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Der Sumpf ruft: Zurück ins Moor – mit CO₂-Zertifikat und Nato-Segen

Der Sumpf ruft: Zurück ins Moor – mit CO₂-Zertifikat und Nato-Segen

Der Sumpf ruft: Zurück ins Moor – mit CO₂-Zertifikat und Nato-Segen

Ein Moor im Emsland: Verteidigung gegen Iwan? Foto: IMAGO / imagebroker
Ein Moor im Emsland: Verteidigung gegen Iwan? Foto: IMAGO / imagebroker
Ein Moor im Emsland: Verteidigung gegen Iwan? Foto: IMAGO / imagebroker
Der Sumpf ruft
 

Zurück ins Moor – mit CO₂-Zertifikat und Nato-Segen

Moorflächen sollen künftig nicht nur Treibhausgase binden, sondern auch Panzer stoppen. Ein grüner Plan wird zur sicherheitspolitischen Strategie – mit fragwürdigen Folgen.
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Moore sind ein Biotop für seltene Flora und Fauna. In den Feuchtgebieten finden sich fleischfressende Pflanzen wie der Sonnentau, Schlangen und die Sumpfschnepfe. Die nach der Eiszeit durch abschmelzende Gletscher entstandenen staunassen Flächen bedeckten einst weite Flächen Deutschlands, bis der Mensch begann, die Sümpfe durch Trockenlegung urbar zu machen. Die so gewonnenen Böden dienen seitdem der Land- und Forstwirtschaft. In den Nachkriegszeiten des Ersten und Zweiten Weltkrieges wurde in trockengelegten Mooren Torf gestochen, weil der Sedimentboden als preiswertes Heizmaterial benötigt wurde.

„Schaurig ist’s, übers Moor zu gehen“, schrieb Annette von Droste-Hülshoff 1842. Heute sind viele Moore durch Bohlenwege für Erholungsucher zugänglich, die ein besonderes Naturerlebnis genießen. Größere Moore bestehen heute noch vor allem im nordwestdeutschen Tiefland, etwa der Naturpark Dümmer und das Hohe Venn. In Mecklenburg-Vorpommern ist das Peenetal – „der deutsche Amazonas“ – die Heimat von Bibern und Fischottern. Auch in Süddeutschland existieren ökologisch bedeutsame Torfböden wie das Wurzacher Ried bei Ravensburg oder das Murnauer Moos von immerhin über 30 Quadratkilometern am Rand der Bayerischen Alpen.

Insgesamt soll die Moorfläche über eine Million Hektar betragen, was rund 3,5 Prozent der Bundesfläche entspräche. Die Angaben dazu schwanken allerdings. Und nach dem Willen von Klima- und Naturschützern reicht das längst nicht aus. Durch Wiedervernässung sollen trockengelegte Moore der Landwirtschaft entzogen und wieder der Natur überlassen werden. Das Argument: Moore sind wichtig für den „Klimaschutz“, weil sie Treibhausgase binden, vor allem das berüchtigte CO₂.

Moore gegen Emissionen – und Bauern

Um angeblich den Wandel des Erdklimas aufzuhalten, sollen Bauern in Deutschland ihre Äcker hergeben und in Sümpfe verwandeln – das ist in etwa die Forderung von Umweltverbänden wie BUND und Nabu, der sich die Landesämter für Umwelt der Bundesländer anschließen. Das sorgt für Konflikte und Kritik. Während niemand bestreitet, daß Überschwemmungswiesen und Auenlandschaften eine wichtige Rolle beim Hochwasserschutz spielen, ist die Relevanz von deutschen Mooren als Klimaretter zumindest umstritten. Der Verlust von Agarflächen würde den Import von Lebensmitteln steigern, die sicher nicht mit dem Lastenrad eingeführt werden, was einen Strich durch die CO₂-Rechnung der Moore macht. Entschädigungen, Planungsverfahren und Realisierungskosten belasten zudem die Haushalte der betreffenden Regionen.

Laut Umweltbundesamt (UBA) emittieren die trockengelegten deutschen Moorböden jährlich 53 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente, das seien 7,5 Prozent der Treibhausgasemissionen. „Nur wenn wir unsere Moorböden anders nutzen, können wir unsere Klimaschutzziele erreichen“, erklärte UBA-Präsident Dirk Mess­ner. „Wichtig ist, daß wir die Paludikultur, bei der wir Moore wieder verstärkt vernässen, und so Klimagase vermeiden, viel stärker in der Fläche nutzen.“

Da auf den Moorflächen weder Kartoffeln noch Getreide angebaut werden können und eine Weidehaltung mit Kühen unmöglich ist, schlägt das UBA die Subventionierung der Paludikultur vor: Auf den vernäßten Flächen könnten Schilf, Rohrkolben und Seggen angebaut werden, aus deren Biomasse sich Dämm- und andere Baustoffe herstellen ließen. Schwarzerlen könnten kultiviert und forstwirtschaftlich genutzt werden. Auch für eine Beweidung mit Wasserbüffeln eigneten sich die wiedervernäßten Moorflächen.

Fällt er in den Sumpf, macht der Iwan ‘plumps’

Um die Akzeptanz der Rückversumpfung zu erhöhen, haben sich die Umweltverbände nun auf eine neue Argumentation verlegt: Moore halten im Kriegsfall den Feind auf! So nach dem Kinderlied-Motto: „… fällt er in den Sumpf, macht der Iwan ‘plumps’.“ Schon seit der Schlacht im Teutoburger Wald scheiterten militärische Verbände an unpassierbaren Landschaften, beziehungsweise vermochten Strategen widrige Bodenverhältnisse als natürlichen Verbündeten zu nutzen. Napoleon und die Wehrmacht konnten in Rußland ein Lied davon singen und in den Schlammperioden versanken nicht nur Panzer im Morast der ukrainischen „Rasputiza“ („Zeit der Wegelosigkeit“).

Vor drei Jahren scheiterte die schnelle Einnahme Kiews auch an der spontanen Flutung eines renaturierten Feuchtgebietes im Norden der ukrainischen Hauptstadt. Dieses Szenario brachte Umweltwissenschaftler, die sich sonst mit Klimafragen beschäftigen, auf eine neue Idee: Die fragmentierten Moorlandschaften sollen zu einem strategischen Verteidigungsgürtel verbunden werden, der für schweres Militärgerät unbefahrbar ist. Von Deutschland, Polen und dem Baltikum bis zur finnischen Grenze sollen zusammenhängende Feuchtgebiete eine natürliche Barriere gegen Rußland bilden.

Forscher des Greifswalder Moorzentrums, die Deutsche Bundesstiftung Umwelt sowie die Firma Aeco des Privatunternehmers Malte Schneider sind sich mit weiteren Lobbyisten einig: Die Versumpfung soll in die Nato-Strategie implementiert werden. Die Wiedervernässung stünde dann im politischen Rang eines nationalen Interesses.

Schneider versucht bereits, Kapital zu generieren. Der Aufwand wäre allerdings immens: Pumpwerke, Schleusen, gewaltige Erdarbeiten – das erfordert ein Milliardenbudget. Wer soll das bezahlen? Die EU könne Zertifikate ausgeben, die sie selbst aus Steuermitteln ankauft, schlagen die Moor-Experten vor. Moor-Erzeugnisse wie Biomasse, Röhricht oder Pflanz-Substrat ließen sich zusätzlich privatwirtschaftlich vermarkten, heißt es. Das schaffe Arbeitsplätze im Moor-Management.

Kampfzone Klimasumpf

Wie ein Moor gegen Drohnen und Raketen schützt oder ob die Feuchtbiotope auch bei Frost T-90-Panzer aufhalten, wird dagegen nicht gesagt. Luftkissenfahrzeuge? Luftlandetruppen? Darauf geht das Konzept nicht ein. Auch welche ungeplanten Effekte das Projekt haben könnte – etwa neue Malaria-Gebiete –, ist ungewiß. Applaus kommt unterdessen von Klaus Wittmann, heute Lehrbeauftragter für Zeitgeschichte an der Uni Potsdam. Der Brigadegeneral a.D. hat allerdings im Verteidigungsministerium und in Brüssel viel dafür getan, daß die Bundeswehr heute das ist, was sie ist.

Wenig begeistert ist die CDU-Landtagsfraktion von Mecklenburg-Vorpommern. Dort soll der landwirtschaftlich genutzte „Polder Bauernhand“ von hundert Hektar wiedervernäßt werden. Die Partei wirft den Naturschützern vor, die „wachsende sicherheitspolitische Unsicherheit“ zu instrumentalisieren, um eine grüne Agenda durchzusetzen. „Umetikettierte Moorprojekte“ zur „Vereinnahmung der Verteidigung“ dienten nicht der Sicherheit und beschädigten die Glaubwürdigkeit des Naturschutzes, so die Landespolitiker. Wie begeistert man in den übrigen projektierten Ländern ist, wurde bisher nicht erfragt. Notfalls soll die umstrittene EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (2024/1991/Nature Restoration Law) als juristischer Hebel genutzt werden. Falls der Russe unsere Moore dann doch überwindet, sind wir jedenfalls CO₂-neutral!

Aus der JF-Ausgabe 32+33/25.

Ein Moor im Emsland: Verteidigung gegen Iwan? Foto: IMAGO / imagebroker
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