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Herman Lehmann: „Der mit dem Wolf tanzt“ auf preußisch

Herman Lehmann: „Der mit dem Wolf tanzt“ auf preußisch

Herman Lehmann: „Der mit dem Wolf tanzt“ auf preußisch

indianerfluesterer
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Herman Lehmann und Comanchen-Krieger (Holzstich von 1860) Foto: picture alliance/akg
Herman Lehmann
 

„Der mit dem Wolf tanzt“ auf preußisch

Die Weißen waren ihm fremd und er haßte sie – obwohl er ursprünglich einer von ihnen war. Über den deutschen Auswanderersohn Herman Lehmann und sein Schicksal unter den Mescalero-Apachen.
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Die Weißen waren ihm fremd, ja, Herman haßte sie. Hatten die Texas Ranger nicht versucht, ihn und seine Brüder am Concho Plain zu töten? Nur mit viel Glück konnte er entkommen und zu seinem Stamm, den Mescalero-Apachen zurückkehren. Das war im Mond der fallenden Blätter im Jahr 1875. Doch Tage und Jahre zählten für Herman Lehmann nicht mehr. Er war Apache geworden, seit er im Mai 1870, im zehnten Lebensjahr, von seinen roten Brüdern geraubt wurde.

Auf einer Farm in der Nähe von „Friedrichsburg“ in Texas war sein eigentliches Zuhause, dort wurde er am 5. Juni 1859 geboren. Seine Eltern hatten ihre Heimat bereits 1846 mit dem Schiff „Louise“ von Bremerhaven aus verlassen. In Friedersdorf in der Niederlausitz erfuhren sie durch Flugschriften von dem 1844 entstandenen „Mainzer Adelsverein“, der jeder ausreisewilligen Familie rund 130 Hektar Land, dazu die Versorgung mit Lebensmitteln bis zur ersten eigenen Ernte sowie Kirchen, Schulen und ärztliche Fürsorge versprachen.

Gegründet wurde der Verein von dem Herzog von Nassau, dem Fürst zu Leiningen, Friedrich Prinz von Preußen und anderen edlen Herren, denen sie Glauben schenkten. Deren Versprechungen erwiesen sich jedoch aufgrund akuter Geldknappheit sehr schnell als unhaltbar, so daß die Auswanderungswilligen für Transport und Verpflegung dann doch 300 Gulden pro Einzelperson und 600 Gulden für eine Familie zahlen mußten. Viel Geld, was sein Vater Moritz und seine Mutter, die aus Kulm in Westpreußen stammte, von Familie und Freunden liehen, schon fast erbettelten.

Auf der elterlichen Farm überfallen und entführt

Nach der Landung im Hafen in Galveston am Golf von Mexiko mußten sie monatelang unter erbärmlichsten Bedingungen leben. Seuchen grassierten, der Hunger herrschte. Über „Neu Braunfels“, wo 300 Menschen an Krankheit und Schwäche starben, ging es mit dem Treck nach Fredericksburg.

Carl Prinz zu Solms-Braunfels, der auch „Texas-Carl“ genannt wurde, gründete als erster Generalkommissar des „Texasvereins“, wie der Adelsverein auch genannt wurde, 1845 „Neu-Braunfels“, das er nach seiner Familie benannte. Sein Nachfolger Otfried Hans Freiherr von Meusebach gründete ein Jahr später „Friedrichsburg“, Prinz Friedrich von Preußen gewidmet.

Meusebach trat aber schon am 20. Juli 1847 von seinem Amt als Generalkommissar des „Mainzer Adelsvereins“ zurück und wurde von Herman Spieß abgelöst, dem nichts weiter übrigblieb, als die Zahlungsunfähigkeit des Vereins zu erklären, da es Meusebach nicht gelungen war, die Finanzen zu sanieren.

Am 23. Februar 1848 löste sich der „Mainzer Adelsverein“ formal auf, die Vermögens- und Schuldenverwaltung wurde am 6. Mai 1848 an die „Deutsche Colonisationsgesellschaft für Texas“ in Biebrich übergeben. In Texas führte die „German Emigration Company“ nun die Geschäfte weiter.

Friedensvertrag mit den Indianern

Hermans Eltern ließen sich in der Nähe von Friedrichsburg, heute Fredericksburg im Mason County mitten in Texas, nieder und heirateten 1849. Er und seine drei älteren Geschwister wuchsen unter den harten Bedingungen der Neufarmer auf und mußten auf dem Feld und in Haus und Hof arbeiten.

Eine Gefahr durch Indianer kannten sie nicht, hatte doch Meusebach vor der Gründung von Friedrichsburg einen Friedensvertrag mit den örtlichen Oberhäuptlingen der Comanchen ausgehandelt. Die Deutschen kauften Felle und Lebensmittel von den Indianern, während diese im Gegenzug von Plünderungen der deutschen Siedlungen absahen und die Deutschen beschützten.

Und doch wurde die elterliche Farm am 16. Mai 1870 von ortsfremden Mescalero-Apachen überfallen. Seine zwei Schwestern konnten ins Haus entkommen, er und sein Bruder Willie wurden auf dem Feld gefangen und entführt. Vier Tage später spürte eine Armeepatrouille die Apachen auf und nahm sie unter Feuer. Im Gefecht konnte Willie fliehen, Herman nicht. Die Mescaleros entkamen Richtung Westen und nahmen Herman mit in ihr Lager im Osten des heutigen US-Bundesstaates New Mexico.

Flucht vor der Rache

Er wurde von Häuptling Carnoviste und dessen Frau Laughing Eyes als Sohn mit dem Namen „En Da“, weißer Junge, aufgenommen. Er wuchs zum jungen Krieger heran und bewährte sich in den Kämpfen und Auseinandersetzungen seines Stammes mit anderen Stämmen und weißen Siedlern. In einem Gefecht mit den Texas Rangern am 24. August 1875 am Concho Plain, erkannte ihn der Ranger James Gillett als einen Weißen. Schon wollte er ihn erschießen, zögerte, und Herman entkam.

Ein Jahr später rächte dieser seinen Ziehvater Häuptling Carnoviste, der von anderen Apachen getötet wurde und erschlug deren Medizinmann. Vor der Rache des feindlichen Stammes floh Herman in unbesiedelte Gebiete, bis er sich 1877 den Comanchen anschloß. Bei ihnen fand er eine neue Familie und wurde nun „Montechena“ genannt.

Der Oberhäuptling der Comanchen Quanah Parker war selbst Sohn von Cynthia Ann Parker, einer von Indianern entführten weißen Frau. Als Neunjährige wurde sie 1836 während des Fort-Parker-Massakers von Comanchen entführt und später von einer Indianerfamilie adoptiert. Als Siebzehnjährige heiratete sie einen Comanchen-Häuptling.

Soldaten fiel der der blonde Indianer auf

Zu den gemeinsamen Kindern zählte Quanah Parker. Dieser hatte schon 1875 einen Friedensvertrag mit den Weißen abgeschlossen. Dieser Vertrag sah vor allem die Umsiedlung der Comanchen in ein Reservat vor. Im Juli 1877 suchte er nach versprengten Gruppen, die die Waffen bisher nicht niedergelegt hatten, um sie von der Aufgabe des Kampfes zu überzeugen. Dazu gehörte auch die Gruppe von Herman/Montechena. Parker riet ihnen, zu kapitulieren und ebenfalls in das Reservat in der Nähe von Fort Sill, im heutigen Oklahoma zu kommen. Dort lebte Herman bis 1878.

Während dieser Zeit war einigen Soldaten der blonde Indianer aufgefallen. Herman Lehmanns Mutter hatte die Hoffnung, ihn wiederzufinden, niemals aufgegeben. Nun hörte sie von dem Weißen unter den Indianern. Sie fuhr zum Fort und bat den Kommandanten, ihr den jungen Mann zu beschreiben. Sie glaubte ihren Sohn in dem Bericht zwar nicht wiederzuerkennen, bat aber trotzdem darum, daß der Junge zu ihr gebracht würde. Im April 1878 war es soweit: „Montechena“ wurde nach Lo-yal Valley in Mason County gebracht.

Unter den versammelten Einwohnern der Stadt stand der 19jährige Lehmann, sprach und verstand aber kein Deutsch und Englisch mehr. Sowohl Mutter und Sohn erkannten einander nicht, auch er selbst war davon ausgegangen, daß seine Familie von den Indianern ausgerottet worden war. Doch es stellte sich nach eingehender Untersuchung anhand einer alten Narbe heraus, daß er tatsächlich der Vermißte war. Die Freude über das Wiederfinden war jedoch einseitig.

Schwierige Anpassung an das Leben unter den Weißen

Die Wiederanpassung an das Leben der Siedler, auch mit Hilfe seines Bruders Willie, fiel Herman schwer. Ähnlich wie der Mutter des Comanchenhäuptlings Quanah Parker, Cynthia Ann Parker. Sie wurde 1860 von Texas Rangers aufgegriffen und gegen ihren Willen zu ihrer europäischen Familie zurückgebracht und versuchte mehrfach vergeblich, zu ihrer indianischen Familie zurückzukehren.

Auch Herman schwankte zwischen den Welten indianischer und weißer Lebensweise hin und her. Der junge Wilde machte durch Alkoholexzesse und Schlägereien von sich reden. Schließlich wurde er Fuhrunternehmer, dann Saloonbesitzer und Farmer. Seine erste Ehe, die er 1885 mit N. E. Burke schloß, scheiterte. Mit seiner zweiten Frau Fannie Light ging er zurück ins damalige „Indian Territory“, wo er eine Landzuteilung als Mitglied des Stammes der Comanchen erhalten hatte.

Herman und Fannie bekamen fünf Kinder, doch im Jahre 1926 verließ er diese Gegend wieder, um endgültig zu der Familie seines Bruders Willie nach Loyal Valley zurückzukehren. Er publizierte im Jahre 1927 seine Autobiographie „Nine years among the Indians“ und starb am 2. Februar 1932 in Loyal Valley, Mason County, Texas. Dort ist er begraben.

Die deutschen Bürger von Fredericksburg haben den einzigen bis heute gehaltenen und nie gebrochenen Vertrag mit Indianern vom Stamm der Comanchen dieser Gegend geschlossen. Seit dem Founder’s Day im Mai 1996 wird jedes Jahr am zweiten Wochenende im Mai die Unterzeichnung des Friedensvertrags am 9. Mai 1847 zwischen den Nachkommen der deutschen Siedler und den Comanchen mit einem Powwow gefeiert.

JF 52/17

Herman Lehmann und Comanchen-Krieger (Holzstich von 1860) Foto: picture alliance/akg
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