Anzeige
Anzeige

JF-Filmbesprechung: „Saw X“ – Schuld und Sühne

JF-Filmbesprechung: „Saw X“ – Schuld und Sühne

JF-Filmbesprechung: „Saw X“ – Schuld und Sühne

Eine Szene aus „Saw X“: Auch der zehnte Teil der Horrorfilmreihe ist nichts für zart Besaitete.
Eine Szene aus „Saw X“: Auch der zehnte Teil der Horrorfilmreihe ist nichts für zart Besaitete.
Eine Szene aus „Saw X“: Auch der zehnte Teil der Horrorfilmreihe ist nichts für zart Besaitete Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited
JF-Filmbesprechung
 

„Saw X“ – Schuld und Sühne

Kino: Im zehnten Teil der Horrorfilmreihe „Saw“ bemüht sich ein sadistischer Rächer um eine ebenso ausgefallene wie grausame Bestrafung für Menschen, die schwere Schuld auf sich geladen haben.
Anzeige

„In der Strafkolonie“ ist der Titel der grausamsten Erzählung von Franz Kafka. In der Schuld-und-Sühne-Geschichte geht es um Delinquenten, denen eine Foltermaschine ihre Verfehlungen zum Zwecke der Züchtigung in die Haut ritzt. Zwar ist nicht überliefert, wie vertraut Josh Stolberg und Pete Goldfinger, die Autoren von „Saw X“, mit deutschsprachiger Literatur sind, aber daß sie das Motiv aus dem Kafka-Klassiker variieren, ist unübersehbar.

Schon ein kleiner Schockmoment am Anfang macht das deutlich. Als John Kramer (Tobin Bell), der ambivalente Held dieser Geschichte, eine Reinigungskraft bei dem Versuch beobachtet, sich als Langfinger zu betätigen, suggeriert er ihm eine kafkaeske Horrorszene, in der ihm von einem monströsen Apparat die Augen ausgesogen und die Finger gebrochen werden, während er auf einem Folterstuhl gefesselt ist. Getreu der Mahnung Jesu: „Wenn aber deine Hand oder dein Fuß dich zum Abfall verführt, so haue ihn ab und wirf ihn von dir. […]. Und wenn dich dein rechtes Auge zum Abfall verführt, so reiß es aus und wirf es von dir.“ (Matthäus 18,8f.).

Biblische Vorstellungen von Verfehlung und Strafe spielen aber natürlich bei einem Film der „Saw“-Reihe – das X im Titel ist als römische Zahl zehn zu lesen, weil der Film neun Vorgänger hat – bestenfalls am Rande eine Rolle. Denn in erster Linie geht es darin um das Stimulieren von Urängsten (was, wenn jede meiner Sünden brutal bestraft wird?) und das Austesten der Schmerzgrenzen (wie viel Schmerz kann ein Mensch aushalten?), nicht nur der Filmfiguren, sondern auch der Zuschauer im Kinosessel. Im Klartext: Bei „Saw“-Filmen geht es traditionell eklig, blutig und brutal zu. Die regelmäßige Verwendung von Sägen (englisch: „saw“) trägt maßgeblich dazu bei.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

„Saw X“ macht den Jäger zum Gejagten

Jeder, der die Reihe nicht kennt, sollte das wissen, sofern er in Erwägung zieht, sich der Säge-Gruselmär zehnten Teil im Kino anzusehen. Der erste „Saw“-Film (2004) lebte noch davon, daß am Anfang niemand außer den Filmemachern wissen konnte, wer hinter der garstigen Versuchsanlage steckte, die die Protagonisten der Geschichte zu Opfern eines grausamen Verhängnisses machte: Angekettet in einem öden, verwahrlosten WC-Raum, konnten sie sich nur durch Selbstamputationsmaßnahmen befreien und mußten rätseln, warum ihnen eine derart drastische Selbstkasteiung zugemutet wird – ein Motiv, das geblieben ist.

„Saw X“ spielt zwischen den ersten beiden Teilen der Horror-Reihe. Regisseur Kevin Greutert macht den Serienmörder John Kramer zum Helden der Handlung und enthüllt, wie Kramer zu dem wurde, als den ihn die Kinozuschauer kennen. Anders als im ersten Film der Serie ist zu Beginn von „Saw X“ der Jäger erst mal der Gejagte, und sein Gegner ist die Zeit. Die wird knapp für Kramer, weil er einen Tumor im Kopf hat, der schnell wächst. „Ihr Rat an mich ist also, leicht zu sterben?“, erwidert der weißbärtige Senior dem ihn behandelnden Arzt, als der ihm seine Aussichten auf Heilung schildert.

In seiner Not besucht der Schwerkranke eine Selbsthilfegruppe für Krebspatienten. Dort trifft er auf einen Leidensgenossen mit Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium, der sich ihm jedoch kurz darauf mit einer riesigen Narbe und im Zustand vollständiger Genesung präsentiert. Der Onkologe Dr. Finn Pederson, erfährt Kramer, habe eine experimentelle Krebstherapie entwickelt, die aus hoffnungslosen Fällen Glückspilze machen könne. Pedersons Geheimrezept: ein experimenteller Medizinmix, dessen Zuführung die Operation flankiert.

Der Film zerfällt in zwei sehr unterschiedliche Teile

Da böse Pharmafirmen die umstrittene Therapie aus wirtschaftlichem Eigeninteresse bekämpften, könne man die Operation leider nur konspirativ an einem geheim gehaltenen Ort durchführen. Kramer gelingt es, die Nachfolgerin des Wunderheilers, Dr. Cecilia Pederson (Synnøve Macody Lund), zu kontaktieren. In einer ehemaligen Chemiefabrik in der Nähe von Mexiko-Stadt ist eine provisorische Klinik eingerichtet worden, in die der Patient sich einweisen läßt. Die Operation verläuft erfolgreich. Der rüstige Rentner wird als geheilt entlassen und darf – so ähnlich drückt sich Dr. Pederson aus – das Leben noch einmal neu umarmen.

Kramer ist so ergriffen von diesem neu geschenkten Leben, daß er sich bei den Ärzten und Assistenten der Geheimklinik noch einmal persönlich erkenntlich zeigen möchte. Er stellt Berechnungen an, die es ihm ermöglichen, die alte Chemiefabrik zu lokalisieren. Doch als er dort ankommt, findet er das Gelände verlassen vor. Schnell wird Kramer klar, daß hier etwas nicht stimmt.

Im zweiten Teil der Handlung wird dann klar, was nicht stimmt und daß das, was nicht stimmt, drastische Rache rechtfertigt, zumindest aus Kramers Sicht. „Saw X“ zerfällt also in zwei sehr unterschiedliche Teile: einen realistisch und über weite Strecken schockeffektfrei erzählten ersten, der geschickt Spannung aufbaut, und einen abstrusen zweiten, in dem die bekannte – und von Anhängern der Filmreihe erwartete – Schocker- und Schauergeschichte variiert wird. Dabei kommt mindestens eine Badewanne Filmblut zum Einsatz. Kevin Greutert gelingt es also, das Wort Blutbad in seinen Ursprungssinn rückzuüberführen. Nur mit Kafka hat das dann selbstverständlich nicht mehr sonderlich viel zu tun. Und mit gutem Geschmack auch nicht.

Filmstart: 30. November

Eine Szene aus „Saw X“: Auch der zehnte Teil der Horrorfilmreihe ist nichts für zart Besaitete Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen