Wer den derzeit in den Kinos laufenden Dokumentarfilm „We Feed The World – Essen global“ (JF 18/06) gesehen und interessant gefunden hat, sollte die US-Produktion „The Corporation“ nicht versäumen. Der polemische Streifen war 2005 in Deutschland zu sehen und ist nun bei Zweitausendeins als DVD erschienen. Wie bei „We Feed The World“ entstand parallel zu den Dreharbeiten ein Buch: Joel Bakans „Das Ende der Konzerne“, das bereits 2004 in deutscher Übersetzung herauskam. Bakans Kernthese ist, daß durch die rechtliche Anerkennung der Konzerne als legale „Personen“ eine abstrakte Wesenheit geschaffen wurde, die inzwischen fast die gesamte Welt kulturell, materiell und politisch dominiert. Gemessen an den diagnostischen Kriterien der WHO weist diese juristische „Person“ alle Merkmale eines psychopathischen Charakters auf: Sie ist anti-sozial, egozentrisch, gefühlskalt, lügt häufig und hat kein Gewissen. Ronald McDonald, das Michelin-Männchen und Meister Proper als Verwandte des Film-Kannibalen Hannibal Lecter? Eine These, die Mark Achbar und Jennifer Abbott in den 23 Kapiteln ihres Films zu beweisen suchen. Unter den 40 Interviewpartnern kommen die Geschäftsführer verschiedenster Branchen ebenso zu Wort wie Wissenschaftler, Journalisten und Intellektuelle, etwa Noam Chomsky, Naomi Klein, Jeremy Rifkin und der unvermeidliche Michael Moore, ein erklärtes Vorbild von Achbar und Abbott. „The Corporation“ bietet eine überzeugende Innenansicht des totalitären Kapitalismus transatlantischer Prägung. Von der Umweltzerstörung, der Ausbeutung billiger Arbeitskräfte bis zur gentechnischen Manipulation und medialen Gehirnwäsche wird keine Ungeheuerlichkeit ausgelassen. Die Konzerne erscheinen als maßlose, vampirische Golems, deren Ziel der Profitmaximierung zum reinen Selbstzweck entartet ist. Früheren kulturellen Normen wie dem „guten Christen“ oder dem „guten Kommunisten“ folgt das Leitbild vom „guten Konsumenten“: „Das Ideal ist das egozentrische Individuum, dessen Selbstverständnis und Selbstwertgefühl davon abhängen, wie viele der eigenen künstlichen Bedürfnisse es befriedigen kann.“ Die Beschlagnahme durch den Markt schreckt vor keinem Ding, keinem Lebewesen, keiner Ressource zurück, wie unter anderem anhand der Stadt Cochabamba in Bolivien anschaulich gemacht wird, deren gesamtes Trinkwasser (inklusive des Regenwassers!) von einem US-Konzern privatisiert wurde. Der Film plädiert für mehr staatliche Kontrolle und endet leider in einer nervtötend naiven Beschwörung der Macht des „Volkes“ und abgestandener Ikonen wie Gandhi und Martin Luther King. Biedere, für „mehr Demokratie“ demonstrierende Menschenrechtler und ökonomisch korrekte Gesundkäufer werden als effektive Feinde des Konzernsystems präsentiert. Eine pragmatische Treuherzigkeit, die mindestens so uramerikanisch ist wie die dauerlächelnden, kumpelhaften Vertretertypen. USA-Hasser und Globalisierungsgegner sind mit „The Corporation“ jedenfalls bestens bedient. Spritzig gemacht, fesselnd, informativ, sehenswert!