Herr Dr. Fenske, hat Sie das Presseecho vom Wochenende – unter anderem Seite eins der „NZZ“ – auf die Kündigungsdrohung gegen Ihre Bibliothek des Konservatismus überrascht?
Wolfgang Fenske: Das hat mich sehr gefreut! Zeigt es doch, daß es zumindest in einigen deutschsprachigen Medien ein Sensorium dafür gibt, wenn die Wissenschaftsfreiheit bedroht ist.
Die „NZZ“ spricht von einem „Armutszeugnis“, Norbert Bolz auf „Welt.TV“ gar von „McCarthyismus“. Zu Recht?
Fenske: Es liegt hier sicher kein herkömmlicher McCarthyismus vor, sondern eine subtilere Form, eine Löschkultur auf digitaler Ebene: Letztlich wird ein Knöpfchen gedrückt, und wir werden für die Öffentlichkeit unsichtbar. Das geschieht viel unauffälliger, geräuschloser als im McCarthyismus, der ja öffentlich und lautstark war, oder als etwa bei Bücherverbrennungen. Die Maßnahme gegen uns vollzieht sich hingegen so kalt und leise, daß man der Öffentlichkeit erstmal erklären muß, was vor sich geht.
»Die Bibliothek des Konservatismus ist in ihrer Existenz bedroht« – Der Angriff auf die @BdK_Berlin auf der Titelseite der @NZZ am Samstag. pic.twitter.com/ay4RD5HO6y
— Dieter Stein (@Dieter_Stein) November 24, 2025
Was geht vor sich?
Fenske: Für eine Bibliothek ist es existentiell, einem Verbundnetzwerk angeschlossen zu sein, denn sonst ist sie für recherchierende Forscher, Studenten und interessierte Laien digital nicht aufzufinden. Daher ist es erschreckend, daß uns im Sommer ein Kündigungsschreiben des „Gemeinsamen Bibliotheksverbunds“ (GBV) der norddeutschen Länder erreicht hat.
Mit welcher Begründung?
Fenske: Das eben ist das Erschreckende: keine. Ergo läßt sich auch kein Problem ausräumen. Der GBV hat uns einfach zum 31. Dezember 2025 ordentlich gekündigt.
Geht das denn?
Fenske: Der Verbund steht auf dem Standpunkt, zwar sei er eine Einrichtung des Landes Niedersachsen, habe aber in seiner Eigenschaft als Betrieb lediglich einen zivilrechtlichen Vertrag mit uns geschlossen. Und der sei, wie jeder solche Vertrag, jederzeit ohne Angabe von Gründen ordentlich zu kündigen.
„Unser Anwalt ist zuversichtlich“
Dagegen klagen Sie nun. Mit welchem Argument?
Fenske: Der GBV ist eine öffentlich-rechtliche Institution, die auch gewisse hoheitliche, also staatliche Aufgaben wahrnimmt, um Bibliotheken die Arbeit zu ermöglichen. Daher fällt er unter das Verwaltungsrecht, und das heißt, er darf zum Beispiel Prinzipien wie den Gleichheitsgrundsatz, die Gleichbehandlung, nicht verletzten. Also zum Beispiel nicht jemanden aus politischen oder weltanschaulichen Gründen benachteiligen.
Gegründet wurde die BdK bereits 2012. Warum passiert das jetzt nach 13 Jahren?
Fenske: Das hat uns auch erstaunt, denn wir haben eigentlich stets ein gutes Verhältnis zum GBV gehabt. Und das bereits seit 2008, denn wir sind ihm schon während der Jahre der Aufbauarbeit der Bibliothek beigetreten. Nie hat man uns das Gefühl gegeben, zurückgesetzt oder schlecht behandelt zu werden. Ich kann daher über die Gründe für den plötzlichen Sinneswandel nur mutmaßen.
Bitte.
Fenske: Im Oktober 2024 übernahm mit Regine Stein eine neue Direktorin den GBV. Wenn wir kein Dreivierteljahr später – nach 17 kollegialen Jahren – plötzlich aus dem Verband geworfen werden, dann steht der Verdacht im Raum, daß die neue Leitung eine politische Agenda verfolgt. Aber ich sage klar, dafür gibt es keine Beweise, es ist lediglich eine Vermutung nach dem Ausschlußprinzip: Wenn es sonst keinen plausiblen Grund gibt, bleibt dieser vorerst als einzig stichhaltiger übrig.
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Haben Sie denn mal das Gespräch mit der neuen Direktorin gesucht und direkt nachgefragt, was der Grund ist?
Fenske: Da die Kündigung per Anwalt kam, haben auch wir die Sache sogleich an unseren Anwalt übergeben. Der hat allerdings bezüglich des Grundes nachgefragt – aber keine Antwort erhalten. Dann hat sogar ebenfalls das Gericht nachgefragt – aber auch darauf hat die Gegenseite die Antwort verweigert. Sie beharrt darauf, zivilrechtlich zu handeln und ordentlich gekündigt zu haben, wofür keine Begründung nötig sei.
Für wie groß halten Sie die Chance, Ihre Klage zu gewinnen?
Fenske: Unser Anwalt ist sehr zuversichtlich, daß der GBV mit seiner Argumentation nicht durchkommt. Und wir haben eine Verwaltungsrechtskanzlei beauftragt, die ähnliche Verfahren schon mehrfach durchgefochten hat. Allerdings weiß man natürlich nie. „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“, diesen bekannten Spruch habe ich in den vergangenen Tagen öfter gehört.
„Wir müßten unsere Arbeit praktisch vollständig einstellen“
Mal abgesehen von dem Risiko zu verlieren, wie hoch schätzen Sie die Kosten für den Prozeß?
Fenske: Daran darf ich gar nicht denken. Zumal damit zu rechnen ist, daß die Gegenseite bei einer Niederlage in Berufung geht. Und unser Anwalt schätzt, daß allein die erste Instanz sich über ein bis zwei Jahre hinziehen wird. Für eine kleine Einrichtung wie uns ist das eine ganz enorme Belastung!
Können Sie denn nicht einfach dem Verbund eines anderen Bundeslandes beitreten?
Fenske: Erstens: Sollte der Grund tatsächlich ein politischer sein, ist es gut möglich, daß sich Frau Stein bereits mit den Direktoren anderer Bibliotheksverbünde abgesprochen hat und wir am Ende nirgendwo mehr reinkommen, egal wo wir anklopfen.
Zweitens: Doch selbst wenn nicht und wir anderswo Aufnahme fänden, wäre der Schaden wohl existenzbedrohend. Denn wir können im Augenblick gar nicht übersehen, was es uns an Zeit und Geld kosten würde, unsere Daten in einen neuen Bibliotheksverbund zu überführen. In unserem laufenden Prozeß beziffert die Gegenseite unsere Kosten dafür auf 30.000 Euro. Doch selbst wenn es tatsächlich bei diesem Betrag bleibt, ist schon der für eine spendenfinanzierte Bibliothek nur schwer zu schultern.
Noch schlimmer ist, daß eine so kleine Einrichtung wie wir natürlich auch nur sehr wenige Mitarbeiter hat. Mit allen unseren Daten in einen anderen Verbund umzuziehen würde angesichts dessen bedeuten, daß wir unsere Bibliothek für viele Monate, wenn nicht länger, schließen müßten – sprich keinen bibliothekarischen und keinen Leihverkehr aufrechterhalten könnten.
„Schließen“ heißt aber nicht, daß Sie das Haus zumachen müßten, oder? Wer sich direkt an Sie wendet oder gar nach Berlin kommt, der könnte doch weiterhin leihen.
Fenske: Nein, nicht einmal das. Dazu müssen Sie verstehen, wie Bibliotheksverbünde arbeiten. Nicht nur für jedes Buch, sondern für jede Ausgabe eines Buches gibt es einen eigenen sogenannten Stammdatensatz. Wenn eine einzelne Bibliothek, wie etwa wir, nun in dem Verbund ihre Bücher speichert, macht sie nichts anderes, als sich mit einer lokalen Signatur, die wir bei uns im Haus generieren, an diesen Stammdatensatz anzuhängen. Sobald daher die Verbindung zu diesem unterbrochen ist, sind unsere Bücher nicht nur von außen nicht mehr zu finden, sondern auch für uns hier intern.
Sie würden im eigenen Haus Ihre eigenen Bücher nicht mehr finden?
Fenske: Falls sich der Bibliothekar daran erinnert, wo ein Buch steht, dann schon. Aber wie viele Bücher hat er im Kopf, vielleicht ein paar Dutzend? Unser Bestand zählt jedoch 35.000 Bände! Daher lautet die Antwort nein, wir wären nicht nur unsichtbar, wir müßten auch für lange Zeit die Bibliotheksarbeit praktisch vollständig einstellen. Und nicht einmal die paar Bücher, die man von Hand findet, könnten wir verleihen, weil wir keine Ausleihsoftware mehr hätten, keine Mahnsoftware und so weiter – alles weg!
„Unsere Bibliothek wird zum Kulturkampf-Akteur gemacht“
Sie sagen, ein vergleichbarer Fall sei Ihnen in Deutschland nicht bekannt. Wenn das stimmt, müßte es doch eigentlich Solidarität seitens anderer Bibliotheken geben.
Fenske: Ja, aber leider ist das nicht der Fall.
Sind Sie darüber enttäuscht?
Fenske: Aber natürlich! Denn eigentlich müßte jedem aus dem Bildungs- und Wissenschaftsbereich klar sein, was hier vor sich geht. Daß hier versucht wird, Wissenschaftsinfrastruktur und damit auch die Wissenschaftsfreiheit zu beschneiden. Immerhin haben wir von einzelnen, lieben Kollegen solidarische Zuschriften bekommen, aber nichts von den Leitungsebenen anderer Häuser.
Um so glücklicher sind wir über die, wenn auch wenigen, Stimmen seitens einiger Medien, die die Vorgänge verurteilen. Ebenso wie seitens des „Netzwerks Wissenschaftsfreiheit“, einem Zusammenschluß von Hochschullehrern, die seit Jahren vor der Einschränkung der akademischen Freiheit warnen – und das zu unserer Causa einen offenen Brief in Vorbereitung hat.
Ist das Vorgehen des GBV gegen Sie aus Ihrer Sicht ein Fall für den Kulturstaatsminister: Müßte Wolfram Weimer intervenieren?
Fenske: Ach, ich hoffe doch, das Ganze läßt sich auf der unteren Ebene regeln.
Wenn ein politisches Motiv vorliegt und wenn es zudem so ist, wie Ihr Anwalt glaubt – daß der GBV damit nicht durchkommt –, könnte dann das Ziel der Operation vielleicht gar nicht sein, vor Gericht zu siegen, sondern Sie mit Kosten und enormem Arbeitsaufwand zu überziehen, um der Bibliothek zu schaden? Die Rechnung der anderen Seite zahlt schließlich der Steuerzahler.
Fenske: Wenn die Vermutung stimmt, daß Frau Stein einer politischen Agenda folgt, dann ist natürlich nichts auszuschließen. Gleichwohl, da ich ihre Gründe nicht kenne und nur mutmaßen kann, ist das reine Spekulation.
„Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt hat am Wochenende in einem Aufsatz über die Gefahren des Kulturkampfs von links kritisiert: „Wenn jetzt auch noch die Bibliothek des Konservatismus von den Bibliotheksverbänden, allesamt im aktivistischen Kampfmodus verstrickt, kaputtgemacht werden soll, paßt das in die Landschaft.“ Ist Ihr Fall Teil eines Kulturkampfs?
Fenske: Diesen Eindruck kann man haben. Denn wenn Frau Stein, wie ich vermute, politische Motive hat, dann reiht sich ihr Vorgehen gegen uns in die Cancel Culture der letzten Jahre ein.
Sehen Sie die BdK als Akteur des Kulturkampfs?
Fenske: Wir werden zum Akteur gemacht, indem wir mutmaßlich angegriffen werden. Von uns aus sind wir es aber nicht, denn die BdK ist keine politische, sondern eine wissenschaftliche Einrichtung.
„Jeder, der sich anständig benimmt, ist hier herzlich willkommen“
Die Grünen-Landesabgeordneten Ario Mirzaie und Laura Neugebauer haben Ende 2024 in einer Kleinen Anfrage an den Berliner Senat der BdK vorgeworfen, eine „rechtsextreme Kaderschmiede“ zu sein.
Fenske: An dieser Qualifizierung ist alles falsch. Zwar bieten wir neben dem Bibliotheksbetrieb auch öffentliche Veranstaltungen wie Vorträge und Lesungen an, bevorzugt konservativer Autoren, Publizisten und Denker, betreiben zudem einen Youtube-Kanal, einen Theorie-Podcast und veranstalten unsere „Jungkonservativen Seminare“. Aber dabei geht es nicht um Politik, sondern um Bildung, um Wissenstransfer.
Michael Hageböck hat in „Abendland – Geheiligte Kultur, geliebte Heimat“ Texte von Gerd-Klaus Kaltenbrunner über die geistigen Grundlagen unserer Kultur versammelt.
👉 Hören Sie unseren Podcast auf allen gängigen Plattformen oder direkt hier: https://t.co/yFK1KHgZoI pic.twitter.com/GDVNVs6zth
— Bibliothek des Konservatismus (BdK) (@BdK_Berlin) November 6, 2025
Und natürlich gehört es auch zu unserem Selbstverständnis, das geistesgeschichtliche Erbe des Konservatismus zu pflegen, doch auch das macht uns nicht zu politischen Akteuren. Übrigens haben wir auch immer wieder vor allem Studentinnen, die, dem Äußerlichen nach zu urteilen, erkennbar links sind, die aber dennoch zu uns kommen, weil sie hier Bücher und Zeitschriften finden, die sie zum Abfassen ihrer Seminararbeiten benötigen.
Und diese sind auch willkommen?
Fenske: Selbstverständlich, jeder, der mit einem Bildungsinteresse zu uns kommt und sich anständig benimmt, ist hier herzlich willkommen.
Was für Bücher finden sich folglich in Ihrer Bibliothek?
Fenske: Alles, was das geistesgeschichtliche Spektrum des Konservatismus seit 1789 erschließt – also ab dem Beginn der Gegenrevolution gegen die Französische Revolution, die als Startschuß des modernen Konservatismus gilt. Und „geistesgeschichtliches Spektrum“ heißt, daß wir keine rein politikwissenschaftliche Bibliothek sind, sondern versuchen, das konservative Denken auch in der Literatur, Kunst, Architektur und allen möglichen anderen Bereichen nachvollziehbar zu machen.
Insofern verstehen wir uns auch als eine konservative Denkfabrik, doch auch das im Sinne, Bildung und Wissen zu liefern, nicht aber konkrete politische Konzepte zu erstellen. Daher ist es auch ein absolutes Unding, daß wir zum Beispiel vom sogenannten „Berliner Register“, einem staatlich finanzierten Antifa-Portal, auf Schritt und Tritt beobachtet werden, und dieses alles „dokumentiert“, wie es das nennt, was wir tun. Daß der Staat so etwas bezahlt, ist meines Erachtens ein Skandal!
Was können jene tun, die Sie unterstützten wollen?
Fenske: Abonnieren Sie unseren Newsletter auf unserer Internetseite, folgen Sie uns auf den Sozialen Medien, machen Sie sich für uns stark – und wenn möglich: Unterstützen Sie uns auch finanziell in den Auseinandersetzungen, die uns jetzt bevorstehen.
Dr. Wolfgang Fenske ist Leiter der 2012 in der Berliner Fasanenstraße eröffneten Bibliothek des Konservatismus (BdK). Der studierte Theologe wurde 1969 in Berlin geboren.






