Anzeige
Anzeige

Wirtschaft: Unendlich großzügiges Wirtschaftswachstum

Wirtschaft: Unendlich großzügiges Wirtschaftswachstum

Wirtschaft: Unendlich großzügiges Wirtschaftswachstum

Frachthafen in China - wird die Wirtschaft immer weiter wachsen?
Frachthafen in China - wird die Wirtschaft immer weiter wachsen?
Frachthafen in China – wird die Wirtschaft immer weiter wachsen? Foto: picture alliance / CFOTO | CFOTO
Wirtschaft
 

Unendlich großzügiges Wirtschaftswachstum

Wird das kommende Jahrhundert der Flaschenhals der Zivilisation? Nicht wenn es nach den Thesen Marian Tupys und Gale Pooleys geht. In ihrem gemeinsamen Buch sehen sie noch mächtig Luft - nach oben.
Anzeige

Schon der Buchtitel ist nicht nur für den Club of Rome eine Provokation: „Mehr als Überfluß. Die Geschichte von Bevölkerungswachstum, Innovation und menschlichem Wohlstand auf einem unendlich großzügigen Planeten“. Doch Marian Tupy vom libertären Cato Institute in Washington und Gale Pooley, Ökonomieprofessor der Brigham Young University in Laie auf Hawaii, kritisieren in ihrem Buch tatsächlich jede pessimistische Beurteilung des Bevölkerungszuwachses.

Schon der Brite Thomas Robert Malthus (1766–1834) befürchtete hingegen, daß der Zuwachs an Nahrungsmitteln nicht ausreichen könnte, um immer mehr Menschen zu ernähren. Damals gab es weniger als eine Milliarde Menschen – heute sind es acht Milliarden. Ein jüngerer Vertreter des demographischen Pessimismus ist der Biologe Paul Ehrlich (Stanford University), der 1980 mit dem Ökonomen Julian Simon (University of Maryland) wettete, daß fünf Rohstoffe in zehn Jahren immer knapper und deshalb inflationsbereinigt immer teurer würden.

Der um die Tragfähigkeit der Erde besorgte Biologe, der auch mit seinem berühmten Buch „The Population Bomb“ (1968) weitgehend falsch lag, verlor die Wette. Der optimistische Ökonom gewann die Wette und hätte sie auch gewonnen, wenn man den Zeitraum verlängert hätte.

Geht es den Menschen mit Bevölkerungswachstum immer besser?

Ähnlich wie schon Simon vertreten Tupy und Pooley einen einfachen Grundgedanken: Menschen haben Ideen und machen Erfindungen, von denen sich einige wirtschaftlich nutzen lassen und auf dem Markt bewähren. Diese Innovationen erhöhen die Produktivität und den Wohlstand. Weil mehr Menschen mehr Ideen beitragen, weil mehr Menschen mehr Arbeitsteilung ermöglichen und damit die Produktivität fördern, postulieren Tupy and Pooley einen positiven Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Wirtschaftswachstum. Soweit die Skizze der Theorie.

In der Hauptsache ist ihr Buch ein empirisches Werk. Denn sie wollen vor allem belegen, daß es den Menschen seit dem 19. Jahrhundert trotz – oder vielleicht auch wegen des Bevölkerungswachstums – immer besser geht. Dabei plädieren sie dafür, die Warenpreise in Arbeitsstunden auszudrücken, die man für den Gütererwerb aufwenden muß. Der Fortschritt läßt sich dann darüber erfassen, wie schnell die Arbeitszeitpreise zurückgehen.

Das wird sich natürlich von Produkt zu Produkt – ob Brot oder Hemd oder Brille – und je nach Einkommen von Arbeitskraft zu Arbeitskraft oder von Land zu Land unterscheiden. Aber nichts hindert uns, Aggregate zu bilden, ob Warenkörbe, Klassen von Arbeitskräften wie „Blue collar workers“, Amerikaner oder Chinesen.

„Mehr als Überfluß. Die Geschichte von Bevölkerungswachstum, Innovation und menschlichem Wohlstand auf einem unendlich großzügigen Planeten“ ist bislang nur auf Englisch erhältlich
„Mehr als Überfluß. Die Geschichte von Bevölkerungswachstum, Innovation und menschlichem Wohlstand auf einem unendlich großzügigen Planeten“ ist bislang nur auf Englisch erhältlich.

Keine kausale Verknüpfung

Auf vielleicht zweihundert Seiten geben dann Tabellen die Zeitpreise verschiedener Waren und Warenkörbe zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Ländern an und deren Entwicklungspfad mit Hilfe von auf den Zeitpreisen aufbauenden Indices. Wenn die Löhne schneller als die Preise steigen, also die Zeitpreise sinken, geht der Trend zum Überfluß.

Noch besser ist es, wenn die Zeitpreise schneller sinken als die Bevölkerung wächst. Weil das der Fall ist, sagen die Autoren „mehr als Überfluß“ oder „Superabundance“. Zumindest die positive Korrelation zwischen Bevölkerungswachstum und wachsendem Wohlstand (sinkenden Zeitpreisen) wird eindrucksvoll belegt. Damit wird zwar keine kausale Verknüpfung bewiesen, aber die Daten passen zu dem von den Autoren postulierten Ursachen-Wirkungs-Zusammenhang.

Ein optimistisches Bild der wirtschaftlichen Entwicklung

Um dem Leser einen Einblick in zumindest einzelne Ergebnisse zu geben: In China sind die Zeitpreise für einen Warenkorb mit 50 Gütern um mehr als 97 Prozent seit 1980 gesunken, in Indien um 82 Prozent, in den USA und Deutschland um etwas mehr als 70 Prozent. Nach einem aus den Zeitpreisen abgeleiteten Überflußindex brauchten die Chinesen nur 7,1 Jahre, um ihren Wohlstand zu verdoppeln, die Inder 15,4 Jahre, die Amerikaner und Deutschen über 21 Jahre.

Generell zeichnen die Maße und Daten des Buches ein etwas optimistischeres Bild der wirtschaftlichen Entwicklung als die üblichen Maße und Daten der Weltbank. Neben dem skizzierten theoretischen und empirischen Kern des Buches findet man noch längere geistesgeschichtliche Skizzen zur Debatte zwischen demographischen Optimisten und Pessimisten.

Wirtschaft statt Krieg?

Etwa zur Frage, warum die industrielle Revolution oder die Überwindung der Massenarmut im Nordwesten Europas und nicht anderswo, etwa in Asien, begann. Es wird auch die Frage diskutiert, ob wirtschaftliche Zusammenarbeit zur Befriedung politischer Rivalität beitragen kann. Die Behandlung dieser Themen führt zu einem Plädoyer für wirtschaftliche Freiheit oder Kapitalismus.

Wer sich Sorgen um den Klimawandel macht, wird von dem Buch herausgefordert. Zwar werden die naturwissenschaftlichen Kernaussagen von besorgten Klimaforschern nirgendwo explizit angegriffen oder auch nur dargestellt, aber die politischen Implikationen des Buches sind mit denen der dominanten Strömung der Klimaforschung nicht kompatibel – nämlich: Weiter so, weil eine freiheitliche und wachsende Gesellschaft uns allen einen immer höheren Lebensstandard ermöglicht.

Widerspruch zu Klimaerkenntnissen?

Aus der Inkompatibilität politischer Aussagen von Klimaforschern einerseits und der in diesem Buch vertretenen Auffassungen darf man allerdings nicht schließen, daß die Widerlegung der einen Auffassung zur Akzeptanz der anderen führen sollte. Denn eine direkte theoretische Rivalität zwischen den Aussagen in diesem Buch und in der Klimaforschung liegt in Anbetracht unterschiedlicher Forschungsgegenstände nicht vor.

Das Buch ist stellenweise gut lesbar, aber es hätte kürzer sein können. Sowohl die theoretischen Grundgedanken als auch die forschungstechnischen Anregungen sind mehr als bedenkenswert. Die empirischen Belege zugunsten der zentralen These des Buches sind eindrucksvoll.

JF 40/23

Frachthafen in China – wird die Wirtschaft immer weiter wachsen? Foto: picture alliance / CFOTO | CFOTO
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
aktuelles