Wer hierzulande Querdenker geheißen wird, zeichnet sich normalerweise durch zweierlei aus: durch eine themensprengende mediale Omnipräsenz sowie durch die Fähigkeit, den Schein des Nonkonformen, des Provokanten auf dem Hintergrund des tatsächlich Allseitskompatiblen zu wahren. Ein Hansdampf in allen Gassen ist der Medienwissenschaftler Norbert Bolz sicher: verbeamteter Professor im Brotberuf, daneben Autor und Herausgeber diverser Bücher zu unterschiedlichsten Themen, zusätzlich Zeitungskolumnist und gerngesehener Gast und Referent in Talkshows und auf Tagungen. Mit seinen grundsätzlich herausfordernden Thesen – ganz gleich, ob zur Globalisierung, zur europäischen Aufklärung oder zum Feminismus – gilt er als enfant terrible, dem das Feuilleton habituell mißgünstig begegnet, und gewichtiger politischer „Stichwortgeber“ zugleich. Das Etikett eines Querdenkers gilt dem vierfachen Vater gleichwohl als Schimpfwort. „Jeder Trottel“ suhle sich gern im „Komfort des Unbequemseins“; tatsächlich genüge sich die Mehrheit im „Sentiment der Revolte“: „Indem sie sich brüsten, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, plappern sie nach, was ihnen die Anne Wills und Gundula Gauses vorgebetet haben.“ Sie, das sind für Bolz die Adepten jener „Kulturindustrie des Linksseins“, die heute Professoren- und Redakteursposten besetzen. Die große „Lust, auszuteilen“ zum Zwecke einer Befreiung aus der „Habermas-Welt“, nennt Bolz als Motivation seines Schaffens. Political Correctness beleidige seinen intellektuellen Stolz, und aus dieser Grundhaltung speisen sich seine Wortmeldungen, zuvörderst die so leidenschaftlichen wie geistreichen Essays – eine Form, die nur wenige ohne triviale Griffe und Anbiederungsgestus beherrschen. Bolz‘ Stärke ist die prägnante Zuspitzung und die Kunst, jene Spitze hernach von Grund auf theoretisch zu härten. So wirkten auch seine Bücher zur Kritik des Antikapitalismus (Das Konsumistische Manifest, 2002) sowie zur Familiendebatte (Helden der Familie, 2006) auf die Großzahl der Rezensenten als Tarantelstiche. Bolz wurde 1953 in Ludwigshafen geboren, er studierte Philosophie, Germanistik, Anglistik und Religionswissenschaften. Seine Dissertation schrieb er über die Ästhetik Adornos, Doktorvater war der Religionsphilosoph Jacob Taubes, dessen Assistent Bolz bis zu Taubes‘ Tod war. Nach seiner Habilitation dozierte er als Professor für Kommunikationstheorie an der Universität Essen. Seit 2002 lehrt Bolz in Berlin; von dem durch ihn an der Technischen Universität betreuten Studiengang „Medienberatung“ wurde schon geunkt, ein Ausbildungszentrum für „politisch unkorrekte Journalisten“ darzustellen. Viele mögen sich rühmen, gegen den Strich zu bürsten – nach einem Waschgang Bolzscher Art wird der Pelz garantiert naß. Mag sein, daß er im kunterbunten Meinungsmarktgeschrei nur eine Nische füllt – er tut es gründlich.