ROTHERHAM. Der Skandal um den pakistanischen Verbrecherring, der über Jahrzehnte in Rotherham weiße Mädchen vergewaltigte und zur Prostitution zwang, weitet sich aus. Laut einem neuen Bericht wurden die Täter von Behörden noch umfassender gedeckt, als angenommen. Die Times berichtet von Polizisten und Abgeordneten, die sexuellen Kontakt mit den minderjährigen Opfern gehabt hätten. Der Sender Sky News gibt ein Mädchen wieder, welches von weiterhin andauerndem Mißbrauch in Rotherham erzählt.
Es war einer der größten britischen Skandale im vergangenen Jahr, als bekannt wurde, wie im mittelenglischen Rotherham über Jahre hinweg hauptsächlich pakistanische Männer mindestens 1.400 weiße Mädchen systematisch mißbrauchten und prostituierten, ohne daß Behörden einschritten. Schwere Vorwürfe erhob damals ein Bericht der Sozialarbeiterin Alexis Jay. Ein Nachfolgebericht ihrer Kollegin Louise Casey, der nun veröffentlicht wurde, hat diese Vorwürfe nochmals verschärft.
Rotherham untersteht nun der britischen Regierung
Als Reaktion trat der Stadtrat von Rotherham zurück. Die Stadt untersteht jetzt für mindestens vier Jahre der direkten Kontrolle der Regierung, gab der britische Minister für Kommunale Angelegenheiten, Eric Pickles (Tory) am Mittwoch bekannt. Die National Crime Agency, die oberste britische Strafverfolgungsbehörde gegen das organisierte Verbrechen, gab am gleichen Tag in einer Erklärung bekannt, nun in einem eigenen Ermittlungsverfahren den Verhältnissen in dem Distrikt nachzugehen.
Der neue Bericht von Casey wirft den verantwortlichen Behörden in Rotherham eklatantes Versagen vor. „Das politische Klima im Stadtrat ist ungesund: Mobbing, Sexismus und eine fehlgeleitete ‘Politische Korrektheit’ haben sein Versagen zementiert“, lautet das vernichtende Resümee. Die Arbeit der Untersuchung sei erschwert worden, Wissen wurde nicht zugänglich gemacht und gegen mögliche Informanten sei vorgegangen worden.
Verantwortliche sehen sich als Opfer
Statt den eklatanten Mißständen nachzugehen, welche der Vorgängerbericht von Jay aufzeige, hätten sich Verantwortliche als Opfer stilisiert, kritisierte Casey. Jays Studie sei von der Mehrheit abgewiesen worden mit dem Vorwurf, „voll von Unterstellungen, Vermutungen und Annahmen ohne Beweise“ zu sein. Ein Abgeordneter habe ihr gegenüber gesagt, man habe sich durch Jays Studie „verletzt“ gefühlt: „Wo ist unser Recht auf Widerspruch? Wer ist auf unserer Seite?“
Casey selbst zeigte in ihrem Report schwere Mißstände auf. So hätten pakistanische Taxifahrer ihre Lizenzen behalten, obwohl den Behörden bekannt gewesen sei, daß diese sich auf ihren Fahrten an minderjährigen Mädchen vergehen. Vergewaltigungsopfer und Zeugen seien unter Druck gesetzt worden, auf Aussagen zu verzichten. Die Times berichtet, es werde derzeit gegen einen Polizisten und zwei Abgeordnete wegen sexuellen Kontaktes mit den Opfern ermittelt.
Die Verhältnisse in Rotherham hätten sich nicht gebessert, so der zentrale Vorwurf der jüngsten Studie. Ein mißbrauchtes Mädchen sagte Sky News, sie könne ihren mittlerweile auf Kaution freigelassenen Peiniger täglich sehen. „Es hat sich nichts verändert“, wird das Mädchen, welches vom Sender „Gemma“ genannt wird, wiedergegeben. „Es ist eher noch schlimmer geworden, denn nun passiert alles heimlicher.“ (FA)