Nie tauchen wir tiefer ein in Erinnerungen frühester Kindheit wie zu Weihnachten. Es sind die hier besonders eindrucksvoll wiederkehrenden Traditionen und Rituale, die Gerüche, Geschmäcker, die Klänge, die uns Stimmungen und Gefühle aus frühesten Zeiten wachrufen. Wann baut ihr euren Weihnachtsbaum auf, fragte mich gerade einer. Beim Nachbarn steht er schon Anfang Dezember geschmückt im Wohnzimmer.
Bei uns zu Hause wurde der Weihnachtsbaum am Morgen des Heiligen Abend aufgestellt. Als wir noch kleine Kinder waren, da wurden die Türen verschlossen und mein Vater höchstpersönlich schmückte den Baum – später durften ihm größere Geschwister helfen. Dabei futterte er genüßlich Königsberger Marzipan und trank ein Glas Wein. Mit der Bescherung erst sollten wir den mit brennenden Wachskerzen geschmückten Baum sehen dürfen. Wir lauschten im kalten Flur, bis das Klingeln der Glocke (in Wahrheit das Weinglas) ertönte. „Erst den Baum würdigen!“ Und nachdem ausgiebig Weihnachtslieder gesungen waren, durften wir an die Geschenke …
An Weihnachten wird einem die Heimat bewußt
Weihnachten war Gipfel der Gemütlichkeit und Innigkeit. Die Zeit schien stillzustehen und sich endlos zu dehnen. Auf dem Bauch liegen und spielen. Dazwischen Rollgriff in den Schalen mit selbstgebackenen Keksen. Der Geruch von Wachs, Tannennadeln, Gebäck, die wegen unterschiedlicher Musikalität vielstimmig gesungenen Lieder („Es kommt ein Schiff geladen“, „Leise rieselt der Schnee“, „Kommet ihr Hirten“, „Wer klopfet an“ usw.) – all dies erinnert mich an eine selige, glückliche Kindheit. Und so verlängern wir diese Gewohnheiten über unsere Kinder in die Zukunft.
Kürzlich hatten wir einen Unternehmer zu Gast, der vor vier Jahren seine Firma in Berlin aufgab und nach Florida in die USA auswanderte. Nun will er plötzlich wieder zurückkommen. Warum? Rührenderweise entdeckte er erst dort, wie sehr er an seiner Heimat, der deutschen Kultur und Mentalität hängt. Er käme mit der Oberflächlichkeit nicht klar, die sich oft hinter freundlichen Fassaden verberge, die mangelnde Vertragstreue zwischen Geschäftspartnern und: „Fast niemand kocht privat mehr selbst, alles wird nur bestellt oder abgeholt und am Schluß mit Plastikgeschirr gegessen!“
An Weihnachten wird uns besonders deutlich, gerade und trotz vieler politischer und gesellschaftlicher Mißlichkeiten, wie sehr wir an unserer Heimat hängen. Bleiben wir ihr treu. Ich wünsche Ihnen gesegnete Weihnachten und ein glückliches Jahr 2026.
Ihr Dieter Stein





