Es war auch der Abend der großen Vergleiche. Der Demokraten-Abgeordnete Hakeem Jeffries aus New York stellte die Abstimmung über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens (Impeachment) gegen US-Präsident Donald Trump in eine Reihe mit dem Kampf gegen die Sklaverei und die rassistischen Jim-Crow-Gesetze. Der Republikaner-Abgeordnete Barry Loudermilk aus Georgia verwies auf das anstehende Weihnachtsfest und rief voller Pathos: „Pontius Pilatus hat Jesus mehr Rechte gewährt als die Demokraten diesem Präsidenten.“ Was Pontius Pilatus wohl mit Weihnachten zu tun hat?
Aber Fakten spielten bei der finalen Impeachment-Debatte im Repräsentantenhaus ohnehin eine eher untergeordnete Rolle. Amtsmißbrauch und Behinderung des Kongresses lauteten die beiden Anklagepunkte der demokratischen Führung gegen Trump. Das Ergebnis war deutlich: Nur drei Demokraten brachen mit der Parteilinie. „Ich habe immer geglaubt, daß ein Impeachment dem Land einen großen Schaden zufügen wird“, begründete der Abgeordnete Jeff Van Drew aus New Jersey sein „Nein“.
Erst das dritte Impeachment in der US-Geschichte
Sein Parteifreund aus Minnesota, Collin Peterson, verwies auf die mangelnden Beweise gegen Trump. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Tulsi Gabbard, Abgeordnete aus Hawaii, stimmte mit „anwesend“. Sie habe „mit gutem Gewissen weder mit Ja noch mit Nein stimmen“ können. Der Repräsentant Jared Golden aus Maine, der erst seit 2019 im Kongreß sitzt, stimmte beim Anklagepunkt Amtsmißbrauch mit „Ja“, hielt die Beweislage beim Anklagepunkt „Behinderung des Kongresses“ aber für nicht ausreichend.
A house divided cannot stand. Sadly, our nation is terribly divided. My vote today is a vote for much needed reconciliation and hope that together we can heal our country to usher in a bright future for the American people, our country, and our nation. #Impeachment #TulsiGabbard pic.twitter.com/BJddNuhkk7
— Tulsi Gabbard (@TulsiGabbard) December 19, 2019
In der elfstündigen Marathonsitzung wiederholten sich die Redebeiträge mit fortgeschrittener Zeit zusehends. Die Demokraten wurden nicht müde, immer wieder zu untermauern, Trump habe die Ausschüttung von Militärhilfen an die Ukraine in einem Telefonat mit Präsident Volodymyr Zelensky an Ermittlungen gegen den früheren US-Vizepräsidenten Joe Biden geknüpft. Die Republikaner bestreiten, daß es sich um ein „quid pro quo“ gehandelt habe und verwiesen ihrerseits auf die formalen und inhaltlichen Mängel der Anklage.
Zudem wird dem Präsidenten in den Impeachment-Artikeln kein konkretes Verbrechen zur Last gelegt – anders etwa als dem damaligen Präsidenten Bill Clinton, der 1998 wegen Meineids und Behinderung der Justiz vom Repräsentantenhaus „impeached“ wurde. Zuvor war es in der US-Geschichte erst einmal zu einem Impeachment gekommen, allerdings unter völlig anderen Voraussetzungen. 1868 wählten die Republikaner im Kongreß dieses Mittel, um den von ihnen ungeliebten Demokraten Andrew Johnson aus dem Amt zu jagen, der ihnen gegenüber den besiegten Südstaaten zu milde war. Nur eine Stimme rettete damals Johnson im Senat vor einer Zweidrittelmehrheit gegen ihn.
Die Demokraten hoffen, daß Dreck hängenbleibt
Für Trump stellt sich die Situation entspannter dar. Von den erforderlichen 67 Stimmen sind die Demokraten in der zweiten Kammer meilenweit entfernt. Sie stellen derzeit 47 Senatoren. Selbst wenn die üblichen unsicheren Kantonisten und Trump-Hasser unter den Republikanern wie Mitt Romney, Lisa Murkowski und Susan Collins am Ende für die Amtsenthebung stimmten, wäre die Mehrheit in weiter Ferne.
Das weiß auch House-Sprecherin Nancy Pelosi und sieht die Gefahr, daß der nun anstehende Prozeß im Senat unter Leitung des Chefrichters am Obersten Gerichtshof, John Roberts, zum Bumerang werden könnte. Die Republikaner würden es sich sicher nicht entgehen lassen, dabei die Vorgänge um Burisma und die Biden-Familie näher zu beleuchten und Zeugen zu laden, die nicht zuletzt Joe Biden, der sich derzeit als aussichtsreichster Bewerber um die Nominierung der Demokraten bemüht, belasten könnten.
Vielleicht auch deswegen scheute sich Pelosi in den ersten Minuten nach der für sie erfolgreichen Abstimmung, einen klaren Zeitpunkt zu benennen, wann sie gedenkt, die Impeachment-Resolution an den Senat weiterzuleiten. Theoretisch könnten die Demokraten dies dauerhaft blockieren und darauf vertrauen, daß allein durch das erfolgreiche Impeachment-Votum genügend Dreck an Trump hängenbleibt. So sagte es auch der Abgeordnete Ted Lieu aus Kalifornien während der Debatte. Ganz egal, ob der Senat ihn schuldig oder freisprechen werde, „das wird ihm für den Rest seines Lebens folgen“.
Trump zu seinen Anhängern: In Wahrheit sind sie hinter Euch her
Allerdings könnte sich auch für die demokratische Mehrheit das Vorgehen noch rächen. Ausgerechnet der jetzige demokratische Minderheitenführer im Senat, Chuck Schumer, warnte im Verlauf der Amtsenthebungskampagne der Republikaner gegen Clinton davor, daß Impeachment zu einem „Routinetool“ werden könnte, um „politische Kämpfe auszufechten“. Genau das könnte einem künftigen Präsidenten der Demokraten zum Verhängnis werden.
Trump reagierte auf all das gelassen. Er habe nicht vor, sich die Abstimmung im Fernsehen anzusehen, hatte er bereits im Vorfeld angekündigt. Er sprach am Abend bei einer Wahlkampfveranstaltung vor Unterstützern im Battleground-Staat Michigan. Danach twitterte er ein Foto von sich mit der Botschaft: „In Wahrheit sind sie nicht hinter mir her, sondern hinter Euch.“
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) December 19, 2019