BERLIN. Der Leiter des Meinungsforschungsinstituts Insa, Hermann Binkert, hat der AfD einen Einbruch des Wählerpotentials prognostiziert, für den Fall, daß die Gesamtpartei vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Eine solche Entscheidung der Sicherheitsbehörden würde die Partei bei den anstehenden Wahlen Stimmen kosten, sagte Binkert der JUNGEN FREIHEIT.
„Bei unseren Erhebungen erfassen wir nicht nur, wen die Leute im Moment der Umfrage wählen würden, sondern auch, welche Partei zu wählen sie sich außerdem vorstellen können. Da fallen für die AfD regelmäßig vier bis fünf Prozent an. Und unter denen, die aktuell die AfD wählen würden, ist sich etwa jeder dritte nicht sehr sicher, daß er bis zur Wahl bei seiner Wahlabsicht bleibt. Bei einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist damit zu rechnen, daß etliche unsichere und potentielle Wähler verschreckt werden würden“, erläuterte Binkert.
Die Umfragen zeigten zudem, daß die große Mehrheit der Wähler einer Partei diese nicht für die Opposition wähle, sondern sich wünsche, daß sie mitgestaltet. Das gelte ausnahmslos für alle Parteien. „Mit einer Verfassungsschutzbeobachtung jedoch ist jedwede Regierungsbeteiligung der AfD völlig ausgeschlossen. Eine Partei muß damit rechnen, daß sie das weitere Wähler kostet.“
Nichtwählerpotential weitgehend ausgeschöpft
Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz könne zwar einige Wähler in einer Art Wagenburgmentalität an die AfD binden, dennoch würde sie unterm Strich Wähler verlieren, zeigte sich Binkert sicher. Auch halte er es für ausgeschlossen, daß die Partei im rechten politischen Lager entsprechend an Stimmen hinzugewinnen könne, was sie links verliere. Es gebe rechts der AfD keine Partei mit einem relevanten Wählerreservoir, das die AfD an sich ziehen könnte.
Gleiches gelte für das Lager der Nichtwähler. Hier habe die AfD bereits einen erheblichen Teil ihrer Wähler mobilisiert. Die politischen Ränder böten dort wenig weiteres Potential.
Binkert: AfD kann mit Corona-Politik nicht punkten
Beim Thema Corona zeigte sich Binkert skeptisch, ob die AfD mit ihren Positionen hiervon politisch profitieren könne. Nicht nur die AfD kritisiere die Corona-Politik der Bundesregierung, gab der Insa-Chef zu Bedenken.
„Und auch die Wähler der AfD sind bei diesem Thema gespalten, oft 50 zu 50. Andererseits spricht die Partei mit ihrer Corona-Kritik eine Stimmung in der Bevölkerung an. Die AfD ist mit ihren Meinungen und wie sie diese zum Ausdruck bringt im Parteienspektrum meist alleinstehend, was ihr inzwischen eine loyale Wählerbasis eingebracht hat. Dennoch, und das belegen nun einmal die Zahlen, hat sie im Vergleich zu ihrem Umfragewert vom Januar 2020 etwa ein Drittel ihres Zuspruchs eingebüßt: Statt bei 15 Prozent liegt sie aktuell bei zehn Prozent.“
Wenn die AfD also an Zuspruch verloren habe, liege das zwar nicht ausschließlich am Thema Corona. Es lasse sich aber feststellen, daß sie davon zumindest nicht habe profitieren können. (krk)