WAIBLINGEN. Deutschland steuere bei der Standortattraktivität auf einen Kippunkt zu, meint der Kettensägen-Unternehmer Nikolas Stihl: „Die Gefahr einer Deindustrialisierung ist nicht von der Hand zu weisen.“ Verantwortlich sei die Große Koalition unter Angela Merkel (CDU). Diese sei die wesentlichen Probleme nicht angegangen und auch die Ampel gehe sie nicht an. „Die Folgen spüren wir jetzt.“
Stihl, dessen Werkzeuge in aller Welt für deutsche Qualität stehen, kritisiert, über Jahrzehnte sei zu wenig in das Land investiert worden: „Wir erneuern unsere Infrastruktur zu wenig, bauen zu wenig dazu und sind zu wenig innovativ. Wir schauen zu, wie uns die wichtigsten Wettbewerber auf der Welt – als da sind die USA und China – links und rechts überholen.“ Auch die Rente sei nicht zukunftsfest gestaltet, sagt der Stihl-Chef, dessen Unternehmen 2021 einen Umsatz von fünf Milliarden Euro machte.
Stihl: Irgendwann will niemand mehr investieren
Bisher habe die deutsche Industrie sehr widerstandsfähig agiert und die Belastungen mehr oder weniger weggesteckt. Es werde aber von Jahr zu Jahr schwieriger: „Der deutsche Standort könnte irgendwann einen Kippunkt erreichen mit stark negativen Auswirkungen auf die Bereitschaft, hierzulande unternehmerisch zu wirken“, befürchtet der 62jährige. Für sein im schwäbischen Waiblingen beheimatetes Unternehmen sei dieser Punkt erreicht, wenn es hierzulande nicht mehr wettbewerbsfähig herstellen könne. Für das nächste Jahr sagen die Wirtschaftsweisen eine Rezession bei anhaltender Inflation in Deutschland voraus.
Deutschland sei schon immer ein relativ teurer Standort gewesen, sagt Stihl, der das Familienunternehmen seit mehr als zehn Jahren führt. Bisher sei seine Firma damit zurechtgekommen: „Aber die Entwicklungen im Bereich der Bürokratie, der Kostenbelastung, den ausbleibenden Investitionen, die wir dringend bräuchten – das führt dazu, daß die Standortbedingungen hierzulande jedes Jahr etwas schlechter werden.“ (fh)