An diesem Sonntag, den 11. Januar, wird der Historiker, Geschichtsdenker und Philosoph Ernst Nolte 92 Jahre alt. Ich will ihn nicht extra würdigen, das habe ich bereits bei anderer Gelegenheit versucht, sondern ihm meine Dankbarkeit bekunden. Unter den politischen und historischen Denkern deutscher Sprache im 20. Jahrhundert ist er für mich einer der prägendsten.
Er steht in einer Reihe mit Karl Jaspers („Die geistige Situation der Zeit“), Georg Lukács („Seele und Formen“, „Geschichte und Klassenbewußtsein“), Hannah Arendt („Ursprünge und Elemente der totalen Herrschaft“, „Macht und Gewalt“), Carl Schmitt (fast alles), Arnold Gehlen („Moral und Hypermoral“). Die meisten der Genannten haben ihre Wirksamkeit schon lange vor 1945 bzw. 1949 entfaltet. Nolte hingegen begann seine intellektuelle Laufbahn in der Bundesrepublik. Er ist einer der wenigen Denker, die aus ihr über sie hinausragen. Von seinen Werken beschäftigen mich ebenfalls: fast alle!
Von Ausnahmen abgesehen, nehme ich die Werke, die von Historikern und Gesellschaftsanalytikern der Bundesrepublik vorgelegt werden, nur noch als Symptome wahr, als Symptome eines im Geiste kranken Landes. Bei Ernst Nolte dagegen erfahre ich etwas über die Beschaffenheit und Ursachen der Krankheit.
Denker mit Fernperspektive
Er hat die Fähigkeit, die Dinge, die noch im Fluß sind, als etwas bereits historisch Gewordenes zu betrachten. Der 1980 publizierte Aufsatz „Zwischen Geschichtslegende und Revisionismus?“, in dem er die Historisierung des Nationalsozialismus anmahnte, beginnt mit den Worten: „Wenn im Jahr 1980 Bewohner eines fernen Sterns zur Erde kämen …“ Er benannte hier die eigene Fernperspektive. Die Fähigkeit, sich aus dem politischen Tagesgeschäft geistig zu absentieren, ist die höchste und würdigste Form des Engagements, zu der ein Denker finden kann.
Ich bewundere weiterhin seine Selbstdisziplin. Er war tückischen und verletzenden Angriffen ausgesetzt. Nie hat er seinen Gegnern den Gefallen getan, auf ihr Niveau herabzusteigen. In seinen Erwiderungen hat er das gegen ihn verspritzte Gift in seine Bestandteile zerlegt und damit die Giftmischerei als solche entlarvt.
In einem späten Text Adalbert Stifters steht der Satz: „Es entstand nun ein Erstaunen über den Mann, und es erhob sich eine Lobpreisung desselben.“ Der öffentliche Lobpreis bleibt Ernst Nolte versagt, was gewiß nicht gegen ihn spricht. Seine Werke stehen, mit zahlreichen Anstreichungen, Lesezeichen und seiner Signatur versehen, von meinem Schreibtisch aus in Griffweite. Danke, Ernst Nolte!