FRANKFURT/MAIN. Der türkische Ministerpräsident Recep Erdogan soll laut türkischen Medienberichten versucht haben, mit dem zeitweise in der Türkei inhaftierten Jugendlichen Marco W. Druck auf die deutsche Justiz auszuüben.
Hintergrund ist der Spendenskandal um die Organisation „Deniz Feneri“ (Leuchtturm), die in Deutschland mehr als 40 Millionen Euro Spendengelder gesammelt hat. Vorgeblich sollte mit den Spenden Kindern in Not geholfen werden, tatsächlich aber wurde das Geld aber offenbar von Hintermännern in der Türkei mit „elitärer vordemokratischer Gesinnung“ für eigene wirtschaftliche und politische Zwecke verwandt.
„Der Schein des Leuchtturms führte in die Irre“, zitierte die Frankfurter Rundschau den vorsitzenden Richter Jochen Müller. In der Türkei hat der Spendenskandal zu einem politischen Erdbeben geführt, da engste Regierungsmitglieder in den Fall verwickelt sein sollen. So berichten türkische Medien, Erdogan habe mit den Geldern unter anderem seinen Wahlkampf finanziert. „Hinter all dem steckt Erdogan“, sagte ein Prozeßbeobachter der Zeitung.
Der Fall Marco W. soll Druckmittel gewesen sein
Wie die Hürriyet berichtet, soll Erdogan dabei auch den Fall Marco W. als politisches Druckmittel gebraucht haben. Dem damals siebzehnjährigen deutschen Touristen war im vergangenen Jahr vorgeworfen worden, ein dreizehnjähriges britisches Mädchen angeblich mißbraucht zu haben.
Über acht Monate verbrachte Marco W. daraufhin in einem türkischen Gefängnis. Bei Gesprächen mit dem deutschen Botschafter sei auffällig häufig auch „Deniz Feneri“ und der Stand der deutschen Ermittlungen Thema gewesen.
Laut Richter Müller hat die Veruntreuung „alles überragt, was uns an Spendenskandalen bekannt ist“. Er verurteilte drei Angeklagte zu Haftstrafen von einem Jahr bis zu fünf Jahren.