Eine „zentrale Herausforderung für die Menschheit heute ist ohne Zweifel der Wandel unseres Klimas“, erklärte vorige Woche Angela Merkel vor der UN-Generalversammlung. „Nie zuvor war das Einverständnis unter Wissenschaftlern so groß, die Faktenlage so eindeutig, der Handlungsbedarf so unbestritten“, so die Bundeskanzlerin weiter. „Wir brauchen bis zur Mitte des Jahrhunderts mindestens eine Halbierung der globalen Emissionen.“ Die EU habe weitreichende Zielmarken bis 2020 beschlossen: „Alle Industrieländer müssen ihre Emissionen pro Kopf drastisch verringern.“
Das heißt im Klartext: Verbraucht weniger Energie und senkt so den CO2-Ausstoß. Vor diesem Hintergrund sollte man meinen, die von der CDU-Chefin geführte Bundesregierung tue alles, um im eigenen Land mit Vorbildwirkung nach außen ihre Zielsetzung zu erreichen. In diesem Punkt gelangt man aber bei näherer Betrachtung zu seltsamen Erkenntnissen: Ein dank Spitzenleistung der deutschen Industrie besonders effizientes Energiesparinstrument stellt die Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung durch „thermische Solaranlagen“ dar.
Sie verwandeln mit einem Wirkungsgrad von achtzig bis neunzig Prozent Sonnenstrahlung in Wärme. Mit ihnen kann der Energieverbrauch im Wohnungsbereich um bis zu 20 Prozent gesenkt werden. Darin liegt ein enormes Potential, um den CO2-Ausstoß zu vermindern und unser Land gleichzeitig von ausländischen Energieträgern wie Öl, Gas, Kohle oder Kernenergie unabhängiger zu machen. Wohl keine Einrichtung der vielgepriesenen „erneuerbaren Energien“ hat einen so hohen Wirkungsgrad wie thermische Solaranlagen.
Der höchste Anteil am Endenergieverbrauch in Deutschland entfällt laut der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (AGEB) seit 2005 auch nicht mehr auf die Industrie (26,8 Prozent), Handel/Dienstleistung (15,7 Prozent) oder den Verkehr (28,7 Prozent), sondern auf die privaten Haushalte (28,8 Prozent). Kein Wunder: 90 Prozent der Heizungsanlagen sind veraltet, sie arbeiten verschwenderisch. Die Sonnennutzung durch thermische Solaranlagen unterbleibt. Der vermeidbare Schaden ist enorm: Sieger im Wettbewerb wird angesichts steigender Energiepreise langfristig dasjenige Industrieland sein, das am wenigsten Energie verbraucht.
Doch thermische Solaranlagen haben einen Nachteil: Vor allem bei Kreditfinanzierung rechnen sie sich (noch) nicht. Der Investor muß „Umweltidealismus“ mitbringen. Wer investiert verfolgt also nicht nur private, sondern auch öffentliche Interessen: Er verhält sich „gemeinnützig“, er liefert externe Erträge. Der Staat muß solche Anlagen fördern, weil sie sonst nicht gebaut werden. „Optisch“ geschieht das auch. In den Richtlinien der Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) heißt es, die Bürger bedürften eines „Anreizes“, um solche Technologien zu nutzen.
In dauernd wechselnder Höhe zahlt die BAFA Zuschüsse zwischen 135 und 40 Euro pro Quadratmeter Kollektorfläche. Anfang 2007 senkte sie den Zuschuß für Warmwasserbereitung auf 40 Euro ab und erhöhte diesen ab August 2007 auf 60 Euro. Bei Heizungsunterstützung sind die Zuschüsse etwas höher. Doch die Investoren bezahlen diesen „Zuschuß“ eigentlich selbst. Der Staat verdient an solchen, aus dem versteuerten Einkommen finanzierten Umweltinvestitionen der Bürger – Haushaltsmittel werden nicht benötigt. Die BAFA ist so kein Instrument zur Förderung des Umweltschutzes, sondern zur Erzielung höherer Staatseinnahmen.
Nachfrage nach Solaranlagen eingebrochen
Seit Januar 2007 bestehen 19 Prozent der Investitionskosten für Solaranlagen aus Umsatzsteuer. Diese flösse dem Staat nicht zu, wenn die Bürger nicht in Solaranlagen investierten. Ohne staatlichen „Anreiz“ tun sie das nach eigener Auffassung des Staates nicht. Eine einfache Solaranlage für Warmwasser kostet bei fünf Quadratmetern Fläche rund 5.000 Euro. Die „Förderung“ beträgt zur Zeit 5 mal 60 Euro, also 300 Euro. Die durch die gleiche Investition ausgelöste Umsatzsteuer ist in dem Beispiel mit 950 Euro mehr als dreimal so hoch wie der „Zuschuß“. Die Differenz zugunsten des Staates beträgt 650 Euro. Durch die Umsatzsteuererhöhung in diesem Jahr um drei Prozentpunkte wurde der gleichzeitig auf 40 Euro abgesenkte Zuschuß fast egalisiert, die „Förderung“ war nur noch „Optik“. Die gleiche private Investition löst sowohl 19 Prozent Umsatzsteuer als auch einen aus ebendieser Umsatzsteuer refinanzierten viel kleineren „Zuschuß“ aus. Dieser ist nur ein Köder zur Erzielung von Steuereinnahmen.
Es ist kein Wunder, daß die Nachfrage nach Solaranlagen seither eingebrochen ist. Den Staat kostet die „Zuschußverwaltung“ der BAFA nichts. Er steigert seine Steuereinnahmen durch Investitionen, welche die Bürger im öffentlichen Interesse tätigen. Bei einem ab 2008 geplanten „Anreizprogramm“ von 350 Millionen Euro wird der Staat mit diesem hinterhältigen Mechanismus einen Überschuß von rund 700 Millionen Euro erzielen. Der Widersinn wird auch daran deutlich, daß sonst Ausgaben für gemeinnützige Zwecke steuerlich abgesetzt werden können.
Der Staat müßte daher Projekte dieser Art unmittelbar oder durch Zuschüsse umsatzsteuerfrei stellen. Entgegen dem ersten Anschein würde dadurch der Bundeshaushalt nicht belastet: Ihm „entgeht“ keine Umsatzsteuer, da ohne die „anzureizenden“ Investitionsentschlüsse der Bürger eine solche auch nicht anfiele. Im Normalfall des privaten Endverbrauchers ist selbst bei Wegfall der Umsatzsteuer eine Förderung von thermischen Solaranlagen für den Staat aufkommensneutral. Die Bundesregierung sollte aber darüber nachdenken, den Zuschuß sogar höher als den Umsatzsteuersatz zu gestalten oder solche Investitionen in gewissem Umfang als „gemeinnützig“ anerkennen. Immerhin verdient der Staat auch noch Einkommensteuer der Industrie und Handwerker aus den „geförderten“ Umsätzen.
Falls die Regierung durch Eliminierung der Umsatzsteuerwirkungen die Investitionskosten um mindestens 19 Prozent senkt, dürften sich die Dächer in Deutschland sichtbar mit Solaranlagen füllen. Die deutsche Energie- und Klimapolitik wäre Vorbild für andere Länder.
Die Methode, aus den Umweltinvestitionen der Bürger auch noch eine Erhöhung der Staatseinnahmen herauszuholen, ist nicht nur gescheitert, sondern macht die Umweltpolitik unglaubwürdig. „Zuschüsse“ als Köder auszuwerfen, um Steuerzahlungen der Bürger in dreifacher Höhe einzufahren, ist unanständig.
Die BAFA-Informationen zur Solarförderung im Internet