Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Diese Fußballerweisheit von Weltmeister-Trainer Sepp Herberger gilt auch für die AfD. Der „Platz“ ist in diesem Fall der Bundesparteitag Ende Januar in Bremen. Hier werden die Mitglieder, die sich zu Tausenden angemeldet haben, über die künftige Struktur der Parteispitze entscheiden.
An dieser Ausgangslage hat auch der nun vom Bundesvorstand vereinbarte Kompromiß nichts geändert. Dieser sieht vor, daß die derzeitige Spitze aus drei gleichberechtigten Sprechern zunächst durch eine Doppelspitze abgelöst wird. Ab 1. Dezember soll schließlich ein Vorsitzender allein die Geschicke der AfD leiten.
Wird dieser Fahrplan in Bremen abgesegnet, hätte AfD-Sprecher Bernd Lucke mit Verzögerung sein Ziel erreicht, die Partei künftig allein zu führen. Bei Lichte betrachtet hätte er den Machtkampf für sich entschieden. Die mehrmonatige Übergangszeit von der Dreier- zur Einerspitze dient allein dazu, den parteiinternen Gegnern um Luckes Co-Sprecher Frauke Petry und Konrad Adam sowie Parteivize Alexander Gauland die offensichtliche Niederlage etwas erträglicher zu machen.
Was machen die einfachen Mitglieder?
Doch soweit ist es noch nicht. Es ist völlig ungewiß, ob sich die Parteibasis tatsächlich auf diese ungewöhnliche Konstruktion einläßt. Denn Luckes erster Anlauf in der Satzungsfrage, mit dem er auf dem Parteitag in Erfurt Anfang vergangenen Jahres krachend gescheitert war, hat deutlich gemacht, daß die selbstbewußte AfD-Basis allergisch auf Kungeleien im Hinterzimmer und geheime Absprachen reagiert.
Sie will bei grundlegenden Entscheidungen – und dazu gehört die über eine neue Satzung zweifellos – ohne Wenn und Aber mitreden. Um eine hitzige Diskussion über die Führungsstruktur und den künftigen Kurs der Partei wird die AfD-Führung in Bremen daher trotz des in letzter Minute ausgehandelten Kompromisses nicht herumkommen.
Am Rand der Spaltung
Die Einigung zeigt indes, daß die führenden AfD-Funktionäre den Ernst der Lage erkannt haben. Der seit Wochen in aller Öffentlichkeit tobende Führungsstreit hat die Partei an den Rand der Spaltung gebracht. Daran ist beiden Lagern nicht gelegen. Luckes parteiinternen Kontrahenten ist zudem mehrfach von der Basis bedeutet worden, ihren Kampf um die Dreierspitze nicht auf die Spitze zu treiben und damit womöglich Lucke aus der Partei zu drängen. Denn eines ist klar: Ohne Bernd Lucke würde sich die AfD schnell selbst erledigen. Auf unabsehbare Zeit ist das Aushängeschild der Euro-Kritiker für die Partei unverzichtbar.
In seinem Kurs bestätigt fühlen kann sich Lucke durch den Landesparteitag der AfD in Baden-Württemberg am Wochenende. Dort setzte sich der zum Lucke-Lager zählende Bernd Kölmel erneut als Landesvorsitzender durch. Er führt künftig die AfD im Südwesten allein. Ganz so wie es Lucke sich für die Bundespartei wünscht.
Doch dafür muß Bernd Lucke noch den Bremer Parteitag meistern. Und der dauert nicht wie ein Fußballspiel 90 Minuten – sondern drei Tage.