Fast wäre es diese Woche einmal nicht um den angeblich menschengemachten Klimawandel gegangen. Doch ein junger Weltretter aus Hamburg wollte sich mit dem Aufmerksamkeitsdefizit für das Thema so kurz vor dem Weltuntergang nicht abfinden. Der 18jährige Linken-Politiker Tom Radtke, der zu diesem Zeitpunkt noch bei „Fridays for Future“ aktiv und Listen-Kandidat seiner Partei für die Bürgerschaftswahl war, verfaßte auf Twitter die Worte, die den Prolog eines Polittheaters bilden sollten. „Die Nazis gehören auch zu den größten Klimasünder*innen, da ihr Vernichtungskrieg und ihre Panzer riesige Mengen an CO2 produziert haben. Viele Politiker sagen, daß sich das nicht wiederholen darf. Aber was tun sie gegen den Klima-Holocaust, der in diesem Moment Millionen Menschen und Tiere tötet? Greta Thunberg hat in Davos richtig gesagt, daß seit Beginn der Klimaproteste nicht genug getan wurde. Wir müssen die Klimaerwärmung jetzt stoppen, damit sich ein Holocaust nicht wiederholt“, schrieb der Hamburger Jung auf Twitter.
Diese Aussagen allein hätten wohl genügt, um die eigene Politkarriere schon vor Beginn zu Feinstaub zu zerlegen. Um aber ganz auf Nummer sicher zu gehen, fügte Radtke seinem Tweet auch noch ein Foto hinzu, das bereits zuvor für Streit innerhalb der „FFF“-Bewegung gesorgt hatte, weil eine afrikanische Klimaschützerin herausgeschnitten worden war. So waren darauf nur noch vier sehr weiße Mädchen zu sehen, darunter auch Greta Thunberg und Luisa Neubauer.
Überhaupt hatte man den Eindruck, daß es dem Teenager vor allem um die Anerkennung der Mädels in der Bewegung ging. Anders als das Weltklima kühlte sich die Liebe des Jungpolitikers zu seinen Traummädchen und Klimakampf-Genossinnen allerdings ganz schnell ab, als diese sich öffentlich von ihm distanzierten.
Das Drama Radtke, zweiter Akt
Es folgte der zweite Akt eines Spiels, „das uns vom Drama einer Kultur berichtet“. Nachdem sowohl die Hamburger Linkspartei, wie auch „Fridays for Future“ sich öffentlich von ihm abwandten, drohte der verschmähte Held plötzlich mit Enthüllungen. Von „dreckigen Geheimnissen“ über einen „Pädophilen bei FFF Hamburg“ war da die Rede. „Auch zu Luisa“ hätte er angeblich noch so einiges zu sagen. Später folgten unter anderem Anspielungen über den Ehebruch eines EU-Parlamentariers. Inzwischen haben sogar die Hamburger Polizei und Jan Böhmermann auf Radkes Twitter-Amoklauf reagiert. Mit Böhmermann ging der selbstbewußte Hamburger Jung auch direkt in den digitalen Infight. Ergebnis (laut eigener Punktewertung): „Tom: 1 – Jan: 0“.
@janboehm
Tom (18): Sysadmin, Sprecher AG Netzpolitik, KandidatJan (38): gebührenfinanzierter Clown und SPD-Mitglied
Tom: 1 – Jan: 0#TomRadtke pic.twitter.com/Hwd78ESaAc
— Tom Radtke (@tomradtkede) January 31, 2020
Auch die Jugendorganisation der AfD sorgte in dieser Woche für Empörung. Die Junge Alternative Sachsen-Anhalt veröffentlichte im Internet ein Gruppenfoto und versah es mit der mäßig lustigen und nicht besonders intelligenten Bildunterschrift „#Höckejugend“. Die Empörung war groß. So groß, daß in den sozialen Netzwerken inzwischen etliche Wortmeldungen unter dem Hashtag zu finden sind. Auch viele Konservative nutzten die Gelegenheit, um sich wieder reinzuwaschen, indem sie sich lautstark von allem distanzierten mit dem kein normaler Mensch etwas zu tun haben will, sie aber auch niemand, der sie und ihre Arbeit wirklich kennt, jemals in Verbindung bringen würde.
Dabei wäre der Hintergrund der infantilen Provokation schnell zu eruieren gewesen. Die Wahrheit war hier sogar in Artikeln der Mainstream-Presse zu finden. Man hätte sie also ruhig mitlesen können. So schrieb zum Beispiel sogar die Welt: „Der Begriff war in den vergangenen Jahren bereits gelegentlich in Äußerungen von AfD-Gegnern in sozialen Netzwerken verwendet worden.“ Hierauf nahmen die Jugendlichen ziemlich offenkundig und nach eigener Aussage ironisch Bezug. Das macht den Post nicht schlauer, aber doch um mindestens fünf Tom-Radtke-Stufen weniger skandalös.
Prost Großbritannien
Daß man mit genügend bösem Willen und entsprechender Skrupellosigkeit wirklich aus allem einen Skandal machen kann, zeigte dieser Tage Bernd Kastner von der Süddeutschen Zeitung. Er machte es in einem vor Heuchelei und perverser Freude am Denunziantentum strotzenden Beitrag zu einem Skandal, daß ein freier Cartoonist, der eine Zeichentrick-Figur für die Münchner Verkehrsgesellschaft entwarf, auch einen Comic für den AfD-Wahlkampf von Björn Höcke geliefert hatte. Da der Künstler diesen bewußt nicht signiert hatte, fühlte sich nun der Zeichenblockwart bemüßigt, diese skandalöse Tatsache zu enthüllen. Offengelegt hat Kastner damit aber vor allem die eigene hypermoralische Verkommenheit. Wer sich sowas leistet, sollte selbst besser keine einzige Leiche im Keller haben.
Gab es sonst noch Neuigkeiten von echtem Nachrichtenwert in dieser Woche? Ach ja! Eine von tatsächlich historischer Dimension, die den Mainstream-Journalisten mindestens so traurig gemacht hat, wie das Ende des von Anfang an zum Scheitern verurteilten Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump. Großbritannien hat endlich den vom Volk gewollten Brexit vollzogen. Dies könnte der Beginn vom Ende der EU und der Anfang der Wiederherstellung der Unabhängigkeit der europäischen Nationalstaaten sein. Also, hoch die Tassen!