Herr Kyrath, erst der Fall Liana K. in Friedland, dann der Iryna Zarutskas in Charlotte/USA und nun der Charlie Kirks. Was ruft das in Ihnen wach?
Michael Kyrath: Nicht alle der Fälle sind vergleichbar, aber zumindest der Liana K.s und Iryna Zarutskas zeigt gleiche Strukturen wie der unsere.
Am 25. Januar 2023 wurden Ihre 17jährige Tochter Ann-Marie sowie ihr 19jähriger Freund Danny P. nahe dem Bahnhof Brokstedt im Regionalzug Kiel-Hamburg ermordet von einem abgelehnten Asylbewerber mit 38 Messerstichen. Drei weitere Fahrgäste wurden schwer verletzt – ein Opfer nahm sich später das Leben.
Kyrath: Seit damals höre ich bei jedem neuen Fall die gleichen Floskeln der verantwortlichen Politiker. Es fühlt sich an wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“.
Warum würden Sie den Mord an Kirk ausgliedern?
Kyrath: Er hatte ein anderes Tatmotiv, ein offenbar politisch motivierter Mord, während dieses bei Ann-Marie, ebenso wohl wie bei Liana K. und Iryna Zarutska, Frust war beziehungsweise die Befriedigung, einen anderen Menschen zu töten.
Ist das Tatmotiv tatsächlich das für Sie relevante Moment? Ist dieses Moment nicht vielmehr, daß es eine politische Verantwortung für all diese Morde gibt: Ist das nicht die Botschaft Ihres öffentlichen Engagements?
Kyrath: Ja, und dennoch ist der Tod Ann-Maries und der anderen Mädchen kein politischer Mord. Sie haben aber recht, wenn Sie von politischer Verantwortung sprechen. Wie jetzt bei Liana K. und Iryna Zarutska gab es im Fall meiner Tochter sehr viele Verfehlungen seitens Politik und Behörden, die zu diesen grausamen Konsequenzen geführt haben.
Kyrath: „Zuvor schon rammte der Täter einem arglosen Mann ein Messer in den Hals“
Wo konkret sehen Sie diese politische Verantwortung?
Kyrath: Die beginnt mit der, wie es immer verniedlichend heißt, „irregulären Migration“.
Warum „verniedlichend“?
Kyrath: Weil „irregulär“ beschönigen soll, was diese in Wahrheit ist, nämlich illegal! Das muß man sich einmal klarmachen: Der Staat fördert durch die unkontrollierte Grenzöffnung illegale, also rechtswidrige Migration. Was für ein Unding! Weiter geht es damit, daß in unserem Fall der Täter durch mehrere Bundesländer spazierte, ohne erkannt zu werden, weil Datenschutz ja sooo wichtig ist – außer es ist Corona, da hat der Datenschutz nicht interessiert. Damals war es auch plötzlich wieder möglich, Grenzkontrollen durchzuführen.
Und schließlich hat man nach einem Jahr Haft einen Mann frei herumlaufen lassen, gegen den es 24 Ermittlungs- und Strafverfahren gab sowie vier rechtskräftige Verurteilungen, unter anderem weil er einem arglosen Mann ein Messer in den Hals gerammt hatte. Begründung: Die Gerichte waren überlastet – die aber nicht überlastet sind, wenn sich ein Politiker beleidigt fühlt.
Ursächlich bleibt allerdings, daß dieser Mensch gar nicht in diesem Land gewesen wäre, hätten Recht und Gesetz Anwendung gefunden, sprich die Dublin-Regeln beziehungsweise seine nach meinem Kenntnisstand gesetzmäßige Ausweisung.
„Moderator Denis Scheck würde wohl anders urteilen, wäre er selbst betroffen“
Für das Buch „Merkels Werk. Unser Untergang“ haben Sie einen Beitrag beigesteuert. Nun hat es ARD-Moderator Denis Scheck in seiner Literatursendung „Druckfrisch“ als „hirnlose Wichsvorlage für Rassisten und Faschisten“ bezeichnet. Der Umschlag zeigt zur Merkel-Raute geformte Hände, die von Blut triefen.
Kyrath: Ich halte das Titelbild in gewisser Weise für gerechtfertigt – und als der Herausgeber Gerald Grosz mich fragte, ob ich mitwirken möchte, habe ich nicht nein gesagt. Das Kapitel über die Opfer habe ich zusammen mit Melanie Popp verfaßt, der Mutter der 13jährigen Leonie, die 2021 in Wien von drei Afghanen stundenlang vergewaltigt, in einen Teppich gerollt und zum Sterben zwischen Mülltonnen geschmissen wurde.
Was denken Sie, wenn Sie dann hören „Wichsvorlage für Rassisten und Faschisten“?
Kyrath: Wissen Sie, wir waren immer eine offene, freundliche, liberale Familie, haben viele Freunde mit Migrationshintergrund und auch welche, die 2017 aus Syrien geflohen sind. Bis zum 25. Januar 2023 haben wir das Glück gehabt, nie an den Falschen geraten zu sein. Insofern war man vielleicht auch ein bißchen verblendet. Ich könnte mir vorstellen, so ist es auch hier und das Urteil über das Buch fiele anders aus, wäre Herr Scheck – wie wir – plötzlich persönlich betroffen.
„Freunde hielten Wache, damit wir uns nicht die Pulsadern aufschneiden“
Wie macht man weiter, wenn man erfährt, daß sein einziges Kind ermordet wurde?
Kyrath: Wir leben seitdem in einem Horrorfilm, nur daß dieser niemals endet. Vom Tatort fuhr ich wie in Trance nach Hause, überlegend, wie ich das meiner Frau beibringen und wie es überhaupt weitergehen soll. Als ich ankam, stand schon ein Rettungswagen vor dem Haus, die Polizei war da, eine Seelsorgerin und die ersten Freunde.
Die nächsten Wochen sind wie in Nebel verschwunden. Zum Glück haben wir einen fantastischen Freundeskreis, der die ersten vier Wochen rund um die Uhr bei uns war, eingekauft und sich um alles gekümmert hat – inklusive einer Nachtwache, damit wir uns nicht die Pulsadern aufschneiden. Ich weiß bis heute nicht, wie ich diesen Menschen danken kann, die uns so gestützt und getragen haben. Ohne sie wären wir wahrscheinlich wirklich nicht mehr da.
Natürlich aber denkt man dennoch immer wieder ans Aufgeben, etwa wenn man einen Brückenpfeiler passiert: Jetzt die Hand am Steuer kurz nach rechts gezuckt – und ich bin wieder bei Ann-Marie.
Stattdessen haben Sie sich entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen. Warum?
Kyrath: Weil ich mich an einen Satz erinnert habe, den Ann-Marie immer sagte: „Aufgeben ist keine Option!“ Konkret waren es aber drei Vorkommnisse, die mich angestoßen haben, aktiv zu werden, um zu verhindern, daß künftig noch mehr Familien unser Schicksal erleiden:
Erstens hat sich Innenministerin Faeser nach der Tat in Brokstedt auf den Bahnsteig gestellt und verkündet, das wichtigste sei, daß die Tat nicht von Rechtsradikalen mißbraucht werde. Nein, Frau Faeser! Das wichtigste ist, daß unser Kind und ihr Freund ermordet wurden!
Zweitens mußten wir in den folgenden Tagen erleben, wie in allen Nachrichten irgendwelche „Experten“ zu Wort kamen, die dem Täter per Ferndiagnose diverse Traumata bescheinigten – ohne überhaupt mit ihm gesprochen zu haben. Es fehlte nur noch, daß sie Ann-Marie und Danny die Schuld gegeben hätten, weil sie dem armen Täter im Weg saßen.
Und drittens, daß es Kanzler Scholz fertigbrachte, nach dem Trauergottesdienst, bei dem er x-mal die Namen Ann-Marie und Danny gehört hatte, in die Fernsehkameras zu sagen, wie leid es ihm tue, daß „diese Leute“ ums Leben gekommen seien. „Diese Leute“! Herr Scholz, das waren Ann-Marie und Danny!
Das war der Punkt, an dem es mir reichte, an dem mein Gefühl für Gerechtigkeit und Anstand ins Mark erschüttert war und ich mir sagte: So darf es nicht weitergehen!
Wie sieht Ihr Engagement nun aus?
Kyrath: Inzwischen haben meine Frau und ich über tausend Menschen betreut, die sich hilfesuchend an uns gewendet haben, weil sie mich in den Medien gesehen haben. Seitdem haben wir im Grunde einen Zwanzig-Stunden-Tag, sieben Tage die Woche. Enormen Zuspruch erlebe ich auch auf Veranstaltungen, ich halte ja Vorträge auf Einladung, zum Beispiel auch von verschiedenen Parteien. Da kommen teilweise bis zu 3.000 Zuhörer.
Dabei erlebe ich unter anderem, wie vielen Menschen Ann-Maries Lebensmotto „Aufgeben ist keine Option!“ schon geholfen hat. Manche haben es sich sogar tätowieren lassen, zum Beispiel Leute, die sich ritzen und die nach eigenem Bekunden nun davon ablassen, wenn sie die Worte auf ihrem Arm lesen.
Es ist unglaublich bewegend, zu erleben, wie vielen Menschen unser Kampf Mut und Kraft gibt, aber auch wieviel Mitgefühl von ihnen für uns kommt. Manchmal sitzt man nachts im Hotelzimmer und weint, überwältigt von all dem Zuspruch.
Sie führen auch Gespräche mit Parteien und Politikern, sind daher immer wieder in Brüssel, Berlin und Kiel. Was wollen Sie politisch ändern?
Kyrath: Vor allem müssen wir endlich zur Rechtsstaatlichkeit, zur Gültigkeit der Gesetze zurückkehren. Das verlangt die Politik von jedem kleinen Handwerksbetrieb, der inzwischen alles penibel dokumentieren muß und ständig neue Vorschriften zu beachten hat. Sich selbst gönnt sie dagegen einen großzügigen Umgang mit Gesetzen und Verträgen. Es gibt aber ein Recht der Bürger auf Grenzsicherung, auf innere Sicherheit!
Das muß der Staat wieder gewährleisten. Dafür werden Politiker gewählt und leitende Beamte gut bezahlt. Denn wir möchten wieder ohne Angst auf die Straße, ins Schwimmbad und auf den Weihnachtsmarkt oder mit der Bahn fahren können – und vor allem keine Angst mehr haben müssen, daß unsere Kinder am hellichten Tage abgeschlachtet werden.
„Die Zusammenarbeit mit Julia Ruhs und ‘Klar’ war ehrlich und intelligent“
Unermüdlich treten Sie deshalb in den Medien auf, von „Markus Lanz“ bis jüngst in der ersten Folge des neuen ARD-Doku-Formats „Klar“. Dessen Macherin Julia Ruhs sich nach der Folge mit Ihnen massiven Angriffen außer- und innerhalb des ÖRR ausgesetzt sah, was nun zu ihrer Ablösung beim NDR geführt hat.
Kyrath: Ich stelle mich da ganz an die Seite unseres Ministerpräsidenten Daniel Günther, der klar Position zu der Affäre rund um den NDR bezogen hat.
Aber was denken Sie persönlich darüber? Ann-Maries und Ihr Schicksal sind ja der Dreh- und Angelpunkt der Sendung, wegen der Ruhs gecancelt wurde.
Kyrath: Ich habe die Zusammenarbeit mit Julia Ruhs und dem „Klar“-Team als sehr intelligent und ehrlich empfunden. Und offenbar sehe nicht nur ich ihre Arbeit positiv, sondern auch die Mehrheit der Zuschauer, wie eine Umfrage zu der Sendung zeigt.
Zu Drahtziehern gegen Ruhs soll die Moderatorin Anja Reschke gehören, die in ihrer Sendung „Reschke Fernsehen“ einen Sketch präsentierte, der nach Meinung von Kritikern die „Klar“-Ausgabe mit Ihnen als „rechtsextrem“ qualifiziert hat. Was hat es mit der Leugnung des Problems durch die Politik und der Verfemung seiner Kritiker durch die Medien auf sich?
Kyrath: Grundlegend ist es ja erst einmal die Definitionsfrage, was „rechtsextrem“ eigentlich bedeutet. Und weiterführend natürlich, wer eine solche Einordnung vornimmt und aus welcher Motivation. Ich persönlich glaube aber, daß unsere Kinder auf dem Altar der politischen Eitelkeit und Ideologien geopfert werden.
Was für eine Ideologie?
Kyrath: „Ideologie“ ist die Ansammlung von Ideen, Werten und Überzeugungen, die Welt und die Gesellschaft nach den eigenen, alternativlosen Grundsätzen zu gestalten. Leider wird dabei zu oft der demokratische Diskurs ignoriert und ausgeblendet, daß die Realität eben anders ist, als die theoretischen Phantasien einzelner.
Diese Ideologie beansprucht, humanistisch zu sein.
Kyrath: Im Gegenteil, ich halte sie für menschenverachtend. Und zwar nicht nur gegenüber den Opfern und uns Hinterbliebenen, sondern auch gegenüber den Menschen, die zu uns kommen und in Container gestopft werden, ohne daß man sie richtig integriert und ihnen eine Perspektive gibt. Das ist unwürdig und unchristlich.
„Ich wünsche Jette Nietzard, daß sie unser Schicksal nie erleiden muß“
In der genannten „Klar“-Sendung interviewt Frau Ruhs auch Grüne-Jugend-Chefin Jette Nietzard. Die antwortete auf Ruhs Frage, was sie Eltern sagen würde, deren Kind von einem Migranten ermordet wurde: „Ich finde es dumm, auf diese Frage zu antworten.“
Kyrath: Ich glaube, die Antwort spricht Bände. Da kann sich jeder selbst seinen Teil denken.
Ist das Verblendung oder Zynismus?
Kyrath: Das müssen Sie Frau Nietzard fragen.
Diese schob gegenüber Ruhs dann nach: „Was sage ich den Frauen, die letztes Wochenende umgebracht wurden, von ihrem eigenen Vater? Das ist keine Debatte.“ Es sei schlimm, würden Kinder getötet, aber „sie werden nicht mehr von afghanischen Attentätern ermordet als von deutschen Vätern“. Wie geht es Ihnen, wenn Sie so etwas hören?
Kyrath: Ich wünsche Frau Nietzard von ganzem Herzen, daß sie nie das Schicksal erleiden muß, ihr einziges Kind zu Grabe zu tragen, an dessen Sarg zu stehen und ihm ein letztes Mal über die kalte Hand zu streicheln. Das ist ein Horror, den man niemals vergißt.
Und sollte er ihr – was ich, wie gesagt, nicht wünsche – doch widerfahren, so wird vielleicht auch sie verstehen, daß wir als Land nicht unsere Haustür sperrangelweit offenstehen lassen können. Und das ist keine rechtsradikale Forderung, sondern das macht jedes Land der Welt so.
Dennoch hat Sie ein anderer Politiker, dessen Namen und Parteizugehörigkeit Sie nicht verraten wollen, einen „rechtsradikalen Hardliner“ genannt, ein weiterer Ihre Tochter Ann-Marie einen „Kollateralschaden“. Glauben Sie nicht, daß diese Menschenverachtung im Grunde die gleiche ist, die auch zum Fall Charlie Kirk und den zum Teil eiskalten bis begeisterten Reaktionen auf seinen Tod geführt hat?
Kyrath: Leider ist Selbstreflexion in diesem Land in den letzten Jahren etwas aus der Mode gekommen. Es gibt doch nur noch wenige Menschen, insbesondere in der Politik, die Rückgrat haben und Verantwortung übernehmen. Was sollen also Geisterfahrer wie Frau Nietzard tun? Sich eingestehen, daß sie all die Jahre in der falschen Richtung unterwegs waren und viele Menschenleben gefährdet haben? Daß sie unzählige Menschen zu Unrecht als Rechtsradikale, Aluhutträger und Verschwörungstheoretiker diffamiert haben?
Dieser Scham wollen sie sich nicht aussetzen – und das ist eine menschliche Reaktion. Insofern gibt es für sie nur eins, weiterzumachen. Aber das wird nicht ewig so gehen, und es wird eine Wende kommen. Die Frage ist nur, ob sich diese demokratisch vollziehen oder aber in einem großen Knall entladen wird, der dann so häßliche Formen annimmt, wie wir uns das alle nicht wünschen können.
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Michael Kyrath betreibt als Selbständiger ein zahntechnisches Labor im holsteinischen Elmshorn. Geboren wurde er 1974 im nahen Hamburg.