Lufthansa hat sich in diesem Jahr Großes vorgenommen. Da ist die Integration der italienischen Fluggesellschaft ITA mit knapp 100 Airbus-Flugzeugen und rund 5.000 Beschäftigten als künftig fünfte Netzwerk-Airline – neben Lufthansa/Eurowings, Swiss, Austrian und Brussels Airlines. Hinzu kommt eine Qualitätsoffensive, die die deutsche Fluggesellschaft in Sachsen Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Kundenzufriedenheit wieder auf die Spur bringen soll.
Der Einstieg bei ITA ist seit dem 25. Mai 2023 beschlossene Sache, als der Abschluß der Übernahmegespräche zwischen der Lufthansa Group und dem italienischen Finanzministerium bekanntgegeben wurde. Allerdings gaben die EU-Wettbewerbswächter erst jetzt ihre finale Zustimmung. Das Drehbuch sieht vor, daß die Lufthansa 41 Prozent der Anteile übernimmt, mit der Option einer Komplettübernahme für 829 Millionen Euro.
Die Börse bleibt skeptisch
„Wir freuen uns, die beeindruckende Erfolgsgeschichte von ITA Airways gemeinsam fortzusetzen“, sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr anläßlich des Einstiegs, und es bleibt sein Geheimnis, was er unter „beeindruckend“ meint. „Wir glauben nicht, daß sich die Übernahme der defizitären italienischen ITA für die Aktionäre auszahlen wird“, warnte Henrik Pontzen von Union Investment: „Mehr Komplexität frißt Rendite.“
Auch wenn ITA einmal so profitabel wie die Swiss werden soll, die Börse bleibt skeptisch. Die Lufthansa-Aktie notierte vor zwei Jahren bei über zehn Euro, aktuell sind es knapp über sechs Euro. Eine Investition von 1.000 Euro in die Vorzeigeairline vor zehn Jahren war im Januar nur noch 663 Euro wert – und obwohl der Kurs Ende 2017 schon einmal bei mehr als 20 Euro stand, rechnete das Onlineportal Finanzen.net im Dezember vor. Sprich: ein Drittel Wertverlust.
Das ärgert Klaus-Michael Kühne. Der Multimilliardär und Lufthansa-Großaktionär ist sich sicher: „Bei einer überzeugenden Geschäftspolitik wäre der Aktienkurs höher“, so der Hamburger Logistikunternehmer in der FAS. Vorstand und Aufsichtsrat hätten „sich total verzettelt mit wahnsinnig vielen Nebenprodukten und Airlines unter ganz verschiedenen Namen. Das finde ich nicht gut.“
Die schlechte Konjunkturlage spürt auch die Lufthansa
Hinzu kommt: Die Konjunktur auf dem deutschen Heimatmarkt ist schwach. Die Klimapolitik verteuert das Fliegen. Die Durchschnittserlöse je Sitzkilometer dürften dieses Jahr auf der Kurzstrecke fallen. Gleichzeitig sind die Kosten zu hoch, und der Beitrag der Lufthansa zum Konzerngewinn der Lufthansa-Group hat sich in den vergangenen vier Jahren von 61 auf 32 Prozent reduziert.
Positiv stellt sich der Konzern dagegen selbst dar. 2023 habe die Lufthansa Group mit ihren 96.677 Mitarbeitern aufgrund der anhaltend hohen Nachfrage nach Flugreisen und eines neuerlichen Rekordergebnisses von Lufthansa Technik das drittbeste Finanzergebnis ihrer Geschichte erwirtschaftet, heißt es da.
Komplexe Konzernstrukturen und politische Hindernisse
Der Umsatz konnte von 30,9 auf 35,4 Milliarden Euro gesteigert werden. Der operative Gewinn stieg von 1,5 auf 2,7 Milliarden Euro. Das Unternehmen habe das Konzernergebnis auf mehr als 1,7 Milliarden Euro verdoppelt (Vorjahr: 791 Millionen Euro). Die Kapitalrendite stieg um 5,5 Prozentpunkte auf 13,1 Prozent.
Der Konzern ist neben dem Passagierflug auch in Logistik und Technik (Aviation Services) und weiteren Gesellschaften (Aviation Training, Lufthansa Systems) tätig. Dazu kommen die Regionalfluggesellschaften Lufthansa CityLine/City Airlines und Air Dolomiti sowie die Ferienflieger Discover und Edelweiss. Eurowings bietet Punkt-zu-Punkt-Verbindungen auf der europäischen Kurz- und Mittelstrecke. Die einzelnen Geschäftsfelder werden durch eigene Konzerngesellschaften geführt.
Einfache Strukturen sollen her
Großaktionär Kühne ist hingegen ein Freund von „einfachen und übersichtlichen“ Strukturen. Überdies habe man das Flaggschiff Lufthansa als Marke vernachlässigt, selbst bei Swiss sei die Qualität fragwürdig. So setze diese teilweise keine eigenen Maschinen ein, sondern fliege mit Air Baltic. „Der Komfort und der Standard bei Swiss sind gesunken“, kritisiert Kühne.
Schlechte Erfahrungen hat der in der Schweiz lebende Norddeutsche offenbar auch mit Helvetic Airways gemacht, die ebenfalls für Swiss fliegen: „Die haben sehr enge Flugzeuge. Ich mußte damit mehrfach nach Hamburg fliegen. Das war sehr mühsam“, beklagt Kühne.
Flugausfälle und -verspätungen, schlechte Betreuung in der Lounge oder schlechtes Essen an Bord, Arbeitskämpfe und Streiks durch unterschiedliche Bezahlungen kommen hinzu. Trotz hoher Ticketpreise gibt es technische Probleme bei Umbuchungen auf der Lufthansa-App oder Warten auf Erstattungen. „Es ist unklar, ob die Lufthansa sich nun als Billigflieger oder als Premium-Airline positionieren will“, konstatiert Union Investment.
Sauer auf die Politik
Die Premium-Marke Lufthansa werde durch Abwicklung ihrer Flüge durch Eurowings und Discover sowie externe Leasing-Airlines verwässert: „Der Markendschungel verwirrt die Kunden und birgt erhebliche Reputationsrisiken“, warnt Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka. Unter dem „Target Operation Model“ wird nun geprüft, inwieweit die Passagier-Airlines enger zusammenarbeiten können. Dazu gehört, interne Prozesse effizienter zu gestalten und auf allen Ebenen Personal einzusparen.
Sauer ist man bei der Lufthansa auf die Politik. So haben sich die Lufthansa-Aufsichtsräte Karl-Ludwig Kley und Christine Behle in einem kritischen Schreiben an EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Kanzler Olaf Scholz über die Klimapolitik beschwert, die nichteuropäische Airlines bevorzuge und einen fairen Wettbewerb verhindere. Dazu kommen die Rußland-Sanktionen und der Ukrainekrieg, die zu teuren Umwegen und zur Einstellung der Lufthansa-Flüge zwischen Frankfurt und Peking geführt haben.
Auch wenn die Lufthansa offiziell den Einsatz von Ökokerosin (Sustainable Aviation Fuel/SAF) feiert, werden die verpflichtenden Beimischquoten als Wettbewerbsverzerrung kritisiert. Das gilt besonders auf der umkämpften Langstrecke, wo Fluggesellschaften aus Amerika, Asien und dem Nahen Osten deutlich bessere Kostenstrukturen besitzen.