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ESN-Fraktion, Europa der souveränen Nationen

In Anmerkungsgräbern entsorgt

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Recht gut bei Kasse muß sein, wer sich in Sachen „Konservative Revolution“ stets auf dem neuesten Forschungsstand halten möchte. Denn allein die inzwischen auch in Asien und Lateinamerika quantitativ ins Gewicht fallenden Publikationen über Armin Mohlers „kategoriensprengende Autoren“ Carl Schmitt, Ernst Jünger oder den Thomas Mann der „Betrachtungen eines Unpolitischen“ dürften alljährlich so teuer kommen wie eine Luxusreise in tropische Gefilde. Dieser stetig wachsende Bücherberg signalisiert zwar anhaltendes Interesse an einer einst sehr dominanten politischen Ideologie, doch ein fast ausschließlich akademisches. Insofern darf sich Armin Mohler bestätigt fühlen, der schon zwischen der zweiten (1972) und dritten Auflage (1989) seines Handbuchs über „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918 bis 1932“ eine Historisierung und Musealisierung der von ihm einst begrifflich vereinheitlichten Ideenströmungen registrierte. Das kurze Aufflackern nach 1989, das hindeutete auf eine Reaktualisierung und Vereinnahmung konservativer Modernekritik durch eine – weitgehend als linker Medienpopanz einzustufende – bundesdeutsche „Neue Rechte“, war schon Mitte der neunziger Jahre als politisch folgenloses Intermezzo abgehakt, der Geist der KR in den Anmerkungsgräbern wissenschaftlicher Studien beerdigt. Insofern eröffnete auch der auf Panjotis Kondylis‘ gestützte Versuch des Hamburger Soziologen Stefan Breuer („Anatomie der Konservativen Revolution“, 1993), Mohlers „Revolutionären“ die Zugehörigkeit zum Konservatismus abzusprechen, nur eine Debatte im Elfenbeinturm. Liberale Unfähigkeit zur Welterklärung Unberührt davon und von einigen sich daran anschließenden Bemühungen, die Ideenfabriken der zwanziger Jahren unter neuen Etiketten zu sortieren, zog die Forschungskarawane weiter. Den besten Überblick über das von ihr nach 1989 durchmessene Terrain, der bis zu den Publikationen des Jahres 1999 reicht, vermittelt Karlheinz Weißmann in dem von Caspar von Schrenck-Notzing herausgegebenen, auch für die gegenrevolutionäre Ideengeschichte des 19. Jahrhunderts sehr nützlichen Sammelband „Stand und Probleme der Erforschung des Konservatismus“. Auch Weißmann will zwar nicht auf die Hoffnung verzichten, angesichts der „Krise des Liberalismus“ und seiner Unfähigkeit zur „Welterklärung“, konservative Ideenbestände und Sinnstiftungsmuster revitalisieren zu können. Doch seine sehr detaillierte, vor allem die westeuropäischen Publikationen nicht vergessende Orientierung liefert ungewollt Material für die Gegenthese, daß die Historisierung der KR inzwischen jeden Versuch der Wiederbelebung wie einen Mummenschanz wirken läßt. Das zeigt gerade jenes Forschungssegment, auf dem nach Weißmanns richtiger Einschätzung noch viel zu tun bleibt: die Bedeutung der religiösen Fragestellung, nicht nur für die Zivilisationskritik der Völkischen. Aber selbst die subtilste Rekonstruktion der zahllosen „politischen Theologien“ dürfte nur als verdienstvolle antiquarische Leistung zu Buche schlagen, die infolge der im Brüsseler Großraum offenkundig schwindenden Bedeutung der Religion keinen historisch unterfütterten Beitrag zur „Welterklärung“ mehr liefern wird. Auf einem anderen Feld, dem Verhältnis der Konservativen Revolution zum Nationalsozialismus, dem sich in Schrenck-Notzings Band Frank-Lothar Krolls instruktiver Überblick zuwendet, werden die Schwierigkeiten mit der „Aktualität“ noch deutlicher. Festzumachen an den Männern des „20. Juli“, gibt es hier nämlich noch ein geschichtspolitisch umkämpften Bezirk, da Teile der bundesdeutschen politischen Klasse mit dem Widerstand gegen die NS-Herrschaft ein legitimatorisches Interesse verbinden, das schwer in Einklang zu bringen ist mit den KR-Prägungen von Stauffenberg und vielen seiner Mitverschwörer. Zudem besteht, wie Kroll mit Blick auf die Desiderata andeutet, hier die Chance, die nicht nur im Streit über die Rolle der Wehrmacht im Dritten Reich nahezu kanonisch gewordene Identifizierung von Nationalsozialismus und Konservatismus in geduldiger historischer Kleinarbeit aufzubrechen. Wie jüngere Arbeiten über die „Weiße Rose“ (JF 47/01), den Nationalökonomen Jens Jessen oder den Diplomaten Adam Trott zu Solz (JF 11/02) belegen, kann die „Frage nach dem Fortleben konservativ-revolutionären Ideenguts im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ (Kroll) die nachträgliche „Nazifizierung“ der deutschen Gesellschaft und ihrer Eliten wirkungsvoll konterkarieren. Mehr als ein Nadelstich gegen volkspädagogisch motivierte Geschichtsdeutungen ist davon jedoch kaum zu erwarten. Wenn man einmal die unüberschaubar gewordene Literatur zu Carl Schmitt und Ernst Jünger ausklammert, so muß auffallen, daß die monographische Behandlung namhafter KR-Protagonisten ins Stocken geraten ist. Eine rühmliche Ausnahme macht da die mit zehnjähriger Verzögerung auf Deutsch veröffentlichte Dissertation des Niederländers Frits Boterman über „Oswald Spengler und sein Untergang des Abendlandes“, die der neuerdings als Huizinga-Biograph hervorgetretene Historiker Christoph Strupp übersetzt hat. Das große Verdienst Botermans liegt darin, unter Verwendung neuer Quellen Spenglers praktisch-politische Rolle primär in den turbulenten Bürgerkriegsjahren der Weimarer Republik zwischen 1919 und 1923 bis in die kleinsten Facetten hinein erfaßt zu haben. Er füllt damit auf diesem Gebiet eine von Weißmann ausgemachte Forschungslücke: Bei der starken Konzentration auf die Geistes- und Ideengeschichte sei der Zusammenhang der Konservativen Revolution mit den „politischen Organisationen des Nationalismus“ vor und nach 1918 arg vernachlässigt worden. Was bei Botermans minutiöser Nachzeichnung allerdings zugleich deutlich wird, ist die spezifische Unfähigkeit des Gehirntiers Spengler zur Bewältigung praktischer politischer Probleme, die sich nirgends anschaulicher zeigt als in der Herbstkrise von 1923, als der menschenscheue Münchner Geschichtsprophet einen Augenblick lang hoffen durfte, die Geschicke des Reiches mitzubestimmen. Ob darin ein weiteres Mal nach Niekisch und dessen monströsen Remedur-Phantasien ein spezifischer Illusionismus der sich gern realitätstüchtig gebenden Rechten zutage tritt, mag dahingestellt sein. Nicht an einer Einzelfigur, sondern an dem einflußreichen jungkonservativen Ring-Kreis und der „ästhetischen Opposition“ Moeller van den Brucks und seines Umfeldes demonstriert Berthold Petzinnas Bochumer, bei Hans Mommsen angefertigte Dissertation, wie Konservative ihre Ideen in praktische Politik umsetzen wollten. Petzinna muß hier viel wiederholen, was wir aus der Parteiengeschichte über die Volkskonservative Vereinigung wissen, was Yuji Ishida 1988 in seiner Untersuchung über den Ring-Kreis ausgebreitet hat oder, ein besonderer Schwerpunkt bei Petzinna, was wir über die wirtschaftspolitischen, zum Teil „ständestaatlichen“ Reformkonzepte der „Netzwerker“ um Heinrich von Gleichen schon wissen. KR und Nationalsozialismus wieder glücklich vereint Leider geraten auch die Kapitel über den politischen Aktivismus der Jungkonservativen in der innenpolitisches Krise des letzten Jahres vor Hitler sowie die Schilderung des Schicksals der „Ring“-Mitarbeiter in der NS-Zeit so kurz, daß die Trennlinien zum Nationalsozialismus nicht mit wünschenswerter Deutlichkeit hervortreten. Was um so bedauerlicher ist angesichts einer fast zeitgleichen Neuerscheinung Stefan Breuers zur Ideengeschichte der „deutschen Rechten“ zwischen 1871 und 1945. Breuer erneuert darin seine 1993 einsetzenden, gegen die Eigenständigkeit der Konservative Revolution gerichteten Dekonstruktionsübungen. Diesmal verschwimmt diese nicht im „Voluntarismus und Ästhetizismus“, die ähnlichen Erscheinungsformen der Modernekritik gemein sei (1993). Sondern meuerdings überwölbt die „Ordnung der Ungleichheit“ alle „rechten“ Politikentwürfe seit der Reichsgründung, so daß Konservative Revolution und Nationalsozialismus wieder glücklich bis zur vergangenheitspolitisch erwünschten Ununterscheidbarkeit zusammengerückt werden. Bild: Centaurenkampf auf beschneiter Bergkuppe (Arnold Böcklin, 1873): Der Politikentwurf der Konservativen Revolution als ins Mythische entrückte Ordnung der Ungleichheit

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