Das Bild des Ersten Weltkriegs an der Westfront ist geprägt vom Stellungskrieg. Von der Nordseeküste bis zur Schweizer Grenze: Von Granaten zerpflügte Landschaften, durchzogen von einem endlosen System aus Schützengräben und Unterständen, in denen sich die Armeen gegenüberliegen. Doch in den ersten zwei Kriegsmonaten war die Front im Westen in Bewegung. Mit dem sogenannten Wettlauf zum Meer begann am 13. September 1914 die letzte Phase des Bewegungskrieges zwischen Briten, Franzosen, Belgiern und dem Deutschen Reich.
Nachdem der deutsche Vormarsch auf Paris durch die Marneschlacht, die vom 5. bis zum 12. September getobt hatte, gestoppt war, drohte sich die deutsche Offensive festzurennen. Der Schlieffen-Plan, der vorsah mit einem schnellen Vorstoß durch Belgien Frankreich in wenigen Wochen niederzuwerfen, war gescheitert. Der deutsche Generalstabschef Erich von Falkenhayn suchte in dieser Situation nach einer Möglichkeit, wieder die Initiative zu gewinnen. Er und sein Gegner, der Befehlshaber der französischen Armee, Joseph Joffre, erkannte, daß nur noch im Raum bis zur Nordsee die Möglichkeit für erfolgreiche Offensivaktionen bestand. Auf dem Kriegsschauplatz standen sich 85,5 alliierte Divisionen 85 deutschen Divisionen gegenüber.
Beide Militärs verfolgten den Plan, die gegnerischen Truppen an der Flanke zu umfassen und so die Front aufzurollen. Als erster versuchte Falkenhayn dies in die Tat umzusetzen. Doch die Franzosen erkannten die deutschen Truppenverlegungen nach Norden und reagierten. In den folgenden Wochen bewegten sich die Einheiten nahezu parallel Richtung Nordsee, wobei es immer wieder zu Gefechten kam. Im Zuge dessen nahmen die Truppen des deutschen Kaisers Lille ein.
Falkenhayn fand kein Gehör
Nach der Eroberung Antwerpens setzte Falkenhayn am 16. Oktober bei Niewpoort an der Küste zum letzten Versuch an, den Feind doch noch zu umklammern. Aber die Offensive blieb stecken. Damit endete der „Wettlauf zum Meer“ mit einem Unentschieden. Dem Bündnis aus Franzosen, Briten und Belgiern war es gelungen, die Front zu stabilisieren. Das Deutsche Reich hatte zwar wirtschaftlich wertvolle Gebiete unter seine Kontrolle gebracht, doch nur unter hohen Verlusten. Die Hoffnung auf einen schnellen Sieg im Westen damit gestorben.
Die am 20. Oktober beginnende Erste Flandernschlacht markierte die Zeit des Grabenkrieges, in dem Hunderttausende Soldaten für geringe Geländegewinne starben, die beim nächsten Gegenangriff wieder verloren gingen. So sollte es bis zum beginnenden Zusammenbruch der deutschen Linien am „schwarzen Tag des deutschen Heeres“, am 8. August 1918, keine entscheidenden Geländegewinne mehr an der Westfront geben.
Falkenhayn erkannte schon im Herbst 1914, daß ein militärischer Sieg im Westen nicht mehr möglich war. Doch sein Memorandum vom 18. November 1914, in dem er für einen Verhandlungsfrieden plädierte, fand bei der politischen Führung kein Gehör.