BERLIN. In der Debatte zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit am Freitag im Bundestag hat Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) die Wiedervereinigung als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnet. Heute würden viele sagen, „das ist ein Land, das ist geglückt“. Die Einheit sei „von unten gekommen, sie ist erkämpft worden“. Sie sei ohne die Einbindung der Bundesrepublik in die Europäische Union jedoch nicht möglich gewesen, wodurch Deutschland für den Staatenverbund eine „ganz besondere Verantwortung“ trage.
AfD-Chef Tino Chrupalla lobte die Wiedervereinigung als patriotischen Akt. Die Bürger im Osten hätten alles für die Freiheit risksiert und für ihr Land gekämpft. Er betonte die gewonnenen Freiheiten nach dem Ende der DDR. Zugleich verlangte er, die Lebensumstände zwischen Ost und West 30 Jahre nach der Wiedervereinigung anzugleichen und kritisierte, daß Ostdeutschland wiederholt mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werde.
Der stellv. Fraktionsvorsitzende der #AfD, @Tino_Chrupalla, ein Kind der Lausitz, erinnert daran, dass in der #DDR nicht alles schlecht war. Es gab ein Miteinander – diese Mitmenschlichkeit ist leider auf der Strecke geblieben… #30JahreEinheit pic.twitter.com/8F1XLKY8JR
— AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag 🇩🇪 (@AfDimBundestag) October 2, 2020
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner betonte, die Revolution 1989 sei hart erkämpft worden. Sie habe gezeigt, daß man mit Mut und dem Drang nach Freiheit friedlich Diktaturen stürzen könne. Er erinnerte auch daran, daß die Grünen nicht mehr an die Wiedervereinigung glaubten.
„Manche hatten den Glauben an die #Einheit längst aufgegeben – Joschka Fischer von @GrueneBundestag zum Beispiel. Aber Helmut #Kohl und #Hans-Dietrich #Genscher haben Mut und Weitsicht bewiesen.“ @c_lindner #DeutscheEinheit #30JahreEinheit #deineEinheit pic.twitter.com/MMaCKlsQTV
— Fraktion der Freien Demokraten (@fdpbt) October 2, 2020
Göring-Eckardt warnt vor „Nazis“
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sagte, Deutschland sei heute freier und weltoffener und habe die Demokratie als Grundlage. Sie beklagte, daß heute zu wenig Bürger aus den östlichen Bundesländern in Führungspositionen seien. Die Herausforderungen seien heute genauso groß wie damals. Als Beispiel nannte sie die angebliche Klimakrise. Deutschland müsse weiter verändert werden. Sie warnte zudem: „Wer heute Nazis wählt, wählt Spaltung, Gewalt, Fake-News und Unanständigkeit.“
Nicht nur der Osten, auch der Westen hat sich verändert. Deutschland 2020 ist ein anderes Land:
Wir sind freier, weltoffener, vielfältiger und wir haben die Demokratie als Grundlage. Das ist gemeinsam großartig!@GoeringEckardt über #30JahreEinheit pic.twitter.com/bxvZReyBTe
— Grüne im Bundestag 🇪🇺🏳️🌈 (@GrueneBundestag) October 2, 2020
Die CDU-Abgeordnete Yvonne Magwes lobte die Errungenschaften der friedlichen Revolution, wies aber auch auf die Belastung hin, die sich daraus für diejenigen ergeben hätten, die ihren Arbeitsplatz verloren. Es böten sich mit der Wiedervereinigung „viele neue, große Chancen“.
Merkel mahnt zu weiteren Anstrengungen für Zusammenhalt
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wies gegenüber der Funke Mediengruppe auf Versäumnisse hin. Einer der größten Mängel sei es gewesen, berufliche Qualifikationen der ehemaligen DDR-Bürger nicht gleichwertig anzuerkennen. „Wir haben die Fähigkeiten vieler Menschen unterschätzt, das hat sich sicherlich auf das Selbstwertgefühl der Ostdeutschen ausgewirkt.“ Auf die Frage, was die DDR in das wiedervereinigte Deutschland eingebracht habe, antwortete Schäuble: „Menschen – mit all ihren Facetten.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland, sie sehe 30 Jahre nach der Einheit große Fortschritte bei der Angleichung zwischen Ost und West. Allerdings bedürfe es weiterhin großer Anstrengungen, für den Zusammenhalt der Nation zu sorgen. Sie habe zudem Verständnis dafür, daß manche Deutsche in den östlichen Bundesländern sich als Bürger zweiter Klasse fühlten.
Die Bundestagsabgeordneten erinnerten in der Debatte am Freitag an die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 und die Entwicklungen in den vergangenen drei Jahrzehnten. Die zentralen Feierlichkeiten finden am Samstag in Potsdam statt. Dazu werden auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Merkel erwartet. (ls/ag)