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Studienzentrum Weikersheim, Burg Lichtenberg

Etablierte und Verschwörer

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Etablierte und Verschwörer

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„Verschwörungstheorie“ ist ein Kampfbegriff, den das wissenschaftliche oder mediale Establishment gerne den akademischen Außenseitern um die Ohren haut. Ob zu Recht oder zu Unrecht, ist eine Frage, die oft eher intuitiv beantwortet wird, denn manche Eigenschaften von Verschwörungstheorien, etwa die Immunisierung gegen Kritik durch den Verweis auf notwendige Erkenntnisbeschränkungen oder moralische und charakterliche Defizite der Kritiker, kennzeichnen auch das religiöse Denken, und andere, wie die Frontstellung gegen die „Etablierten“, sind Begleiterscheinungen jedes wissenschaftlichen Paradigmenwechsels.

Immerhin sind die großen Lager aber meistens als solche erkennbar, und auch dem Laien, der die Theorien selbst nicht überprüfen kann, ist es möglich, deren Vertreter anhand äußerlicher Kriterien in Experten oder Dilettanten einzuteilen – wenigstens sofern diese Kriterien noch Kompetenzen und nicht nur Machtverhältnisse bezeichnen.

Bei der gegenwärtigen Debatte zur Klimakatastrophe haben sich diese Fronten jedoch verwischt; alle Seiten können mit genügend Experten und wissenschaftlich fundierten Studien aufwarten, und die Reputation, die die offizielle Klimaforschung den „Klima-Leugnern“, wie die Kritiker der Vorstellung eines zivilisatorisch verursachten Klimawandels zuweilen genannt werden, voraus hat, spricht in wachsenden Teilen der Öffentlichkeit eher gegen sie: Immer weniger Menschen sind, oft aus guten Gründen, bereit, der herrschenden Meinung zu vertrauen und vermuten hinter dieser eher politische und finanzielle Interessen als eine tatsächlich solidere Faktenbasis und bessere Argumente.

Linke Idee der Machbarkeit einer besseren Welt

Hinzu kommen die archaischen und krypto-religiösen Elemente, die auf beiden Seiten im Spiel sind: Bei den „Klima-Anhängern“ die alte Phantasie, daß der Mensch das Wetter beherrschen und wenn nicht zum Guten, so wenigstens zum Schlechten wenden könne; die Skepsis gegenüber solchem Anthropozentrismus und ein „naturalistischer Fatalismus“, nach dem sich die Natur dem menschlichen Zugriff prinzipiell entzieht, bei den „Klima-Leugnern“.

Zweifellos zeichnen sich hier auch die alten politischen Gegensätze in neuen Formen ab: die linke Idee der Machbarkeit einer besseren Welt, wenn die schlechtere erst richtig analysiert und ihre Ursachen ausgemerzt worden sind, und die rechte Anschauung, daß „die Welt nicht aufgeht“ (Armin Mohler), daß sie sich nicht in Begriffe pressen läßt und daß sich Natur und Weltganzes immer entziehen.

Daher die Favorisierung unterschiedlicher Theoriemodelle – die Suche nach der ein für allemal gültigen Weltformel bzw. die skeptische Haltung, nach der Theorien bestenfalls unzureichende Begriffskrücken sind, oder schließlich gar der Ästhetizismus, der in jeder Theorie so etwas wie eine künstlerische Nachschöpfung der Welt erkennt, die ruhig sogar ihre Fehler haben darf.

Emanzipation des Menschen von der Natur

Selbst die wahrhaftigste – oder eigentlich eher „die schönste“ – Theorie hat irgendwo ihren verborgenen Fehler, und dieser ist, nach Walter Benjamin, der sich zustimmend auf Alfred Schuler bezieht, gerade der Ausweis ihrer Güte im Sinne von Echtheit und „Welthaltigkeit“: Wenn die Welt nicht aufgeht, müsse sich dies auch in den Anschauungen über sie widerspiegeln, so daß zur verhältnismäßig wahrsten Theorie immer ein Quentchen Falschheit gehöre, während eine hypothetische Theorie von vollkommener Wahrheit paradoxerweise vollkommen falsch (bzw. ein starres ideologisches Konstrukt) wäre.

Eine Verzerrung dieser Auffassung ist, nebenbei bemerkt, der Grund für das Nichtaussterben auch der abwegigsten (Verschwörungs-)Theorien, denn zur Angst vor der alles Lebendige gleichsam abtötenden und die am Ziel angelangte Menschheit zu Tode langweilenden Weltformel gehört die Suche nach geheimen Offenbarungen, die an entlegenster und abseitigster Stelle gesucht werden.

Die Heftigkeit der aktuellen Auseinandersetzungen um das Klima resultiert also nicht nur daraus, daß es „um etwas geht“ (womöglich wieder einmal um die Rettung der Welt), sondern stammt vor allem aus diesen unterschiedlichen Weltbildern und den zugrundeliegenden Hoffnungen: Der Emanzipation des Menschen von der Natur steht die Reintegration des „metaphysisch Obdachlosen“ in ein ihn doch umgreifendes Ganzes entgegen. Die totale Machbarkeit erscheint je nach Perspektive als Segen oder Fluch – oder als beides gleichzeitig, wenn der Mensch sowohl für die Klimakatastrophe verantwortlich ist als auch die Mittel zur „Rettung des Planeten“ in seinen Händen hält.

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