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Peter Boehringer: „Es wird nur auf meiner Person herumgehackt“

Peter Boehringer: „Es wird nur auf meiner Person herumgehackt“

Peter Boehringer: „Es wird nur auf meiner Person herumgehackt“

Peter Boehringer
Peter Boehringer
Peter Boehringer (AfD) steht auf Listenplatz 1 Foto: dpa / picture alliance/Global Travel Images
Peter Boehringer
 

„Es wird nur auf meiner Person herumgehackt“

Traditionell stellt die stärkste Oppositionsfraktion im Bundestag den Vorsitz im Haushaltsausschuß. Nach derzeitigem Stand steht dies nun der AfD zu. Sie hat ihren haushaltspolitischen Sprecher Peter Boehringer nominiert. Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT erklärt der 48jährige, warum er Respekt vor der Aufgabe hat, und wieso er den medialen Gegenwind gegen sich für übertrieben hält.
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Am Mittwoch treten die ständigen Ausschüsse des Bundestages zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Als mächtigster unter ihnen gilt der Haushaltsausschuß. Ihm obliegt die Überwachung des gesamten Finanzgebarens des Bundes. Die Tradition, daß die stärkste Oppositionsfraktion hier den Vorsitz stellt, unterstreicht die Bedeutung der parlamentarischen Kontrolle der Regierung. Damit hat der Vorsitzende der Haushaltsausschusses das vielleicht wichtigste Parlamentsamt der Opposition inne.

In der Regel schlägt die entsprechende Fraktion einen Kandidaten für dieses Amt vor. Nach derzeitigem Stand – auch wenn die Große Koalition noch nicht sicher ist – steht dies nun der AfD zu, die ihren haushaltspolitischen Sprecher Peter Boehringer dafür nominiert hat. Widersprechen die Mitglieder des Ausschusses nicht, ist der vorgeschlagene Abgeordnete auch ohne formale Wahl Vorsitzender. Erhebt eine Fraktion jedoch Widerspruch, muß gewählt werden. Im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT erklärt der 48jährige, warum er Respekt vor der Aufgabe hat, und wieso er den medialen Gegenwind gegen sich für übertrieben hält.

Herr Boehringer, Sie sind der designierte Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Was überwiegt da bei Ihnen: die Vorfreude oder eher der Respekt vor den Herausforderungen?

Peter Boehringer: Da überwiegt schon der Respekt vor der Herausforderung. Jeder Bundestagsabgeordnete hat sicherlich ein gewisses Selbstbewußtsein. Doch so eine Aufgabe mit einem 320-Milliarden-Haushalt – darauf kann man nicht ohne weiteres vorbereitet werden. Hinzu kommt, daß die Buchführung beim Bund kameralistisch und nicht kaufmännisch ist, wie sonst fast überall. Aber man hat da ja auch viele Mitarbeiter, das macht es dann nicht so dramatisch, wie es sich im ersten Moment anhört. Es geht um 23 Einzelhaushalte, insgesamt 2.500 Seiten. Die Aufstellung ist Sache der Ministerien, der Haushaltsausschuß muß das dann kontrollieren.

Dabei geht es vor allem darum, die Budgetüberschreitungen gegebenenfalls zu hinterfragen und natürlich die Planaufstellung für das nächste Jahr vorzunehmen; an dieser Stelle wird es dann auch politisch. Die Vorgaben kommen von der Exekutive, von der Regierungsmehrheit. Die Opposition hat die Aufgabe, die Überschreitungen zu hinterfragen. Wenn es Streit gibt, wird im Ausschuß abgestimmt, dann gewinnt regelmäßig die Regierungsmehrheit, das liegt in der Natur der Sache. Man hat jedoch als Opposition die große Chance, die wirklich strittigen Themen ins Plenum zu tragen und dadurch öffentlich zu machen.

Bisher galt im Haushaltsausschuß: Das Arbeitsklima ist eher kollegial, es herrscht ein sogenannter Spar- oder Konsolidierungskonsens und über Fraktionsgrenzen hinweg hält man zusammen, wenn es gilt, den Ansprüchen der Kollegen aus den Fachausschüssen etwas entgegenzutreten. Würde sich das unter einem Vorsitzenden Peter Boehringer grundlegend ändern?

Boehringer: Nein, würde es nicht! Ich bin ja nicht verrückt und mache große Experimente mit dem Bundeshaushalt. Punktuell werden wir Dinge hinterfragen, das hätten wir aber ohnehin gemacht, dafür brauchen wir nicht einmal den Ausschußvorsitz. Das Amt sollte man auch nicht überschätzen: Der Vorsitzende wird regelmäßig überstimmt. Er kann ein bißchen moderieren, er kann aber nichts komplett verhindern, zumal er ja von der Opposition kommt. Das galt so auch für alle meine Vorgänger …

Sie gelten als langjähriger profilierter Kritiker nicht nur des Euros und der Euro-Rettungspolitik, sondern auch des derzeitigen Geldsystems. Sehen Sie sich da in einem Spannungsfeld zwischen Ihrer grundsätzlichen, um nicht zu sagen: fundamental oppositionellen Haltung einerseits und andererseits Ihrer Rolle im Ausschuß, wo es ja häufig darum gehen wird, in kleinen Schritten um Entlastungen der deutschen Steuerzahler zu ringen?

Boehringer: Stimmt. Für letzteres ist man sicherlich in der Verantwortung. Das gilt aber nicht für mich alleine, auch nicht nur für die AfD, denn das haben sich ja einige Parteien auf die Fahne geschrieben. Beim Riesen-Thema Geldsystem muß ich gleich die Erwartungshaltung dämpfen: Selbst wenn man es wollte, könnte man auch mit einer Hundert-Prozent-Mehrheit diesen Wahnsinn nicht von Berlin aus beenden. Deswegen beschränken wir uns auf den praktisch-relevanten Teil des Parteiprogramms der AfD – das ist die Euro-Kritik. Leider ist nur ein kleiner Teil der Euro-Rettungs-Gelder Teil des Bundeshaushalts, nämlich nur der, der für den Rettungsschirm ESM verwendet wird. Dieser Teil ist beim Haushaltsausschuß angesiedelt. Das Problem ist, daß der allergrößte Teil der Euro-Rettung – ungefähr eine Billion pro Jahr – beim Haushalt der Europäischen Zentralbank EZB angesiedelt ist, und der wird gar nicht kontrolliert.

„Diesen Staat ‘EU-Europa‘ darf es nicht geben“

Zum Haushaltsausschuß gehört auch ein sogenanntes Sondergremium, das die Beteiligungsrechte des Parlaments am ESM wahrnehmen soll. Werden die Pläne verwirklicht, den ESM in einen Europäischen Währungsfonds (EWF) zu überführen, würde auch diese Kontrollmöglichkeit wegfallen. Wie wollen Sie sich dem entgegenstemmen?    

Boehringer: Ja, das ist ein ganz großes Thema! Wir – damit meine ich die kritischen Publizisten oder auch Parlamentarier wie allen voran Frank Schäffler – waren ohnehin schon immer Gegner des ESM. Obwohl das alles ein planwirtschaftlicher Wahnsinn, ein ökonomischer Alptraum ist, wurden immerhin ein paar parlamentarische Zustimmungsrechte gerettet. Wenigstens das hat der damalige Bundestag geschafft. Im Zuge der geplanten Umwandlung des ESM in den EWF würden selbst diese wenigen Zustimmungsrechte auch noch kassiert werden. Das ist ein Riesenskandal! Das thematisieren wir auf jeden Fall, wobei das nichts mit meinem Ausschußvorsitz zu tun hat. Der EWF führt dazu, daß die Rechenschaftspflicht nicht mehr gegenüber dem Bundestag besteht, sondern – wenn überhaupt – dann gegenüber dem EU-Parlament. Das ist unsäglich, denn es gibt diesen Staat „EU-Europa“ nicht, es darf ihn nicht geben. Wer das Europaparlament auch nur ein bißchen kennt, der weiß, daß in diesem Brüsseler „Babel“ nichts kontrolliert wird. So soll erreicht werden, daß weniger Leute mitreden.

Am Schluß der Haushaltsberatungen steht die sogenannte Bereinigungssitzung des Ausschusses, in der alle noch offenen Beschlüsse unter Zeitdruck gefaßt werden müssen. Zu den Spielchen gehört, daß die Regierungsfraktionen ihre Anträge möglichst spät einbringen, um ausführliche Debatten zu verhindern. Rechnen Sie mit solchen und anderen Tricksereien?

Boehringer: Das läuft schon seit Jahren so, vollkommen unabhängig von der AfD. Wir werden hoffentlich dieses Spiel nicht mitmachen. So läuft es übrigens auch vor jeder Plenarsitzung: Anträge werden immer so spät wie möglich eingereicht, so daß man sich nicht umfassend darauf vorbereiten kann. Das System gibt dies tatsächlich her; wir können im Moment nichts dagegen tun, denn die Geschäftsordnung des Bundestags sieht sehr kurze Fristen vor. Ich habe logischerweise so eine Bereinigungssitzung noch nie mitgemacht, aber gehört, daß es da recht chaotisch zugeht. Ich bin sicher, daß solche Spielchen beim nächsten Mal wieder stattfinden werden.

Seit Sie als künftiger Ausschußvorsitzender gehandelt werden, rückte auch Ihre Person in den Fokus der Medien. Hatten Sie solchen politischen Gegenwind erwartet?

Boehringer: In dieser Form nicht! Das zielt allein auf meine Person. Es ist unfaßbar, wie meine Reputation in den letzten acht Tagen zerschossen wurde. Was da im Moment läuft, ist fast präzedenzlos. Offensichtlich hat man keine Argumente in der Sache und will mich dann mit aller Gewalt verhindern – das geht nur über persönliche Angriffe. Wie Walter Ulbricht einst so schön sagte: „Es muß demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Und damit es demokratisch aussieht, sagt man pro forma: Ja, die AfD soll diesen Vorsitz bekommen, das steht ihr zu; aber der Kandidat geht gar nicht. So geht das zum wiederholten Mal; vorher beim Kollegen Glaser oder beim Kollegen Reusch, und beim Kollegen Brandner wird es auch gerade versucht. Bei mir ist es jetzt besonders heftig. Man könnte mir ja durchaus vorwerfen, daß ich keine Erfahrung für dieses Amt mitbringe. In der Tat ist es ja eine Herausforderung, den Vorsitz zu übernehmen, wenn man zuvor noch nicht einmal Mitglied des Ausschusses war. Doch dieses Argument wird gar nicht gebracht, es wird nur auf meiner Person herumgehackt.

Einige Medien schreiben, Sie seien ein Anhänger von Verschwörungstheorien und hätten auf den großen Crash gehofft.

„Ich verbreite keine Verschwörungstheorien“

Boehringer: Ich verbreite keine Verschwörungstheorien. Was ich feststelle: Daß nationale Souveränitätsrechte peu à peu zugunsten von suprastaatlichen Organisationen, vor allem zugunsten der EU, abgebaut werden. Das ist ja kein Geheimnis. Eine Verschwörung muß immer geheim sein. Das jedoch, was ich benenne und kritisiere, ist ein offen ablaufender Vorgang. Das bestätigt sich mit jeder Bundestagsrede, da müssen Sie nur mal Herrn Schulz zuhören, wenn er Herrn Macron nachplappert. Es werden permanent Macht und Geld an Institutionen in Brüssel abgegeben, es läuft auf einen Superstaat EU hinaus. Das ist für mich eine glasklare Tatsache und keine Verschwörung. Ich habe Begriffe wie „New World Order (NWO)“ oder „Weltregierung“ sehr selten in den Mund genommen. NWO ist von George Bush ins Spiel gebracht worden, die Welt schrieb von Macrons „Weltregierungserklärung“ – die dürfen das offenbar; wenn ich es mal irgendwo geschrieben habe, dann gilt es als Verschwörungstheorie. Das ist doch absurd.

Ihre Wahl ist also alles andere als reine Formsache. Sind Sie darüber in Gesprächen mit den anderen Fraktionen, um solche Anschuldigungen im Vorfeld zu klären?

Boehringer: Ich habe das schriftlich gemacht, denn die Kollegen sind zwar höflich, aber offenbar nicht so richtig diskutierfreudig. Momentan ist das alles eher eine mediale Schlacht. Linke Medien, der ganze Mainstream hackt massiv auf mir herum, zum Teil mit frei erfundenen Geschichten. Da werden mir Dinge vorgehalten, die ich entweder niemals öffentlich oder überhaupt nie gesagt habe. Ich weiß noch nicht, was uns Mittwoch erwartet. Wahrscheinlich wird es allem bisherigen Usus zuwider zu einem Widerspruch gegen meine Person kommen, das hat die Linke schon angekündigt. Dann findet eine Wahl statt – mit ungewissem Ausgang. Ich wäre nicht der erste AfDler, der in geheimer Wahl durchfällt.

Was dann passiert, läßt sich noch nicht sagen. Denn in der Geschäftsordnung des Bundestags ist eine Ablehnung nicht vorgesehen. Die politische Botschaft der anderen Seite würde lauten: Die können es nicht, die dürfen nicht, das sind Extremisten … Es ist alles so durchschaubar. Doch ich glaube, daß es am Ende auch wirklich 50 bis 70 Prozent des Volkes durchschauen werden. Am Ende schadet uns das also nicht. Provoziert haben wir so etwas allerdings nicht, auch wenn uns das so gerne als Taktik unterstellt wird. Ich habe im Vorfeld total deeskaliert, Respekt und Demut gezeigt, was ich auch wirklich empfinde.

Peter Boehringer (AfD) steht auf Listenplatz 1 Foto: dpa / picture alliance/Global Travel Images
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