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Freudenstadt im April 1945: Tage ohne Gott

Freudenstadt im April 1945: Tage ohne Gott

Freudenstadt im April 1945: Tage ohne Gott

Freudenstadt
Freudenstadt
Freudenstadt im Schwarzwald in den dreißiger Jahren Foto: imago images / United Archives
Freudenstadt im April 1945
 

Tage ohne Gott

Französische Soldaten veranstalteten im April 1945 im badischen Freudenstadt eine regelrechte Mord- und Vergewaltigungsorgie. Hunderte Frauen wurden geschändet, es wurde geplündert, gebrandschatzt und getötet. Doch ein echtes Aufklärungsinteresse besteht im Hinblick auf diese Kriegsverbrechen bis heute nicht.
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Der Eintrag „Freudenstadt“ in der französischen Fassung von Wikipedia ist knapp. Immerhin wird die Besetzung des Ortes durch Kolonialtruppen der 4. Marokkanischen Gebirgsdivision am 16. April 1945 erwähnt, gefolgt von einem summarischen Hinweis auf die Zerstörung der Stadt und zahlreiche Ausschreitungen gegen die Zivilbevölkerung.

Bemerkenswert ist im Grunde nur der Hinweis, daß man diese „schrecklichen Tage“ als „Tage ohne Gott“ bezeichnete. Die Formulierung kommt auch in der Selbstrechtfertigung der Soldaten vor, die an den Greueltaten beteiligt waren. Sie gehörten zur 1. Französischen Armee unter dem Kommando von General de Lattre de Tassigny, die seit dem März des Jahres über das Saarland weiter nach Osten vordrang. Im Wesentlichen handelte es sich um drei Infanteriedivisionen und eine Panzerdivision, etwa 130.000 Mann. Den Kern der Truppen bildeten Einheiten, die in den Kolonialgebieten rekrutiert worden waren, hinzu traten noch Verbände der Forces françaises de l’intérieur, die man aus Partisanen gebildet hatte.

Freudenstadt war geräumt von deutschen Truppen

Am 15. April 1945 erreichten die Franzosen Freudenstadt, einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt im Badischen. Von dort sollten sie weiter auf Stuttgart und den Oberrhein vorrücken. Obwohl der Ort mit Verwundeten überfüllt war und obwohl der Kommandeur der deutschen Truppen in der Umgebung, General Konrad von Alberti, vorschriftswidrig einen offenen Funkspruch absetzen ließ, in dem der Feind darauf hingewiesen wurde, daß Freudenstadt von Kampfverbänden geräumt sei, begann eine sechzehnstündige Beschießung.

Dabei kamen auch Brandgranaten zum Einsatz, so daß etwa 95 Prozent der historischen Altstadt zerstört wurden. Amerikanische Bombardements hatten zuvor die Wasserleitungen beschädigt, und Feuerwehrwagen fielen durch Artilleriebeschuß aus. An Löschen war kaum zu denken. Erst am 17. April konnte die Stadt übergeben werden.

Gerechtfertigt wurde die Vernichtung der Stadt von französischer Seite damit, daß man auf heftige Verteidigung gefaßt gewesen sei. Allerdings hatte nur ein Dutzend Waffen-SS-Soldaten oder Werwölfe vor der Stadt kurz eine Stellung gehalten. Im übrigen widersprechen der Behauptung nicht nur Dauer und Heftigkeit des Beschusses – bei fehlender Gegenwehr –, sondern auch der Fortgang der Dinge.

„Schlimme Tage kamen jetzt“

In den Tagebuchaufzeichnungen eines katholischen Geistlichen hieß es über die Lage nach der Okkupation: „Die vertierte Soldateska stürzte sich in die Häuser, die noch standen, oder zerstört waren, aber noch nicht brannten, zerschlugen alles, was sie nicht brauchten, und steckten viele Häuser in Brand, die noch nicht durch die Brandgranaten Feuer gefangen hatten. Ganze Straßenzüge wurden angezündet. Schlimme Tage kamen jetzt. Nichts war mehr sicher, kein Mensch und kein Eigentum mehr.“

Tatsächlich bestimmten die „Tage ohne Gott“ nicht nur Überfälle, Morde und zahlreiche Plünderungsakte, sondern vor allem die brutalen Übergriffe auf Frauen und Mädchen. Man nimmt an, daß es in Freudenstadt etwa 500 bis 600 Vergewaltigungen gab. In dem Film „BeFreier und Befreite“ (Helke Sander/ Barbara Johr, 1992) kam die Ärztin Renate Lutz zu Wort, die schilderte, daß eine ihrer Patientinnen 128mal mißbraucht worden sei.

Man hat immer wieder behauptet, daß die Ausschreitungen übertrieben würden oder daß man sie auf ein verständliches Rachebedürfnis zurückführen könne. Dagegen spricht aber schon die Tatsache, daß der Begriff maroquinade (von maroquin für „marokkanisch“) am Ende des Zweiten Weltkriegs als Synonym für derartige Massenvergewaltigungen durch französische Truppen stand, denen auch italienische Frauen – also eigentlich Angehörige einer verbündeten Nation – zum Opfer gefallen waren.

In einem Bericht für den amerikanischen Geheimdienst OSS aus dem Frühsommer 1945 hieß es über die französische Besetzung des deutschen Südwestens: „Vielfach wird angenommen oder aus Ereignissen geschlossen, daß für die ersten 48 Stunden eine besondere Erlaubnis zum Plündern und Vergewaltigen gegeben wurde.“ Im Falle Freudenstadts sollen die französischen Offiziere ihren Männern drei „Freinächte“ im Fall der Eroberung versprochen haben.

Irritationen im US-Senat über französische Übergriffe

Eine Annahme, für deren Richtigkeit nicht nur das Ausbleiben von Strafmaßnahmen spricht, sondern auch der Hinweis des Historikers Jean-Christophe Notin („Les vaincus seront les vainqueurs“, 2004), der in seiner Untersuchung zur französischen Besatzungspolitik darauf hinwies, daß man Kolonialtruppen beim Anlanden in Marseille erklärt habe, daß die französischen Frauen tabu seien, sie sich aber im feindlichen Deutschland schadlos halten dürften.

Bereits unmittelbar nach Kriegsende kam es im US-Senat zu einer Aussprache über die „Massenvergewaltigungen deutscher Frauen“, bei der der Vertreter West-Virginias die Feststellung traf: „Nach den Informationen, die ich erhalten habe, besteht für mich kein Zweifel, daß hohe militärische Autoritäten eine Stellungnahme im Hinblick auf die Vergewaltigung deutscher Frauen durch farbige französische Kolonialsoldaten getroffen haben; und die Zahl, die ich hörte, besagte, daß 5.000 Frauen vergewaltigt wurden.“

Die Überprüfung solcher Angaben ist heute praktisch unmöglich. Zwar hat es in der jüngsten Zeit Untersuchungen gegeben, die auf die Vergewaltigungen deutscher Frauen nicht nur durch sowjetische, sondern auch durch US-amerikanische und französische Soldaten hinwiesen; die britischen Truppen bildeten wie auch im Hinblick auf die Besatzungspraxis eine rühmliche Ausnahme. Aber ein echtes Aufklärungsinteresse besteht im Hinblick auf solche Kriegsverbrechen nicht. Anders ist kaum zu erklären, daß die neuen Initiativen, den 8. Mai zum „Tag der Befreiung“ umzudeuten, nirgends auf Widerstand treffen.

JF 16/20

Freudenstadt im Schwarzwald in den dreißiger Jahren Foto: imago images / United Archives
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