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Replik auf „Die Differenzierung der Rechten“: Was Poschardts AfD-Äußerungen wirklich bedeuten

Replik auf „Die Differenzierung der Rechten“: Was Poschardts AfD-Äußerungen wirklich bedeuten

Replik auf „Die Differenzierung der Rechten“: Was Poschardts AfD-Äußerungen wirklich bedeuten

"Welt"-Herausgeber Ulf Poschardt propagiert eine differenzierte AfD-Betrachtung aus Kalkül.
"Welt"-Herausgeber Ulf Poschardt propagiert eine differenzierte AfD-Betrachtung aus Kalkül.
„Welt“-Herausgeber Ulf Poschardt propagiert eine differenzierte AfD-Betrachtung aus Kalkül. Foto: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt / JF-Montage
Replik auf „Die Differenzierung der Rechten“
 

Was Poschardts AfD-Äußerungen wirklich bedeuten

„Welt“-Herausgeber Poschardt läßt aufhorchen, fordert er doch eine differenziertere Betrachtung der AfD. Natürlich steckt dahinter ein liberales Motiv und keine neu entdeckte Sympathie für die Partei. Doch daraus lassen sich Lehren ziehen. Eine Replik von Karlheinz Weißmann.
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Man sollte schon um der seelischen Hygiene willen seine Irrtümer eingestehen. Also: Ich habe nicht erwartet, je irgendetwas Bemerkenswertes oder auch nur Erhellendes von Ulf Poschardt – Herausgeber von Welt, Politico und Business Insider – zu lesen. Wie man sich täuschen kann! Schon die Überschrift seines jüngsten digitalen „Leitartikels“ läßt aufmerken: „Die Differenzierung der Rechten“. Denn die Behauptung, daß die Rechte kein monolithischer brauner Klotz ist, spricht heute für ein ungewöhnliches Maß an Urteilsfähigkeit.

Aber der Reihe nach: Poschardt beginnt mit einer kurzen Skizze der Lage, wie sie in Folge des jahrelangen Dauerkampfs gegen rechts eingetreten ist, konkret: „Ein Ziel haben die Demonstrationen nach den weitgehend lächerlichen Einordnungen der weitgehend lächerlichen `Enthüllungen´ des weitgehend lächerlichen Redaktionskonstrukts `Correctiv´ erreicht: nicht das, Rechtsextremismus und menschenverachtende Ressentiments zu bekämpfen, sondern das, der politisch wie kulturell gescheiterten Linken und ihren angeschlossenen Funkhäusern die Konkurrenz wegzuschießen.“

Die Linke habe die Bürgerlichen in die antifaschistische Einheitsfront gezwungen, was die Unionsparteien nötige, politische Zugeständnisse zu machen, die ihre Wähler auf die Dauer nicht mittragen würden, die vielmehr die AfD immer weiter erstarken ließen. Daß das Poschardt nicht gefällt und er nach Abhilfe sucht, bedarf keiner Betonung.

Poschardt pocht auf AfD-Differenzierung

Aber bemerkenswert ist doch die Art, in der er vorgeht und zum Beispiel die „Brandmauer“ thematisiert. Denn er behauptet, daß die bisherige Ausgrenzung der Alternative schon deshalb zum Scheitern verurteilt sei, weil sich diejenigen, die behaupten, die liberale Demokratie zu verteidigen, nie an die eigenen Spielregeln hielten: „Stattdessen wird die erfolgreichste Oppositionspartei, die AfD, ständig mit dem Verbot bedroht, gleichzeitig aus allen demokratischen Begegnungszonen ausgegrenzt und, wo immer möglich, gedemütigt – so wie bei der Wahl des Sitzungssaales im Bundestag, die geradezu grotesk vorführte, wie pampig die alten Parteien mit einer neuen, erfolgreichen Partei umgehen, die vor allem an ihren Rändern hanebüchenes Zeug erzählt – aber eben noch nicht verboten ist.“

Um aus dieser verfahrenen Situation herauszukommen, sieht Poschardt nur einen Weg: Man müsse in der AfD und ihrem Vorfeld sorgfältiger zwischen denen unterscheiden, die man bei den Grünen einst „Fundis“ und „Realos“ nannte, solchen, die ihre Pläne nur dann meinen verwirklichen zu können, wenn sie bei den Wahlen 50 Prozent der Stimmen + „x“ erreichen, und denen, die tatsächlich an eine – im erwartbaren Fall wohl: schwarz-blaue oder blau-schwarze – Koalition denken.

Poschardt nennt als Vertreter der „Realos“ den bayerischen Bundestagsabgeordneten Rainer Kraft, der keinen Hehl aus seiner Ablehnung des prorussischen Kurses der Alternative oder des Irrlichterns bei der Bewertung des Nahostkonflikts macht und die Bundesrepublik in der Nato verankert wissen will. Daß Poschardt in dem Kontext dann auch noch auf Maximilian Krah und dessen neueste Eingebung – ein „ethnopluralistisches“ Nebeneinander von biodeutschen und migrantischen Communitys – zu sprechen kommt, wird man allerdings als Fehleinschätzung bezeichnen müssen.

Handlungsoptionen müssen genutzt werden

Was die Überlegungen Poschardts aber nicht als solche entwertet. Hinter denen steckt wohl die Erwartung, die AfD mit einem „machiavellistisch-liberalen move“ unschädlich zu machen, indem man sie stellt und in die Niederungen des politischen Alltags entzaubert. Aber der Erfolg dieser Strategie setzt ein Maß an Kontrolle der Lage voraus, von dem keine Rede sein kann: angesichts des Tempos der politischen Entwicklung und der strukturellen Veränderungen, der Turbulenzen auf der Weltbühne einerseits, der Unkalkulierbarkeit des Staatensystems andererseits, der Anspruchslosigkeit großer Teile des Wahlvolks, das sich mit der Menge der Ankündigungen und der kleinen Zahl der Taten der neuen Bundesregierung schon ziemlich zufrieden zeigt, dem Anwachsen des rebellischen Geistes nicht mehr nur bei den „Modernisierungsverlierern“ im Osten, sondern längst auch im Kerngebiet der alten Bonner Republik.

Man muß kein Prophet sein, um vorauszusagen, daß die nähere Zukunft Überraschungen bereithalten wird: eher böse als gute. Und daß die politischen Gewißheiten von heute schon morgen keine mehr sein dürften. Bis dahin sollte man auf jedes Signal achten, das die Lockerung der verkrusteten Zustände ankündigt, und alles im konstruktiven Sinn zu nutzen suchen, was sich an Handlungsoptionen eröffnet.

„Welt“-Herausgeber Ulf Poschardt propagiert eine differenzierte AfD-Betrachtung aus Kalkül. Foto: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt / JF-Montage
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