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Marc Jongen, ESN Fraktion

Systemfremd

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Es ist zutreffend, daß das Phänomen der Gewerkschaften fast so alt ist wie der Kapitalismus selbst. Es ist aber irreführend, daraus den Schluß zu ziehen, sie wären in einer freien, auf Privateigentum an Produktionsmitteln beruhenden Marktwirtschaft selbstverständlich oder gar notwendig. Dies ist dennoch in der Geschichte der Bundesrepublik unermüdlich suggeriert worden. Insbesondere die bis in die achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein so virulente Ideologie der Sozialen Marktwirtschaft fand sich mit der Existenz von Gewerkschaften nicht bloß ab, sondern tat so, als wären sie eine der Säulen des Wohlstandes. Über die historische Bewertung dieser Notlüge mag man sich streiten. Sicherlich ist ihren einstigen Protagonisten zugute zu halten, daß es zunächst vor allem galt, den einzig durch die Kriegsniederlage entnazifizierten Deutschen etwas zu bieten, das sie von einer Glorifizierung der braunen Sozialpolitik abhalten konnte. Auch gab es eine sozialistische DDR, von der man lange Zeit nicht wissen konnte, wie wenig erfolgreich sie werden würde und deren Sozialdemagogie die Unternehmer des Westens zu durchaus schmerzlichen Konzessionen an die Beschäftigten zwang. Diese historischen Verdienste der Sozialen Marktwirtschaft werden jedoch längst durch die letzte Hinterlassenschaft aufgewogen, die von ihr noch zu spüren ist: Es ist die durch sie legitimierte Anspruchsmentalität der Bürger, die eine Modernisierung unseres Landes heute bereits im Keim erstickt. Viel zu viele Menschen meinen, daß sie Besitzstände nicht freiwillig aufgeben sollten, weil man sie letztendlich dazu nicht zwingen könne. Bei manchen von ihnen mag sich zwar das Gefühl eingestellt haben, in der Sozialdemokratie auf kein Verständnis für Arbeitnehmerinteressen mehr zu stoßen. Das Vertrauen in die Gewerkschaften als einer letzten Bastion des Gemeinwohls ist dadurch aber eher noch gestärkt worden. Dieses Vertrauen der Beschäftigten in ihre eigene Stärke gilt es aber nachhaltig zu erschüttern, damit die beabsichtigte Reform des Arbeitsmarktes gelingen kann. Der einzelne darf sich nicht den Luxus leisten, etwas, das ihn vor dem Sturz ins soziale Nichts bewahrt, als Zumutung zu betrachten. Er wird sich aber nur dann daran gewöhnen, sein Leistungsangebot und seine Entlohnungswünsche flexibel auf die Anforderungen des Arbeitgebers auszurichten, wenn er sich allein gelassen fühlt. Solidarität der Beschäftigten ist also das letzte, was wir in der heutigen Neubesinnung auf eine wirklich freie und nicht mehr zwanghaft soziale Marktwirtschaft gebrauchen könnten. Gewerkschaften sind in unserer Ökonomie systemfremd. Sie verzerren das freie Spiel der Kräfte am Arbeitsmarkt, da sie jenen, deren Rolle im Produktionsprozeß eigentlich die der Schwachen ist, zu künstlicher Stärke verhelfen. Wer es ernst meint mit der Überwindung der Sozialen Marktwirtschaft, darf dies nicht länger hinnehmen.

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