JERUSALEM. Das israelische Parlament hat die Enteignung privaten palästinensischen Landes zugunsten von Siedlungen beschlossen. Das „Siedlungsregulierungsgesetz“ betrifft rund 4.000 Siedler, die zumeist in kleineren, von der Regierung bisher nicht anerkannten Wohneinheiten im Westjordanland leben.
Solche Außenposten sind nach internationalem und israelischem Recht illegal, da sie auf privatem palästinensischen Land errichtet wurden. In der Nacht zu Dienstag beschloß die Knesset mit den Stimmen der von Premierminister Benjamin Netanjahu geführten Likud-Regierung die Enteignung der palästinensischen Eigentümer. Sie sollen Kompensationen erhalten.
Netanjahu nahm an der Abstimmung nicht teil
Die vollständig von Israel kontrollierten Teile der Westbank (die etwas mehr als 60 Prozent der dortigen Fläche ausmachen) stehen unter israelischer Militärverwaltung. Israelisches Recht kommt dort nicht unmittelbar zur Anwendung.
Anders als die illegalen Außenposten wurde die große Mehrheit der israelischen Siedlungen auf sogenanntem Staatsland gebaut, auf das keine privaten Eigentümer Anspruch erheben. Die Rechtmäßigkeit dieser Siedlungen ist international umstritten.
Netanjahu nahm an der Abstimmung nicht teil, da er sich auf dem Rückweg von seinem Staatsbesuch bei der britischen Premierministerin Theresa May in London befand. Er hatte das Gesetz zunächst unterstützt, sich dann davon distanziert, aber auf Druck seines rechten Koalitionspartners „Jüdisches Haus“ am Ende doch seine Zustimmung erteilt. Israelische Medien berichten, das Weiße Haus habe Netanjahu zuvor gebeten, die Abstimmung bis nach dem Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Netanjahu am 15. Februar zu verschieben.
Generalstaatsanwalt will Gesetz nicht vor Gericht verteidigen
Israelische Politiker bewerteten das Gesetz unterschiedlich. Der Knessetabgeordnete Nissan Slomiansky (Jüdisches Haus) rechtfertigte das Gesetz damit, daß auch große Städte in Israel, darunter Jerusalem und Tel Aviv, einst auf Land errichtet wurden, das Arabern gehört hatte.
Oppositionsführer Yitzhak Herzog (Arbeitspartei) kritisierte das Gesetz scharf. Nie in der Geschichte Israels habe eine israelische Regierung ein Gesetz beschlossen, das nationalem Recht widerspreche und den Empfehlungen der höchsten juristischen Berater der Regierung zuwiderlaufe.
Damit spielt Herzog auf den von Netanjahu erst im vergangenen Jahr ernannten Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit an, der bereits vor der Abstimmung bekundet hatte, das Gesetz nicht vor dem Obersten Gerichtshof verteidigen zu wollen, da es verfassungswidrig sei. Der Likud-Abgeordnete Benny Begin, Sohn des früheren Premierministers Menachem Begin, stimmte in der Knesset als einziges Mitglied der Regierungsfraktionen gegen die Vorlage, die er als „Raubgesetz“ bezeichnet hatte.
Gegen Netanjahu laufen Ermittlungen
Gegner des Gesetzes wie der Arbeitspartei-Abgeordnete Erel Margalit monierten zudem, Netanjahu wolle mit dem Gesetz von seinen privaten Problemen ablenken. Derzeit laufen Ermittlungen gegen den Regierungschef wegen Vorteilsnahme im Amt. (tb)