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Kulturbetrieb: Das Versagen der Intellektuellen

Kulturbetrieb: Das Versagen der Intellektuellen

Kulturbetrieb: Das Versagen der Intellektuellen

Jongen
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Marc Jongen (AfD) Foto: picture alliance/dpa
Kulturbetrieb
 

Das Versagen der Intellektuellen

Zu den Symptomen für den Verlust des freien und offenen Debattenklimas in Deutschland gehört das habituelle Messen mit zweierlei Maß. Der Philosoph und AfD-Politiker Marc Jongen antwortet seinen Kritikern.
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Zu den Symptomen für den Verlust des freien und offenen Debattenklimas in Deutschland gehört das habituelle Messen mit zweierlei Maß: Garniert Andrea Nahles den (vermeintlichen) Gang der SPD in die Opposition mit dem Gossenspruch „Ab morgen kriegen sie in die Fresse“, geht man grinsend darüber hinweg. Kündige ich aus analogem Anlaß und mit vergleichbarer Ironie an, die „Entsiffung des Kulturbetriebs“ mit Freude in Angriff zu nehmen, dann ist das „die Sprache des Dritten Reiches“. So allen Ernstes Augstein und Blome in ihrer gleichnamigen TV-Show. Im Zweifel die Nazikeule.

Vielleicht hätte ich „Entsiffung“ in Anführungszeichen setzen müssen, um den beiden sonst so durchironisierten Spaßjournalisten die augenzwinkernde Anspielung auf Akif Pirinçcis mittlerweile geflügeltes Wort von der „rot-grün versifften Republik“ deutlich zu machen. Vielleicht hätte ich rekapitulieren müssen, was diesem Facebook-Eintrag vorangegangen war, nämlich eine wochenlange Agitation inklusive Unterschriftenaktion seitens Hunderter „Kulturschaffender“, des Deutschen Kulturrats sowie der Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth gegen eine mögliche Leitung des Kulturausschusses durch die AfD. Der Kulturbetrieb hatte sich damit parteiisch, pluralitätsfeindlich, selbstgerecht – alias „rot-grün-versifft“ – gezeigt, wie es drastischer kaum denkbar ist.

Daß Pirinçcis Verdikt leider auch auf weite Teile des akademischen Betriebs zutrifft, davon hat mein ehemaliger Hochschulkollege Daniel Hornuff – in empörter Reaktion auf meinen Ausspruch – Mitte Februar in der Zeit ganzseitig Zeugnis abgelegt. Getroffene Hunde bellen.

Tägliches Versagen der Intellektuellen

In diesem Fall ist es ein derart von persönlichen Ressentiments durchsetztes Kläffen, so weitgehend auf Ad-personam-Argumente beschränkt, daß es sich kaum lohnte, darüber Worte zu verlieren – wenn nicht das bloße Erscheinen dieses Pamphlets in Deutschlands größter Wochenzeitung und die darin sich manifestierende Geisteshaltung ein Schlaglicht auf den beklagenswerten Zustand des intellektuellen Mainstreams in diesem Land würfen. Das tagtägliche Versagen der Intellektuellen auf Merkel-Deutschlands Weg in einen Gesinnungsstaat läßt sich am Beispiel Hornuff auf seine Ursachen hin transparent machen.

Daniel Hornuff, soweit geistig agil, hat die postmoderne Lektion von der Konstruiertheit aller Wahrheit und aller Identitäten gründlich gelernt. Da er diesen philosophisch schon deutlich angemoderten, aber politisch immer noch hegemonialen Diskurs smart und mediengerecht zu vermitteln weiß, haben diverse Sender und Zeitungen ihn als „Experten“ für zeitgeistige Kultur- und Bildungsthemen entdeckt. Dort sagt er dann Sätze wie: „Die Wahrheit ist eine Ideologie, die die Geisteswissenschaften zu unterlaufen haben.“ Und er wettert gegen den „Mythos der kulturellen Identität“ oder mokiert sich über das „Gender-Bashing“ als „neuem Volkssport“, worin vor allem die „Rechtspopulisten“ ihre „anti-akademische Arroganz“ offenbarten.

Innerhalb der epigonalen Verkürzung dekonstruktivistischen Gedankenguts, derer sich Hornuff wie alle „organischen Intellektuellen“ der Postmoderne befleißigt, lautet der schlimmstmögliche Vorwurf: „Essentialismus“. Wer die heillos naive Ansicht vertritt, „es gebe“ so etwas wie Nationen, Völker, Geschlechter, der ist auch schon den Sekundärsünden des „Nationalismus“, „Rassismus“, „Sexismus“ verfallen und mithin nicht nur ein Tor, sondern auch ein Schuft. In einem Wort: ein Faschist.

Hang zur moralischen Aufplusterung

Daß dieser intellektuelle „Kampf gegen Rechts“ entgegen seinem behaupteten Sinn für Komplexität, Differenz und Vielfalt mit derselben schnöd-binären Verbissenheit geführt wird, wie sie etwa auch die Straßenkämpfer der Antifa auszeichnet, daß er also einem gehörigen „performativen Selbstwiderspruch“ unterliegt, ist nur der intellektuelle Teil seiner Unerfreulichkeit. Hinzu kommt ein anderes, das weniger mit geistigen Unzulänglichkeiten als mit platten materiellen Abhängigkeiten zu tun hat.

In allen Institutionen kennt man den Typus des aalglatten Karrieristen mit der feinen Witterung fürs Opportune, politisch überkorrekt auf die Gunst der Obrigkeit schielend, immer für eine kleine Intrige gegen mißliebige Konkurrenten zu haben. Im akademischen Milieu erlangt er besondere Unappetitlichkeit durch seinen Hang zur moralischen Aufplusterung, durch einen an den jeweils in Amt und Macht befindlichen Werten orientierten Jakobinismus.

Im tapferen Widerstand gegen Hitler – gegen wen hätte er wohl damals gekämpft? – unterstellt mir Daniel Hornuff „Nazi-Jargon“ und ein Anstreben von „Säuberungsakten“. Selbst meine angeblichen „rassistischen Hygienefantasien“ würde ich nur „pflichtschuldig nachplappern“, moralische Niedertracht also mit geistiger Minderbemittlung apart kombinieren. Dabei hatte der solcherart Delirierende durchaus gute Vorsätze. „Ziel müßte es sein, den Pluralismus nicht nur zu predigen, sondern, wenn man so will, anwendungsbezogen zu verwirklichen. Nur so können wir unsere Sache glaubhaft einbringen“, forderte er in einem früheren Artikel zum Umgang mit den „Rechtspopulisten“.

Mangel an Unterscheidungsvermögen

Statt der angekündigten „Ochsentour des Überzeugens, Begründens, Nachweisens, Belegens, Nachfragens, Antwortens und kleinteiligen Argumentierens“ reichte es, als es ernst wurde, dann aber nur zur Eselei des Projizierens und zur Schweinerei des Diffamierens.

Ein Erklärungsansatz für dieses Versagen Hornuffs – auch und gerade vor den eigenen Ansprüchen – taucht im Schlußteil seines Zeit-Artikels auf. Wer, wie ich, „Versorgungsansprüche“ an einer staatlichen Hochschule habe, heißt es dort sinngemäß, solle gefälligst keine Nestbeschmutzung betreiben, dürfe den Kulturbetrieb nicht in Frage stellen.

Dieses Hornuffsche „Hauptargument“ ist niveaulos nicht nur wegen der peinlichen Zurschaustellung akademischen Futterneids, sondern auch wegen des Mangels an Unterscheidungsvermögen zwischen der Akademie als Institution und ihren aktuellen Inhalten. Nur letztere sind – und dies auch nur in einigen Tendenzen – Gegenstand meiner Kritik, was Wertschätzung unserer kulturellen Institutionen nicht nur nicht ausschließt, sondern voraussetzt.

Aufschlußreich wird Hornuffs wütendes Kritikverbot, wenn man es als verkappte Selbstaussage des kulturell „subdominanten“ Intellektuellentypus liest. Ihm würde es tatsächlich nie einfallen, die Hand, die ihn füttert, zu beißen. Man darf davon ausgehen, daß er Zweifel am hegemonialen Diskurs, der seinen Kopf seit Eintritt ins Studium kolonisiert und ihm ein, wenn auch meist prekäres, Beschäftigungsverhältnis verschafft hat, schon aus Selbstschutz im Keim erstickt, bevor sie laut werden können. Um so mehr muß ihn ärgern und ängstigen, wenn andere sie äußern und damit – mehr vermeintlich als tatsächlich – seine Existenz bedrohen.

Atemberaubende Arroganz

Dann vollzieht sich wohl auch die Schließung einer ursprünglich noch gesprächsbereiten Haltung zum kulturkämpferischen, latent paranoiden Nazi-Jägertum. Sie ist gleichbedeutend mit einem Kurzschluß zwischen dem eigenen, historisch kontingenten kulturellen Milieu und der (horribile dictu) „Essenz“ der Kultur: „Wir, die Hornuffs dieser Welt, sind der Kulturbetrieb. Und wir werden alle als kulturlose Barbaren, sprich als Nazis, brandmarken, die es wagen, unsere tabubewehrte Dogmatik in Frage zu stellen.“ Daß diese atemberaubende Arroganz aus einer tiefen Verunsicherung hervorgeht, macht die Sache nicht besser.

Es eröffnet aber vielleicht Denkwege zum Ausgang aus der Logik der sich vertiefenden Schützengräben. Die Tragik weiter Teile der Akademia – Hornuff steht hier pars pro toto – besteht darin, sich in eine selbstreferentielle, autoimmunisierte Blase eingeschlossen zu haben, in der die Diskurse zunehmend unabhängig, ja konträr zur Wirklichkeit prozessieren. Die Meinung, „Wirklichkeit“ sei ein ideologisches Konstrukt, das es unter allen Umständen zu dekonstruieren gelte, ist auch nicht gerade die beste Voraussetzung, deren Pochen an die akademische Blasenwand richtig zu interpretieren und die eigene Position, wie es dringend not täte, an ihr neu abzueichen.

So vollzieht sich gegenwärtig ein schleichender Verrat von Intellektuellen an den besten europäischen Traditionen, der genuin tragisch ist, weil er zerstört, was er zu retten meint, indem er es zu retten meint. Wer den orwellschen Klang, der die Begriffe „Toleranz“, „Weltoffenheit“, „Vielfalt“ längst erfaßt hat, nicht hört, und meint, sie gegen den „ewigen Nazi“ in Stellung bringen zu müssen, gehört zu den unschuldig-schuldigen, tragischen Helden einer in Dekadenz geratenen, sich selbst ad absurdum und Europa in den Abgrund führenden Postmoderne.

Was könnte „Entsiffung“ vor diesem Hintergrund heißen? Zuvörderst Beseitigung all des Gedankenmülls und all der ideologischen Verunklarungen, die uns gegenwärtig daran hindern, das zu tun, was dem zivilisatorischen Mindeststandard in einer aufgeklärten Gesellschaft entsprechen würde: eine bei allen auch harschen Meinungsverschiedenheiten offene und sachbezogene Debatte über das gute und richtige Leben in unserer Gemeinschaft zu führen.

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Dr. Marc Jongen, Jahrgang 1968, ist Bundestagsabgeordneter der AfD und Kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion.

JF 12/18

Marc Jongen (AfD) Foto: picture alliance/dpa
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