Bundeskanzler Gerhard Schröder hat auf seiner jüngsten Afrika-Reise die vor zwei Jahren erlassenen Sanktionen der EU gegen die sozialistische Regierung von Präsident Robert Mugabe in Simbabwe bekräftigt. Er halte „das Regime und die politische Praxis für inakzeptabel“, erklärte der SPD-Vorsitzende letzte Woche nach einem Gespräch mit dem südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki in Pretoria. Für Südafrika hatte der Kanzler nur Lob übrig – deshalb unterstützte Deutschland auch die Bewerbung Südafrikas für die Fußball-Weltmeisterschaft 2010. Doch so vorbildlich, wie Schröder glaubt, ist Südafrika nicht. Denn der zur Zeit dort regierende African National Congress (ANC) hat für das Wahljahr 2004 die Ausweitung der sogenannten Landreform in sein Programm aufgenommen. Schon seit einiger Zeit konnten die rund 55.000 weißen Farmer mit Besorgnis feststellen, daß die südafrikanische Regierung die Enteignungen Weißer im Nachbarland Simbabwe mit Wohlwollen beobachtete. Nun aber scheint ein neuer Tiefpunkt erreicht: Der ANC macht in seinem neuen Wahlprogramm, dem „Manifesto 2004“, die weißen Farmen als Hort von Diskriminierung und Mißbrauch der Menschenrechte aus. Dies soll, so der ANC, mit harter Hand angegangen werden. Dabei verbindet der ANC seine ideologischen Ziele mit einem pragmatischen Aspekt: Um der vielfach selbstverschuldeten Armut zu begegnen, sollen bis 2014 weitere 30 Prozent des Landes umverteilt werden, wobei junge und „aufstrebende“ Farmer – gemeint sind ausschließlich Schwarze – besondere Unterstützung der Regierung erfahren sollen. Die neugeplanten Enteignungen stehen schon in einer gewissen Tradition: In den letzten Jahren wurden unter dem Vorwand der Wiedergutmachung bereits 1,8 Millionen Hektar Land an schwarze Farmer überführt. Durch das geplante Programm soll nach dem Wunsch der Regierung die Armut in Südafrika um die Hälfte reduziert werden. Neben der direkten und offenen Enteignung, die der ANC plant, steht eine Reihe von weiteren Maßnahmen, die die Integrität der bestehenden Farmen bis zum Substanzverlust angreifen. Vor allem die Einführung von Mindestlöhnen für Landarbeiter hätte massive Folgen für die wirtschaftliche Struktur des Landes. Der Präsident des südafrikanischen Landwirtschaftsverbandes AgriSA, Japie Grobler, rechnet mit einem Verlust von bis zu 280.000 Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft. Nach erfolglosen Verhandlungen mit der Regierung verfolgt die AgriSA nun offenbar die Linie, die Regierung mit ihren Plänen ins offene Messer laufen zu lassen: So werden die Mitglieder der AgriSA ermahnt, sich strikt an die neuen Gesetze zu halten. Auf diese Weise sollen, vermutlich mit einem beträchtlichen Schaden und weiterer neuer Armut für die schwarzen Landarbeiter, der Regierung die Folgen ihres Handelns bewußt gemacht werden. Ähnlich pessimistisch zeigt sich auch der Bauernverband des Freistaates, der für Landwirtschaft wichtigsten Provinz Südafrikas. Der Präsident der Free State Agriculture (FSA), Louw Steytler, erinnerte daran, daß frühere Enteignungen immerhin in Absprache mit den Bauern selbst und in einem noch verträglichen Maß geschahen. Davon sei nun nichts mehr zu spüren. Auch haben sich die Zahlen massiv verändert: Waren bislang gut zwei Prozent des Landes betroffen, geht es nun mit insgesamt 30 Million Hektar um ein knappes Drittel des Landes. Die Vorhaben stellten, so Steytler, eine „ernste Gefahr“ für das Zusammenleben der Menschen und die landwirtschaftliche Entwicklung in Südafrika dar. Bisher herrschte das Grundprinzip von freiem Kauf und Verkauf in der Landwirtschaft. Dieses werde nun untergraben. Besondere Sorge bereitet Steytler, daß die Regierung die in Simbabwe erfolgten Enteignungen als innovativ und fortschrittlich feiere, anstatt sich von ihnen zu distanzieren. Steytler resümiert mit Blick auf die Vorwürfe des ANC gegenüber den weißen Farmern: „Das Gegenteil ist wahr: Wir möchten an der Lösung der Probleme beteiligt sein. Wir sind nicht Teil des Problems.“ Während Sorge und Verbitterung bei den weißen Bauern zunehmen, geht die Verbrüderung simbabwischer und südafrikanischer Regierungskreise weiter. Unlängst erklärte der simbabwische Landwirtschaftsminister Joseph Made, daß die Landreform in Simbabwe ohne die ideelle Unterstützung der südafrikanischen Regierung nicht möglich gewesen wäre. In Reaktion darauf ließ die südafrikanische Landwirtschaftsministerin, Angela Thoko Didiza, über ihren Sprecher verlauten, daß beide Länder in bezug auf die Landreform voneinander lernen könnten. Didiza, die sich auf ihrer Internetseite mit einer Fülle von Presseerklärungen über erfolgte „Landrückgaben“ schmückt, ließ erklären, daß in Simbabwe zwar Nachholbedarf bezüglich der ordnungsgemäßen Durchführung der Landreform in Detailfragen bestehe, Südafrika aber im Grundsatz von der viel älteren Demokratie Simbabwes lernen könne. Anders als in Simbabwe – der ehemaligen britischen Kolonie Süd-Rhodesien-, wo nur zwei Prozent der Bevölkerung Weiße waren, ist in Südafrika mit erheblichem Widerstand der knapp 14 Prozent Weißen zu rechnen. Im Falle einer Umsetzung der Pläne scheinen bürgerkriegsähnliche Zustände auf dem Land nicht ausgeschlossen zu sein. Viel Hoffnung auf Rücknahme der Pläne dürfte allerdings nicht bestehen: Ein erneuter Wahlsieg des ANC in diesem Jahr scheint äußerst wahrscheinlich. Hinzu kommt, daß sich mit Enteignungsüberlegungen befaßte Regierungschefs angesichts des Versagens insbesondere der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien im Fall Simbabwe ermutigt fühlen dürften, ihre umstrittenen Pläne in die Tat umzusetzen.