BERLIN. Der Deutsche Städtetag hat sich für die deutschlandweite Anwendung der sogenannten 2G-Regeln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ausgesprochen. Der Präsident des Verbandes, Burkhard Jung (SPD), mahnte: „Wir müssen alles tun, um noch mehr Menschen fürs Impfen zu motivieren und die Impfquote zu steigern.“ Ein negativer Corona-Test könne in Zukunft nicht mehr als Zugangsberechtigung für Freizeitangebote angesehen werden, sagte Jung der Deutschen Presse-Agentur.
„Wir müssen damit rechnen, daß im Herbst und Winter die Zahl der Corona-Infektionen steigt, vor allem bei Ungeimpften. Wir wollen aber auf keinen Fall, daß dann wieder Schulen und Kitas geschlossen werden müssen.“ Kinos, Clubs, Konzerte oder etwa Fitnessstudios sollten seiner Ansicht nach in allen Bundesländern nur noch nach Vorzeigen eines Impf- oder Genesenen-Nachweises zugänglich sein.
Außerdem befürwortete der Oberbürgermeister von Leipzig, das 2G-Prinzip auch in verschiedenen Berufsgruppen verbindlich zu machen. „Wir erwarten, daß sich die Beschäftigten im pädagogischen Bereich, zum Beispiel in Kitas, Schulen und Wohngruppen, aber auch in Krankenhäusern und in der Pflege impfen lassen.“ Erst dann könne man sich wieder mehr Normalität erlauben und die Pandemie hinter sich lassen, heißt es in der Mitteilung weiter.
Lauterbach hält Impfpflicht für sinnlos
Ähnliche Forderungen hatte der Kinder- und Jugendärztepräsident Thomas Fischbach am Dienstag in der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) erhoben: „Wenn viele Beschäftigte in Kitas, Schulen und Kliniken Impfungen weiter verweigern, sollte der Gesetzgeber ernsthaft über eine Impfpflicht in diesen sensiblen Bereichen nachdenken“.
SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kritisierte Rufe nach einer Impflicht. Die Impfquote bei Lehrern und Kindergärtnern sei bereits sehr hoch. „Sie liegt nach meiner Beobachtung und Einschätzung bei weit über 90 Prozent“, sagte Lauterbach der NOZ am Mittwoch. Eine Impflicht sei da sinnlos. Gleiches gelte auch für Ärzte und das Pflegepersonal.
Drosten: Impfbereitschaft ist Bildungsfrage
Unterdessen zeigte sich der Virologe Christian Drosten besorgt über die seiner Meinung nach zu niedrige Impfquote in den östlichen Bundesländern. „Man sieht bereits jetzt, daß in ostdeutschen Bundesländern die Inzidenz wieder an Fahrt aufnimmt. Ich denke, da deutet sich jetzt Herbst- und Winterwelle an, die wir Oktober wohl wieder sehen werden.“ Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen sind in Deutschland Schlußlichter beim Impffortschritt.
In dem „Coronavirus-Update“ genannten Wissenschaftspodcast des Norddeutschen Rundfunks (NDR) brachte der an der Berliner Charité arbeitende Virologe die seiner Ansicht nach ausbleibenden Erfolge der Impfkampagne im Osten indirekt mit einem angeblich niedrigeren Bildungsgrad der Ostdeutschen in Zusammenhang. Der Wissenschaftler behauptete, skandinavische Länder wie etwa Dänemark seien mit ihren Impfkampagnen auch deshalb erfolgreicher, weil dort ein höherer Bildungsgrad herrsche. „Viele Menschen verstehen dort einfach, wofür die Impfung gut ist.“
Schweden und Norwegen schaffen alle Beschränkungen ab
Allerdings handeln nicht alle Skandinavier so wie Drosten unterstellt. Schweden, das mit 63,9 Prozent sogar eine etwas geringere Impfquote als Deutschland mit 64,2 Prozent aufweist, will zum Monatsende alle Corona-bedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens wieder aufheben. Im Unterschied zu vielen anderen europäischen Staaten hatte sich Schweden in der Pandemie von Anfang an gegen Maßnahmen wie Ausgangssperren und Geschäftsschließungen entschieden.
Norwegen, daß mit einer Impfquote von 67,9 Prozent nur knapp vor der deutschen Impfkampagne liegt, hatte am Samstag alle Corona-Einschränkungen fallen gelassen. Auf der anderen Seite haben auch Länder mit einem hohen durchschnittlichen Bildungsgrad, wie etwa die Schweiz, vergleichsweise niedrige Impfquoten. Die Durchimpfungsrate in der Eidgenossenschaft beträgt 58,3 Prozent. (fw)