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Antideutsche Stimmung: Die Wiederkehr des „deutschen Problems“

Antideutsche Stimmung: Die Wiederkehr des „deutschen Problems“

Antideutsche Stimmung: Die Wiederkehr des „deutschen Problems“

Merkel
Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das Mißtrauen gegenüber Deutschland wächst in Europa Foto: picture alliance/dpa
Antideutsche Stimmung
 

Die Wiederkehr des „deutschen Problems“

In Europa wachsen die antideutschen Ressentiments. Die wirtschaftliche Macht Deutschlands ist vielen EU-Staaten ein Dorn im Auge. Und sie halten die Deutschen wahlweise für Narren oder die Drahtzieher eines hinterlistigen Komplotts, wenn sie europäische Einheit beschwören. <>Ein Kommentar von Karlheinz Weißmann.<>
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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Emmanuel Macron, der Favorit der französischen Präsidentschaftswahlen, hat darauf hingewiesen, daß der deutsche Exportüberschuß „nicht mehr tragbar“ sei. Er fordert Maßnahmen der EU, um dagegen vorzugehen und mittelfristig „die Harmonisierung der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik“.

Seine Konkurrentin, Marine Le Pen, verlangt den Frexit und die Wiedereinführung des Franc und macht gar kein Hehl daraus, daß sie die deutsche Potenz als das eigentliche Hindernis auf dem Weg zurück zur „grandeur“ Frankreichs betrachtet. Der eine links, die andere rechts, der eine Mitglied des Establishments, die andere aus den Reihen der Fundamentalopposition, der eine für die Nutzung der Hebel, die die Union bietet, die andere für den nationalen Alleingang.

Aber solche Differenzen spielen hier keine Rolle. Denn man ist sich einig in der Auffassung, daß „das deutsche Problem“ wiederkehrt: vielleicht kein Viertes Reich, aber ein politisches Gravitationszentrum, dessen Anziehung sich auf die Dauer kein Teil Europas entziehen kann.

Entwicklung wird sich weiter verschärfen

Dem Widerstand zu leisten, ist Teil der französischen Staatsräson. Und ganz gleich, wer in den Elysée-Palast einzieht, er darf für seine Position sicher auf den Rückhalt bei den anderen Mitgliedsstaaten rechnen. Der italienische Regierungschef hat sich jüngst in ähnlicher Weise wie Macron beklagt und klargemacht, daß er eine Revision der Verträge will, die Vergemeinschaftung der Schulden und ein Notopfer der Deutschen, um die notorische Mißwirtschaft in seinem Land zu finanzieren.

Unvergessen ist auch die Kritik Polens an der deutschen Deckung für den ungeliebten Landsmann Tusk samt den scharfen Untertönen gegen die „Arroganz“ Berlins, die dabei zu hören waren. Wir sind zwar noch nicht so weit, daß jemand alte Reparationsforderungen aufleben läßt wie in der akuten Griechenlandkrise, als deutsche Politiker nur noch mit gerecktem Arm und Hitlerschnäuzchen dargestellt wurden und auf die braven Farben Schwarz-Rot-Gold das Hakenkreuz montiert war. Aber viel fehlt nicht.

Jedenfalls muß man kein Prophet sein, um vorauszusagen, daß sich die Entwicklung weiter verschärfen dürfte. Die Ursachen dafür liegen tief. Sie haben nur oberflächlich mit den aktuellen Wirtschaftsdaten zu tun. Denn das Gefälle zwischen Deutschland und den übrigen EU-Staaten hat strukturelle Gründe und wird bestehen bleiben, genauso wie die Reformunfähigkeit von Ländern wie Frankreich oder Italien und die Entschlossenheit der Politischen Klasse hierzulande, das alles nicht zur Kenntnis zu nehmen oder für den deutschen Bürger so zu präsentieren, daß der den Glauben an „Europa“ nicht verliert.

Deutsche zahlen und bleiben still

Die Anstrengungen in dieser Richtung wirken allerdings zunehmend verzweifelt, weil sich immer schlechter verbergen läßt, was seit den fünfziger Jahren die unausgesprochene Voraussetzung für die „Einigung“, für die Westintegration oder die Achse Paris-Bonn beziehungsweise Paris-Berlin war: die Deutschen zahlen, machen sich klein und bleiben still.

Die Bereitschaft, die systematische Zurücksetzung hinzunehmen, mag für eine gewisse Zeit klug gewesen sein, dann auch Konsequenz der ewigen Formschwäche unseres Nationalbewußtseins, aber sie hatte doch und hat in erster Linie zu tun mit dem Selbstbild der Deutschen, das in der Nachkriegszeit durchgesetzt wurde.

Das ist geprägt von der Entschlossenheit zum Moralisch-Musterschülerhaften, der streberhaften Neigung, zu zeigen, daß man „aus der Geschichte gelernt“ hat. Und was wir gelernt haben, das ist nicht nur „Besser Langeweile als Faschismus“ (Habermas), sondern auch, daß das Zeitalter der Nationen, der Souveränität und des „sacro egoismo“, also des „heiligen Egoismus“ der Staaten, vorbei sei.

Politisch-pädagogisches Programm

Aber mit dieser Lektion stimmt etwas nicht. Denn sie ist nur Teil eines immer wieder aufgelegten politisch-pädagogischen Programms, von dem keiner weiß, ob es Dummheit oder Perfidie diktiert haben, und an dessen Berechtigung man nur hierzulande glaubt. Deshalb hält man in Athen, Warschau, Rom, Paris und wahrscheinlich dem Rest des Erdballs, die Deutschen wahlweise für Narren oder die Drahtzieher eines besonders hinterlistigen Komplotts, wenn sie Europa, seine Einheit und seine Zukunft beschwören.

In Berlin ringt man derweil die Hände darüber, daß man all überall „noch nicht so weit ist“ wie bei uns. Aber in diesem einen Fall wäre es wirklich und ausnahmsweise besser, sich ein Beispiel an anderen zu nehmen und zu begreifen, daß auf manchen Feldern, insbesondere denen der Politik, kein Fortschritt stattfindet, weil die Natur der Dinge das gar nicht erlaubt.

August Ludwig von Rochau, unter den deutschen politischen Denkern eine Ausnahme, da Realist, hat das Gemeinte auf die Formel gebracht, „… daß das Gesetz der Stärke über das Staatsleben eine ähnliche Herrschaft ausübt wie das Gesetz der Schwere über die Körperwelt“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel: Das Mißtrauen gegenüber Deutschland wächst in Europa Foto: picture alliance/dpa
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