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Rechner oder Computer?

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Wer, bitte, ist hier der Sprachverhunzer? „Überlegen Sie sich doch einmal ein deutsches Wort für Computer. Das ist Unsinn. Das würde die Sprache nicht erweitern, sondern verhunzen.“ Dieser Satz des Jenaer Deutschprofessors Hans Barkowski am Rande der Internationalen Deutschlehrertagung löste nicht nur an dieser Stelle, sondern auch in den Foren der Sprachschützer heftige Diskussionen aus.

Immerhin handelt es sich bei Barkowski um den Vorsitzenden des Sprachbeirats des Goethe-Instituts, das wir Steuerzahler finanzieren. Wenn dieser Mann also die deutsche Entsprechung eines Fremdworts verleugnet oder gar als Sprachverhunzung verunglimpft, muß sich dahinter nicht unbedingt Unwissen verbergen. Auch ein politischer Hintergrund ist denkbar.

Halten wir dagegen fest:
1. Der Erfinder des Rechners/Computers war ein Deutscher, nämlich Konrad Zuse, dessen 100. Geburtstag wir im nächsten Jahr würdig begehen sollten. Die Z3 von 1941 war der erste funktionstüchtige Digitalrechner. Zuse hatte die elektronische Rechenanlage bereits 1933 erfunden.

Die Grundbausteine von 1933 sind bis heute die gleichen geblieben: Zentraleinheit und Rechenwerk, Hauptspeicher, Massendatenspeicher, Ein- und Ausgabegeräte und Peripherie. Außerdem hat Zuse 1942 bis 1946 auch die erste höhere Programmiersprache der Welt namens „Plankalkül“ erfunden.

2. Zuse selbst nannte den Rechner selbstverständlich „Rechner“. Dies ist also in Wirklichkeit die ursprüngliche Bezeichnung, nicht etwa ein späterer krampfhafter Eindeutschungsversuch.

3. „Computer“ (lateinisch „computator“) heißt auf deutsch auch nichts anderes als „Rechner“.

4. Das Wort „Rechner“ greift nicht etwa zu kurz, denn alles, was der Computer ausspuckt, ist das Ergebnis einer Rechenleistung.

5. Das Wort „Computer“ hat im Deutschen den Nachteil, daß es anders geschrieben als gesprochen wird.

6. Das Wort „Rechner“ gibt dem deutschen Muttersprachler nicht nur eine wichtige Information darüber, was das Gerät tut – so glauben manche tatsächlich, daß der Rechner nicht rechnet, wenn man mit ihm zum Beispiel Texte verarbeitet –, sondern erlaubt auch die sinnvolle geistige Erschließung einer ganzen Wortfamilie.

Dies baut Sprachhürden ab und erleichtert Außenstehenden – besonders Kindern und Älteren – das Verständnis für die Technik: Großrechner (statt Mainframe Computer), Arbeitsplatzrechner (statt Personal Computer), Klapprechner (statt Laptop oder Notebook), Leichtrechner (statt Netbook), Rechnerverbund (statt Computer-Cluster). Der Laie wird nicht durch eine Mauer von Fachausdrücken ferngehalten.

7. Mit der Verwendung des Wortes „Computer“ verbergen wir die Tatsache, daß es sich bei diesem Gerät um eine deutsche Erfindung handelt. Mit der englischsprachigen Bezeichnung dieses Alltagsgegenstands brennt sich in unser Unterbewußtsein dagegen ein, daß der technische Fortschritt aus Amerika kommt. Ein einzelnes Lehnwort richtet selbstverständlich noch keinen ernsthaften Schaden an. Erst der massenhafte Gebrauch entbehrlicher Anglizismen führt zu einem Unterlegenheits- und Minderwertigkeitsgefühl, das schädlich ist für die Weiterentwicklung der eigenen Sprache und Kultur.

Franz-Josef Strauß erkannte: „Der Kampf um die Sprache ist eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die geistige Selbstbehauptung.“ Und Konfuzius stellte fest: „Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht. Stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande. Kommen die Werke nicht zustande, so gedeihen Moral und Kunst nicht. Wenn Moral und Kunst nicht gedeihen, treffen die Gesetze nicht.

Treffen die Gesetze nicht, so weiß das Volk nicht, wohin Hand und Fuß setzen. Darum sorge man dafür, daß man seine Begriffe unter allen Umständen Wort werden lassen kann und seine Worte unter allen Umständen zu Taten machen kann. Also dulde man nicht, daß in den Worten irgend etwas in Unordnung ist. Das ist es, worauf alles ankommt.“

Die Mär von den sich selbst verändernden Sprachen

Was antwortet jedoch Barkowski auf die kritische Zuschrift einer Sprachschützerin? „Sprachen sind lebendige, sich verändernde Systeme[,] und das war zu allen Zeiten so. Fallen Sie also nicht auf  halbwissende Populisten herein, die die Bedrohung des Deutschen an die Wand malen, um Geld damit zu verdienen.“ Damit unterliegt Barkowski mehreren Irrtümern. Ihm ist zu entgegnen:

1. Sprachen verändern sich nicht aus sich selbst heraus, sondern werden von Sprachprägern verändert.

2. Das Halbwissen betrifft diejenigen Sprachwissenschaftler, die selbst nur die Sprache beobachten, die glauben, daß dies die einzig mögliche Beschäftigung mit Sprache sei, und die verkennen, daß es Sprachpräger gibt, die die Entwicklung der Sprache beeinflussen.

3. Es sind die von uns Steuerzahlern ausgehaltenen Berufsbeschwichtiger, die mit der deutschen Sprache Geld verdienen, nicht die ehrenamtlichen Sprachschützer, die selbstlos und gemeinnützig bei Wind und Wetter für die Erhaltung der deutschen Sprache kämpfen.

Verharmlosungen und Schmähungen aus dem Goethe-Institut

Einen Beschwichtigungsartikel veröffentlichte in diesen Tagen die Netzredaktion des Goethe-Instituts. „Bei der Wortschatzarbeit können Anglizismen hilfreich sein, um Anfängern über vertraut klingende Vokabeln den Zugang zum Deutschen zu erleichtern“, preist der Verfasser des Beitrags, Christoph Brammertz, die scheinbaren Vorteile, die für Deutschlerner die Anglisierung der deutschen Sprache haben soll. Stimmt, die Wörter Mist, After, Kind, Made und Sense gibt es genauso auch im Englischen, leider mit dem Schönheitsfehler, daß sie eine etwas andere Bedeutung haben.

In seinem Netztagebuch wird der Vertreter der Goethe-Redaktion deutlicher. Er nennt meine letzte Kolumne „furchtbar“, schmäht mich als „Paul Witz“, schwafelt über einen „braunen Sumpf“ und rühmt das Stammeldeutsch unsers Pokerfreundes Florian („ich hab’ sie rieräjst, sie hat vorher nur komplietid“). Dieser unternehme einen „ehrenvollen Versuch[,] über den durch und durch von englischen Fachbegriffen bestimmten Pokersport auf Deutsch etwas zu sagen“. Offenbar habe ich einen Nerv getroffen.

Ich schwanke noch, ob ich die Wirklichkeitsverleugnung der von uns bezahlten Goethe-Menschen possierlich oder ärgerlich finden soll. Was meinen Sie? Sind solche Leute geeignet, in unserem Auftrag im Ausland für die deutsche Sprache zu werben?

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