplaken“. Weißmanns beschreibt einen Spannungsbogen zwischen dem „konservativen Trend“ einerseits und der Ohnmacht, der politischen Heimatlosigkeit des Konservatismus andererseits. Viele insbesondere ältere Konservative stellen mit einem gewissen Wohlwollen fest, daß politische Positionen und Begriffe, die von ihnen vertreten oder benutzt werden, heute weit positiver in der politischen Auseinandersetzung „ankommen“ als noch vor einem Jahrzehnt. Dazu gehört der unverkrampftere Umgang mit nationaler Symbolik genauso wie die inzwischen verbreitete Kritik an „multikulturellen“ Mißständen oder der Ruf nach einer besseren Eliteförderung. Mit dieser Feststellung sei, so Weißmann, allzuoft eine naive Hoffnung verbunden: daß die wachsende Einsicht in das Scheitern linker Experimente an sich schon als politische Trendwende nicht nur begrüßenswert, sondern auch ausreichend sei; für den Konservativen es sich daher zieme, in erster Linie sein eigenes Umfeld (Familie, Beruf, Freundeskreis) in Ordnung zu halten und ansonsten Ruhe zu bewahren und geduldig zu sein. Politisch dagegen ist der Konservatismus nach wie vor ohne Fürsprache, nicht zuletzt seit die Unionsparteien entsprechende Vertreter hinausekelte oder kaltstellte, nachdem sie bereits Mitte der neunziger Jahre eine Liaison mit den Intellektuellen der neuen demokratischen Rechten vermieden hatte. Neigen die einen angesichts des ersten Phänomens zur allgemeinen Beschwichtigung, so die anderen aufgrund des zweiten zur Resignation: Beidem tritt Weißmann mit Verve – und guten Argumenten – entgegen. Zur Besänftigung ist kein Anlaß, da die Lage weit verfahrener, der Substanzverlust massiver ist, als daß sich alles wie von selbst zum Besseren wenden könnte. Andererseits bedeutet parteipolitische Heimatlosigkeit auch mehr Freiheit, weil lästige Rücksichtnahmen entfallen. Das Politische muß wieder politisch werden Der Konservatismus ist in den letzten Jahrzehnten zu sehr „privatisiert“ worden, dagegen will Weißmann „konservativ“ wieder als einen „Kampfbegriff“ etablieren, das heißt vor allem ihn politisieren. Privatisierter Konservatismus funktioniere nur in ruhigen Zeiten, in der Krise könne man sich nur auf etwas stützen, „das Widerstand leistet“ (Charles de Gaulle). Scharf wendet sich Karlheinz Weißmann gegen jene Unsitte, dem Konservatismus gewisse Präfixe wie „Kultur-“ oder „Werte-“ als Polit-Gouvernanten voranzustellen, nur um ihn für Nicht-Konservative verträglicher zu machen. Hier beginnt bereits die von ihm so benannte „Pluralismus-Falle“ zuzuschnappen. Seine Ausführungen beginnen sinnvollerweise mit einer Begriffsklärung sowie einem kurzen historischen Abriß der konservativen Denkweise. Zuerst bedarf es sozusagen einer Form von politischer Archäologie, mit deren Hilfe der eigentliche Kern des „Konservativen“ freigelegt und von Mißverständnissen befreit werden muß. So bedeute conservare nicht wie häufig behauptet „bewahren“, sondern etwas „in seinem Zusammenhang erhalten“. Der konservative Mensch nehme an, „daß es in der Natur wie in der Kultur, unmittelbar und mittelbar, ‚organische‘ Zusammenhänge gibt“. Während Konservative bewußt auf eine Ideologie verzichten, weil sie einer künstlichen Einhegung in Modelle grundsätzlich mißtrauen, gibt es doch gemeinsame Merkmale. Dazu gehört vor allem eine skeptische Anthropologie, die den Menschen weder als grundsätzlich gut noch grundsätzlich böse, sondern zuerst als ein Mängelwesen wahrnimmt. Gemeinsam ist auch die Skepsis gegenüber diesseitigen Heilsversprechen und aller Fortschritts-Machbarkeit. Im übrigen zeichne den Konservativen die „Neigung zum Konkreten, die Feindschaft gegenüber der Abstraktion“ aus. Zum Schluß setzt Weißmann einige Forderungen auf die politische Tagesordnung. Dazu gehört die „Selbstverständigung“ über die eigene politische und kulturelle Identität: Die klärende Trennung von „‚Wir‘ und ‚Nicht-Wir‘ ist das, was allem anderen vorzugehen hat“. Folgen müsse die Rüstung für einen Kulturkampf sowie die Sicherstellung von materiellen Ressourcen für die politische Konfrontation. An erster Stelle steht laut Weißmann, der schon vor Jahren die Notwendigkeit eines „politischen Verismus“ festgestellt hat, eine klare und schonungslose Sicht auf die Lage. Genauso unabdingbar sei für den politischen Konservatismus die Abwehr jeglicher Nostalgie. Es folgen „Linke Gewalt“ und Heideggers Sohn „Das konservative Minimum“ eröffnet die neue Reihe „Kaplaken“ der Edition Antaios. Benannt nach der seemännischen „Primage“, sollen diese knapp unter hundert Seiten umfassenden Bändchen laut Verlag eine „Zulage für geistige Aufgeschlossenheit“ darstellen: nicht größer als ein Reclam-Heft, kartoniert, jedoch bibliophil gestaltet und dazu in einer sehr schönen Schrifttype gehalten (im Internet unter www.edition-antaios.de). Passend zum nautischen Namen der Reihe ist bei Weißmann bildhaft von Passagieren und Steuerleuten sowie vom Staatsschiff die Rede. Der Text ist tiefschürfender als ein Essay, dazu versehen mit Belegen, ohne daß jedoch die Lesbarkeit darunter leidet. Die Reihe wird fortgesetzt mit einer Analyse Bernd Rabehls über „Linke Gewalt“, in der er kontrastierend zur aktuellen Flut anheimelnd-schauriger Rückblicke auf den „deutschen Herbst“ den (kurzen) Weg von der außerparlamentarischen Opposition zum Terrorismus der Baader-Meinhof-Gruppe offenlegt. Der dritte Band ist ein Auszug aus dem Tagebuch Hermann Heideggers, welches der Sohn des Philosophen Martin Heidegger als junger Offizier während der letzten Kriegstage und seiner sowjetischen Gefangenschaft verfaßt hat („Heimkehr 47“). Neuer Vorsitzender Die Autorenvereinigung „Stimme der Mehrheit“ hat kürzlich Hans-Jürgen Mahlitz (65) einstimmig zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Mahlitz war sechzehn Jahre lang Chefredakteur des CDU-nahen Deutschland-Magazins und anschließend sechs Jahre Chefredakteur der von der Landsmannschaft Ostpreußen in Hamburg herausgegebenen Preußischen Allgemeinen Zeitung/Ostpreußenblatt. Die 1996 gegründete „Stimme der Mehrheit“ ist eine Arbeitsgemeinschaft von rund einhundert wertkonservativen und nationalliberalen Journalisten, Schriftstellern, Verlegern und Wissenschaftlern. Karlheinz Weißmann: Das konservative Minimum. Edition Antaios, Schnellroda 2007, kartoniert, 96 Seiten, 8,50 Euro