Mit der Wahl des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck zum neuen SPD-Vorsitzenden könnte gleichzeitig auch ein neuer Kurswechsel bei den Sozialdemokraten eingeläutet worden sein. Denn in Berlin ist es ein offenes Geheimnis, daß der 57jährige nicht zuletzt aufgrund seiner erfolgreichen Koalition mit der FDP auf Landesebene als Freund der Liberalen gilt. Zwar sagte Beck der Passauer Neuen Presse, auf Bundesebene gebe es mit der FDP „derzeit nicht viele Schnittmengen“. Allerdings halte er es „generell für wünschenswert, an Koalitionsalternativen zu arbeiten“. Dabei komme mit Ausnahme der PDS jede im Bundestag vertretene Partei in Frage. Und auch die FDP hat die Signale erkannt. „Eine reformbereite und pragmatische SPD mit Kurt Beck an der Spitze könnte für die FDP ein besserer Reformpartner sein, als eine immer roter werdende Union es wäre“, meinte dann auch bereits der FDP-Vizevorsitzende Rainer Brüderle. Wenn Becks Kurs der neue Kurs der SPD insgesamt würde, hätte das durchaus Auswirkungen auf die Aufstellungen innerhalb der deutschen Parteienlandschaft, ließ FDP-Chef Guido Westerwelle wissen. Erst kommt die Partei, dann Regierung und Fraktion Gleichzeitig kündigte Beck für die Große Koalition ein klares SPD-Profil an. Er werde „für eine deutliche sozialdemokratische Handschrift bei den anstehenden sozialen Reformen eintreten.“ Dabei müsse sich die SPD künftig noch weiter öffnen. Auch wenn die SPD nie vergessen dürfe, die Interessen der sogenannten kleinen Leute zu vertreten, müßten aber auch Ingenieure, Ärzte und Rechtsanwälte wieder ihre Heimat bei den Sozialdemokraten finden, erklärte Beck gegenüber der Bild. Obwohl offiziell von allen führenden SPD-Offiziellen erklärt wird, Beck sei nicht automatisch auch der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten für die Bundestagswahlen 2009, läuft aber doch bereits jetzt alles darauf hinaus. So gab es dann auch kaum, daß er im Amt war, eine erste Kampfansage Becks an Vizekanzler Franz Müntefering. „Wir würden gut daran tun, für die Reformdiskussionen, die jetzt auf uns zukommen, erst mal in den Parteigremien Eckpunkte und Spielregeln zu formulieren, damit Fraktion und Regierungsebene wissen, wie die Partei tickt“, ließ der neue Vorsitzende die SPD über den Spiegel wissen. Die Aussage ist klar: Erst kommt die Partei, und erst dann Regierung und Fraktion. Viel deutlicher konnte Beck Müntefering im diplomatischen Sprachgebrauch nicht wissen lassen, daß er nicht bereit ist, die Partei, wie bislang, weiter vom Vizekanzler führen zu lassen. Bereits vor einigen Monaten, im damaligen Rentenstreit, hatte sich Beck klar gegen Münteferings Pläne einer generellen Rente mit 67 Jahren ausgesprochen und eine Differenzierung nach Berufsgruppen gefordert. Die Generalprobe hat Beck aber zuerst einmal verpatzt: Denn seine Forderung nach einer mittelfristigen Anhebung der Steuern stieß quer durch die Republik auf breite Kritik. Gegenüber dem Spiegel hatte der neue SPD-Chef gesagt, mit der gegenwärtigen Steuerquote von 20 Prozent könne die Bundesrepublik angesichts der alternden Gesellschaft und der Herausforderungen im Bildungswesen nicht zukunftsfähig gestaltet werden. Vielmehr benötige der Staat auf Dauer mehr Geld. Die CDU reagierte prompt und erklärte, das Problem seien nicht fehlende Gelder, sondern vielmehr zu hohe Staatsausgaben. Hieran müsse in erster Linie gearbeitet werden. Während FDP-Chef Westerwelle die Pläne Becks einen „Konjunkturkiller“ nannte, forderte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt Beck in der Bild am Sonntag auf, die Steuerdebatte schnell zu beenden. „Weitere Steuererhöhungen sind Gift für die Konjunktur und schaden Wachstum und Beschäftigung.“ Durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer im kommenden Jahr von 16 auf 19 Prozent drohe dem zarten Wirtschaftsaufschwung in Deutschland ohnehin bereits wieder das Ende. Image als leutseliger, gemütlicher Volkspolitiker Trotz dieses nicht gerade geglückten Starts ist der Landauer Politikwissenschaftler Ulrich Sarcinelli überzeugt, daß Beck für die SPD „der letzte Hoffnungsträger, der momentan einzig vorzeigbare Siegertyp“ ist. Er sei jemand, der die SPD mit sich selbst versöhnen könne, sagte Sarcinelli der Berliner Zeitung. Beck werde zwar keine entscheidenden Theorieimpulse geben. Aber er habe ein ausgeprägtes politisches Gespür für Entwicklungen und Bedürfnisse. Seine Fähigkeit sei es, „zu moderieren, Konsens herzustellen, Ausgleich zu schaffen.“ Nach dem überraschenden Rückzug Matthias Platzecks von der SPD-Spitze aufgrund gesundheitlicher Probleme übernahm Beck den SPD-Vorsitz. Der Sohn eines pfälzischen Maurers und gelernte Elektroniker war 1972 der SPD beigetreten. Seit 1979 gehört er dem rheinland-pfälzischen Parlament an. Am 26. Oktober 1994 wurde Beck erstmals zum Ministerpräsidenten des Landes gewählt und regiert das südwestdeutsche Bundesland seitdem in einer Koalition mit der FDP. Mit der Zeit gewann er auch in der Partei an Einfluß; 2003 wurde er zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD gewählt. Seine Erfolge verdankt Beck vor allem seinem Image als leutseliger und bodenständiger Volkspolitiker.
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