Kinderkrippen, Elterngeld und Kinderarmut – selten wurde soviel über Familienpolitik diskutiert wie in den vergangenen zwei Jahren. Deutschland brauche dringend Nachwuchs, und so brauche das Land auch eine familienfreundliche Politik. Am wichtigsten sei dabei, daß Frauen zwischen „Herd“ und Karriere frei wählen können, betont Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) immer wieder.
Doch was passiert, wenn man sich tatsächlich für den „Herd“ entscheidet und das Muttersein lobt, hat der Fall Eva Herman nur zu deutlich gezeigt. Und genau das kritisieren Gegner: In Wirklichkeit hätten Mütter keine Wahl, sondern würden zur Berufstätigkeit gezwungen.
Das im Juli 2005 gegründete Familiennetzwerk – ein bundesweiter Zusammenschluß von Vereinen, Institutionen, Familien und Wissenschaftlern – dürfte das größte organisiertes Netzwerk von Kritikern der aktuellen Familienpolitik sein. Sie fordern echte Wahlfreiheit für Frauen und setzen sich für das Wohl von Kinder ein. Denn diese spielten oft gar keine Rolle in der Diskussion über Familienpolitik.
Wirtschafts- statt Familienpolitik
Deshalb sieht sich das Netzwerk als eine Art „Kinderschutzbund“. Sein Ziel ist Aufklärung. Zudem will es „Kindern eine Lobby bieten“, sagte die Vorsitzende Maria Steuer am vergangenen Sonntag auf dem Symposium „Weniger Staat – mehr Eltern: Wie Familienpolitik wieder Politik für Familien werden kann“ in Berlin.
Das Hauptproblem sei, daß Familienpolitik hierzulande oft gar keine Politik für Familien, sondern für die Wirtschaft sei. So würden Familien ausgebeutet – viele müßten unter dem Existenzminimum leben, sagte Steuer. Doch die Mitglieder des Familiennetzwerkes wollen nicht nur kritisieren, sondern auch konstruktive Vorschläge machen und gute Beispiele benennen.
So zeichneten sie auf dem Symposium am Sonntag den thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) mit dem erstmals verliehenen Matejcek-Preis aus. Althaus wurde für seine „Thüringer Familienoffensive“ (JF 51/05) geehrt, die eine umfangreiche staatliche Unterstützung für Eltern beinhaltet. Thüringen ist das einzige Bundesland, das ein zusätzliches Erziehungsgeld im Anschluß an das Bundeserziehungsgeld gewährt.
„Die Front liegt nicht am Hindukusch“
Auf der Tagung wurde viel darüber diskutiert, wie eine wirklich familienfreundliche Politik aussehen sollte. Eingeladen waren Wissenschaftler wie der Soziologe und Psychologe Patrick Fagan aus Irland und der Professor für präventive Medizin aus Heidelberg, Ronald Grossarth-Maticek. Er stellte die Ergebnisse seiner Studie zur Bindungsforschung vor, laut der die Mutter und die Ursprungsfamilie eine hochsignifikante Bedeutung für die Gesundheit eines Menschen bis ins hohe Alter hat.
Im Anschluß wurde die Frage erörtert, welche politischen Konsequenzen sich aus solchen Erkenntnissen ergeben. Eingeladen war neben dem Dresdner Staatsrechtler Martin Schulte auch Jürgen Borchert. Der Richter am Sozialgericht im Darmstadt gilt als Sozial- und Rentenexperte und zog in seinem Vortrag das Fazit, daß „die Front nicht am Hindukusch, sondern hier in Deutschland liegt“.
Die eigentliche Gefahr für Deutschland sei die bevorstehende demographische Katastrophe: Deutschland sei nicht nur die am schnellsten alternde Gesellschaft der Welt, habe die meisten kinderlosen Haushalte und die anteilig höchste Einwanderungsquote, sondern betreibe zudem noch „Raubbau am eigenen Nachwuchs“, sagte Borchert.
Lastenausgleich im internationalen Vergleich miserabel
Damit sei die Ausbeutung der Familien gemeint. Denn der materielle Familienlastenausgleich sei im internationalen Vergleich miserabel. Die Gründe dafür lägen vor allem in der Mentalität: Denn hierzulande gelte jede Fließbandarbeit, ja sogar Schweinezucht als produktiver und ernte mehr Anerkennung als „unproduktive“ Kindererziehung.
Ähnlich sieht das auch die familienpolitische Sprecherin der Linkspartei im Saarland, Christa Müller. Wer die Politik von Ursula von der Leyen genau anschaut, merke, daß sie in Wirklichkeit keine Familienministerin, sondern vielmehr eine „Arbeitsministerin“ sei, betonte sie auf einer Podiumsdiskussion zum Abschluß des Symposiums am vergangenen Montag.
Eingeladen zur Diskussion waren auch Johannes Singhammer (CSU), Wolfgang Bergmann (Kinderpsychologe) und Vera Bünnagel (Otto-Wolff-Institut für Wirtschaftsordnung). Christa Müller beklagte, daß es in Deutschland immer noch keine Gleichberechtigung gebe: „Denn eine Frau ist nicht nur – wie manche Feministinnen behaupten – gleichberechtigt, wenn sie dasselbe tut wie ein Mann. Sondern sie ist dann gleichberechtigt, wenn das, was sie tut, gleichermaßen geschätzt wird wie die Arbeit eines Mannes.“
Um die Arbeit der Hausfrauen und Mütter anzuerkennen, forderte sie ein sozialversicherungspflichtiges Erziehungsgehalt in Höhe von 1.600 Euro pro Kind und Monat für den Elternteil, der mit einem Kind zu Hause bleibt. Wie das Ganze aber finanziert werden soll, verriet sie nicht – ganz im Stil ihres Mannes, Oskar Lafontaine.