Der finanziell angeschlagene französische Konzern Alstom darf nach Intervention der EU eine Finanzspritze in Milliardenhöhe (davon 800 staatliche Euro-Millionen) nur erhalten, wenn der französische Staat seine Firmenanteile an private Interessenten veräußert. Da in Frankreich kein potentieller Aufkäufer existiert, kommen dafür nur ausländische Unternehmen in Frage. Schon frühzeitig hat sich Siemens für die Gasturbinensparte von Alstom interessiert. Die französische Firmenleitung lehnt jedoch einen Verkauf an die Deutschen kategorisch ab. Das wäre „nicht im Interesse unserer Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre“, meint Alstom-Chef Patrick Kron. Für die Franzosen ist schon die Entstaatlichung eine schmerzhafte Angelegenheit, garantierte doch die Regierung in verlustreichen Jahren eine halbwegs stabile Beschäftigung. Mehr aber zählt der Nationalstolz der Franzosen auf ihr prestigeträchtiges Unternehmen, das unter anderem den französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV, das Konkurrenzprodukt zum deutschen ICE, produziert. Frankreichs Wirtschaft war eben noch nie so marktwirtschaftlich, wie es die EU, vor allem ihr Wettbewerbskommissar Mario Monti, gerne hätte. Nun drohen ausgerechnet die Deutschen mit der Übernahme des Unternehmens. Dagegen sind die Franzosen nicht zimperlich, wenn es um die Einverleibung ausländischer Unternehmen geht. Als der französische Arzneimittelkonzern Sanofi die deutsch-französische Aventis schluckte, die aus einer Fusion mit der deutschen Traditionsfirma Hoechst hervorgegangen war, galt das als Triumph französischer Unternehmenskunst. Im umgekehrten Fall ist es eine Schmach, die einem verlorenen Krieg gegen den Erzfeind gleichzukommen scheint.
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