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Neue Technologien: Technik und Tabu

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Was ist ein Tabu? Der Begriff stammt aus der Ethnologie, also aus den Kulturwissenschaften. Dennoch hat er viel mit Wissenschaft und Technik zu tun. Tabu heißt in bestimmten Kulturen das, was heilig oder unberührbar ist. Andacht und Schrecken mischen sich dabei. Bei uns drückt das Wort „Ehrfurcht“ ein Tabugefühl aus. Doch gibt es überhaupt noch etwas, wovor wir in Ehrfurcht erstarren? Die Natur ist mehr zu bemitleiden als zu fürchten, seit sich sechs Milliarden Schädlinge in ihr mehr oder weniger komfortabel eingerichtet haben. Kant hat diese Situation bereits vorausgeahnt und zwei andere ehrfurchtgebietende Mächte beschworen, nämlich den „bestirnten Himmel über uns“ und das „moralische Gesetz in uns“. Beides ist nach wie vor naturwissenschaftlich nicht ganz erklärt, obwohl man sich alle Mühe gibt. Das von Kant beschworene Gefühl der „Erhabenheit“ wurde vor einigen Jahren zur philosophischen Mode, für Otto Normalverbraucher spielt es hingegen kaum eine Rolle. Solange die Natur ihm keine größeren Hindernisse in den Weg legt, etwa als Flutkatastrophe oder Erdbeben, fühlt er sich völlig obenauf und Herr der Lage. Furcht? Ehrfurcht? Tabu? Wozu, wenn es an der nächsten Ecke Supermarkt und Krankenhaus gibt? Beim Thema Tabu geht es also um Wissenschaft und Technik – eigentlich nur darum. Das Problem ist aber, daß die Menschen eine Sehnsucht nach Tabus haben. Es ist wie mit den Schnörkeln in der Architektur. Sie sind längst verabschiedet, kommen aber immer wieder. Ohne ist es langweilig, jedenfalls auf die Dauer. So befreit es zwar ungemein, Tabus zu brechen, wenn die Zeit dafür reif ist. Das heißt, wenn wieder etwas durchschaubar und beherrschbar geworden ist, was vorher Gebete und Opfergaben verlangte. Doch nach der Befreiung kommt ein Gefühl der Leere auf, was der berühmte Soziologe Max Weber mit dem Phänomen der „Entzauberung“ begründete. Es ist wie mit den Weihnachtsgeschenken: Wer sie zu früh entdeckt, ist enttäuscht, weil er sich die Spannung genommen hat. Die Spannung wiederzustellen, ist aber nicht möglich. Es bleibt nur übrig, ein weiteres Tabu zu suchen, um es zu enthüllen und zu vernichten. Schließlich entstand die Sorge, daß es keine Tabus mehr geben könnte. Das Wilde und Unbezähmbare war überall auf dem Rückzug, die Zivilisation breitete sich auch in so leidenschaftlichen Bereichen wie Liebe oder Krieg aus, die beide ein technisches Aussehen annahmen. So würden wir heute tabulos dahinleben, wenn es nicht die Nationalsozialisten gegeben hätte. Sie führten vor, was passiert, wenn man tatsächlich alle Tabus fallen läßt. Dabei stellen wir fest: Es gibt also doch noch einiges, wovor wir zurückschrecken. Das hebt das Selbstbewußtsein, und vor allem vertreibt es die Langeweile. Dankbarkeit wäre trotzdem fehl am Platz.

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