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AfD: Fall Kalbitz spitzt sich zu

AfD: Fall Kalbitz spitzt sich zu

AfD: Fall Kalbitz spitzt sich zu

Andreas Kalbitz
Andreas Kalbitz
Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz soll sich parteiintern wegen seiner Vergangenheit erklären Foto: imago images / Metodi Popow
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Fall Kalbitz spitzt sich zu

Brandenburgs Verfassungsschutz hat damit gedroht, den gesamten AfD-Landesverband als rechtsextremen Verdachtsfall einzustufen. Begründet wird dies unter anderem mit dem dortigen Landes- und Fraktionsvorsitzenden Andreas Kalbitz. Über dessen politische Vergangenheit und Zukunft berät am Freitag auch der AfD-Bundesvorstand.
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POTSDAM. Brandenburgs Verfassungsschutz hat damit gedroht, den gesamten AfD-Landesverband als rechtsextremen Verdachtsfall einzustufen. Sollte sich die dortige politische Entwicklung fortsetzen, sei eine solche Entscheidung nicht mehr auszuschließen, sagte Verfassungsschutzchef Jörg Müller am Donnerstag dem Inforadio des rbb.

„Die Beobachtung einer Partei ist in einer Demokratie an exakte rechtsstaatliche Voraussetzungen gebunden und ein schwerer Eingriff. Aber wenn sich diese erkennbare ‘Verflügelung’ weiter fortsetzt, dann wird sich diese Frage immer mehr aufdrängen.“ Derzeit sei für ihn im Brandenburger AfD-Landesverband keine demokratische Mitte mehr erkennbar. Das müsse man genau beobachten und sich darüber mit dem Verfassungsschutzverbund austauschen.

Als Grund für diese Einschätzung nannte Müller den brandenburgischen Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz. Dieser sei „über Jahrzehnte hinweg“ tief im organisierten Rechtsextremismus verwurzelt und nachweislich Mitglied der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ)“ gewesen: „Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat eine Mitgliederliste, auch mit einer Mitgliedsnummer, die klar eine Familie Andreas Kalbitz aufführt. Daneben gibt es natürlich auch noch die Fotos und auch seine eigenen in Teilen und stückweise vorgetragenen Eingeständnisse, an Zeltlagern der HDJ teilgenommen zu haben“, erläuterte der Verfassungsschutzchef.

Müller: Kalbitz ist Rechtsextremist

Bereits am Montag hatte Müller die im März angekündigte Auflösung der parteiinternen Vereinigung „Der Flügel“ als „Scheinauflösung“ bezeichnet. Der taz sagte er: „Seine Protagonisten sind ja alle weiter in der Partei und sehr dominant. Das ist wie Aspirin: Erst lag die Tablette neben dem Glas, jetzt löst sie sich im Glas auf. Und der Wirkstoff wirkt natürlich weiter.“

Er sei sicher, daß bald etwas entstehen werde, das diese Gruppierung auffängt. „Da steht dann vielleicht Nationalkonservative Haltungsgemeinschaft drüber. Eine gewisse Zeit werden sie die Füße stillhalten, aber dann wird es Ersatzveranstaltungen geben, auch für das Kyffhäusertreffen. Und Höcke hat schließlich klar gesagt, der ‘Flügel’ wird aufgelöst, weil er sein Ziel erreicht habe. Distanziert vom völkischen Gedankengut hat er sich nicht und auch sonst keiner der Protagonisten.“

Auch Kalbitz habe sich keineswegs vom „Flügel“ distanziert, unterstrich Müller. „Er ist ein Rechtsextremist und setzt seinen Kurs fort. Sein Brandenburger Landesverband ist durch und durch verflügelt und weist deutliche extremistische Bezüge auf, hier gibt es keine relevante Gegenströmung.“

Fünfseitige Stellungnahme

Allerdings habe es ihn überrascht, daß der Bundesvorstand Kalbitz Mitte April aufgefordert hatte, eine Liste der politischen Organisationen und Vereine vorzulegen, in denen er sich in der Vergangenheit engagiert habe und sich zu diesen Mitgliedschaften und Kontakten zu erklären. Insbesondere sollte er glaubhaft machen, daß er nicht Mitglied der HDJ gewesen sei, unter anderem, indem er mit allen möglichen Mitteln gegen solche Behauptungen vorgehe.

Begründet wurde dieser Beschluß damit, daß die Vorwürfe, ein Mitglied des AfD-Bundesvorstands, dem Kalbitz als Beisitzer angehört, sei „Mitglied in rechtsextremistischen Vereinen und damit Teil des organisierten Rechtsextremismus gewesen“, dem Ansehen der Partei „massiv“ schaden. Daher stehe Kalbitz „in der Pflicht, über seine früheren und eventuell noch bestehenden Kontakte den Bundesvorstand ins Bild zu setzen“.

Dieser mit einer Mehrheit von sieben Ja- zu vier Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen beschlossenen Aufforderung ist der Brandenburger Landes- und Fraktionsvorsitzende nun nachgekommen. In seiner fünfseitigen Stellungnahme, die dem Rechercheverbund von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung vorliegt, habe Kalbitz eingeräumt, daß sein Name auf einer „Interessenten- oder Kontaktliste“ der HDJ aufgeführt worden sein könnte. Dies sei „durchaus möglich und wahrscheinlich“.

„Totalitäres Kontaktschuldprinzip“

Mitte März hatte Kalbitz noch erklärt, die „durch den Verfassungsschutz über den Spiegel aufgestellte Behauptung der Mitgliedschaft einer ‘Familie Andreas Kalbitz’ in der 2009 verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend e.V.“ sei „schlicht falsch“.

In seiner aktuellen Stellungnahme an die Vorstandskollegen „auf Grundlage einer unrechtsstaatlichen Beweislastumkehr“ hält Kalbitz daran fest, vor seiner „AfD-Mitgliedschaft zu keinem Zeitpunkt Mitglied einer als rechtsextremistisch eingestuften oder auf der Unvereinbarkeitsliste aufgeführten Vereinigung und/oder Teil des ‘organisierten Rechtsextremismus’“ gewesen zu sein. Dies gelte jedenfalls, wenn „man einer objektiven juristischen oder formalen behördlichen Einordnung und nicht linksradikaler Narrativierung und einem völlig unfreiheitlichen und totalitären Kontaktschuldprinzip folgt.“

Allerdings teilt Kalbitz mit, er sei Ende 1993/Anfang 1994 der Partei „Die Republikaner“ beigetreten und für etwa ein Jahr deren Mitglied gewesen. Daß er dieser bereits ab Ende 1992 vom Bundesamt für Verfassungsschutz unter dem Verdacht einer rechtsextremistischen Bestrebung beobachteten Partei angehörte, hatte Kalbitz bei seinem Eintritt in die AfD 2013 nicht angegeben. Zwar stehen die Republikaner nicht auf der erst später eingeführten Unvereinbarkeitsliste der AfD, allerdings hätte er diese vorherige Parteimitgliedschaft nicht verschweigen dürfen, heißt es in Kreisen der AfD-Führung.

AfD-Bundesvorstand tagt

Ausdrücklich kann laut Satzung eine Annahmeerklärung in die AfD unter anderem vom Bundesvorstand „mit Wirkung für die Zukunft“ widerrufen werden, „wenn der Bewerber in seinem Aufnahmeantrag oder sonst zu entscheidungserheblichen Fragen falsche Angaben gemacht oder wesentliche Umstände verschwiegen hat“.

In dem Fall könnte Kalbitz’ AfD-Zugehörigkeit ohne Parteiausschlußverfahren annulliert werden – analog zum Fall Dennis Augustin. Der frühere Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern flog aus der Partei, weil er eine später belegbare NPD-Mitgliedschaft beim Eintritt verschwiegen hatte.

Laut Tagesordnung wird sich der Bundesvorstand der AfD auf seiner Sitzung am morgigen Freitag mit den Angaben Kalbitz’ befassen. Nicht ausgeschlossen ist, daß es schon im Anschluß daran zu einer endgültigen Entscheidung über dessen politische Zukunft kommt. Hierfür bedürfte es einer einfachen Mehrheit. Das wären mindestens sieben der 13 Mitglieder des Bundesvorstands.

Bereits Anfang April hatten es westdeutsche AfD-Landesvorstände in einem Schreiben an die Parteiführung als erforderlich bezeichnet, „daß zum Schutz unserer Partei und für die Glaubwürdigkeit des Bundesvorstandes Herr Kalbitz sofort aus dem Bundesvorstand zurücktritt und die Partei verläßt“. Tue er dies nicht „aus freien Stücken“, erwarte man, „daß der Bundesvorstand entsprechend handelt“. (krk/vo)

Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz soll sich parteiintern wegen seiner Vergangenheit erklären Foto: imago images / Metodi Popow
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