BERLIN. Mehrere CDU-Politiker haben die Integrationskommission der Bundesregierung und ihren jüngst präsentierten Abschlußbericht scharf kritisiert. „Die Fachkommission hat ihren Arbeitsauftrag nicht nur bewußt ignoriert, sondern sich statt dessen ungefragt zu allgemeinen integrationspolitischen Fragestellungen relativ einseitig positioniert. Das ist schon ein starkes Stück und ein sehr ungewöhnlicher Vorgang“, sagte der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries am Mittwoch der Welt.
Der Arbeitsauftrag der Kommission habe gelautet, „darzulegen, wie viel Zuwanderung Deutschland unter welchen Rahmenbedingungen mit Blick auf die Integration dauerhaft verträgt“, erläuterte der Bundestagsabgeordnete. Ausgangspunkt hierfür sei die Festlegung der Bundesregierung auf einen „Zielkorridor“ von bis zu 220.000 Zuwanderern jährlich gewesen.
Zentrales Ergebnis der Kommission: Nicht mehr „Migrationshintergrund“ sagen
Die Fachkommission Integrationsfähigkeit mit 25 Mitgliedern unter Federführung der Integrationsbeauftragten Annette Widmann-Mauz (CDU) hatte vergangene Woche seinen Abschlußbericht präsentiert. Zentrales Ergebnis war die Empfehlung, den Begriff „Migrationshintergrund“ nicht mehr zu verwenden. Statt dessen riet das Gremium, künftig von „Eingewanderten und ihren (direkten) Nachkommen“ zu sprechen.
„Verbalakrobatik über Migrationsbegrifflichkeiten anstelle einer substanziellen Auseinandersetzung mit Integrationsdefiziten hilft aber weder den Migranten noch der Mehrheitsgesellschaft“, bemängelte de Vries. Überdies beschreibe die Kommission Integration als Aufgabe des Staates und der Mehrheitsgesellschaft „und nicht vornehmlich als eine Bringschuld der Migranten“.
Integrationsdefizite würden von ihr „weitgehend ausgeblendet und Integrationsfähigkeit als Kategorie abgelehnt, obwohl es wissenschaftlich anerkannte Indikatoren wie Erwerbsbeteiligung, Bildungsabschlüsse oder Delinquenz“ gebe, um den Integrationserfolg zu messen.
„Durch neue Wörter eine neue Wirklichkeit schaffen“
Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Bernstiel warf der Kommission vor, ihr eigentliches Ziel „völlig verfehlt“ zu haben. Das Papier lese sich „an vielen Stellen wie ein Protokoll eines akademischen Debattierklubs“, der sich „darauf konzentriert, Begriffe anzuprangern“. Die Frage „ob der Begriff Migrationshintergrund diskriminierend ist“, sei aber von nachrangiger Bedeutung. Ähnlich äußerte sich sein Parteikollege Marian Wendt: „Statt Probleme und Lösungsvorschläge aufzuzeigen, beschäftigt sich der Bericht der Fachkommission lieber mit Begrifflichkeiten.“
Auch die Kritik des Integrationsforschers Ruud Koopmans geht in dieselbe Richtung: „Leider folgt die Integrationskommission der akademischen Mode, mehr über Begriffe als über die ihnen zugrundeliegenden Phänomene zu diskutieren“, sagte er der Welt. „Der Glaube, daß man durch neue Wörter eine neue Wirklichkeit schaffen kann, ist stark. Dabei würde jeder neue Begriff für Migrationshintergrund nach fünf Jahren wieder als stigmatisierend empfunden.“
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