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Sturm auf Stasi-Zentrale: Eine Initiative in eigener Sache

Sturm auf Stasi-Zentrale: Eine Initiative in eigener Sache

Sturm auf Stasi-Zentrale: Eine Initiative in eigener Sache

Sturm auf Stasi-Zentrale
 

Eine Initiative in eigener Sache

Vor zwanzig Jahren stürmten Demonstranten die Ost-Berliner Stasi-Zentrale. Anders als bei denBesetzungen der Bezirkseinrichtungen dominierte hier das Chaos.
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Daß in Deutschland im Gegensatz zu vielen ehemaligen Ostblockstaaten die Akten des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes (MfS) größtenteils erhalten erblieben sind, gilt als Vorteil für die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur.

Die Grundlage dafür wurde mit der Besetzung der Bezirks- und Kreisdienststellen des MfS zwischen Anfang Dezember 1989 bis Mitte Januar 1990 durch engagierte Bürger gelegt. Auf diese Weise konnte der überwiegende Teil des umfangreichen Akten-, Bild-, Tonband- sowie Videomaterials vor der Vernichtung bewahrt werden.

Dieser Vorgang verlief an nahezu allen Orten friedlich und oft ohne jeglichen Widerstand. Nur in Ausnahmefällen kam es zu kleineren Handgreiflichkeiten. Dies ist vor allem deshalb bemerkenswert, da zu diesem Zeitpunkt die Einrichtungen des MfS häufig noch über einen großen Waffenbestand verfügten.

Die Stasi mußte von der SED schließlich geopfert werden

So fordert der Ablauf der Aktensicherung geradezu zur Frage nach den genaueren Hintergründen heraus. Daher wurde bereits vor einem Jahr vom Landesbeauftragten für die Unterlagen des ehemaligen MfS von Berlin-Brandenburg, Martin Gutzeit, ein neues Forschungsprojekt eingerichtet, welches der Historiker Jens Schöne leitet. Ein Zwischenergebnis seiner Arbeit stellte Schöne Ende 2009 bei einer Veranstaltung in der Berliner Stadt- und Landesbibliothek vor.

Dabei geht Schöne von der These aus, daß die SED bei diesen Vorgängen ihre Hand im Spiel hatte und das Geschehen wesentlich nach den eigenen Vorstellungen gelenkt habe. Spätestens nachdem Helmut Kohl am 28. November 1989 sein Zehn-Punkte-Programm zur Wiedervereinigung öffentlich vorstellte, sei für den reformbereiten Flügel innerhalb der einstigen Staatspartei klar gewesen, daß nur durch einige rasche Veränderungen ihr Überleben gesichert werden könne.

So wurde Anfang Dezember der ehemalige SED-Vorsitzende Honecker medienwirksam aus der Partei ausgeschlossen. Hans Modrow und der eloquente Gregor Gysi wurden als „neue Männer in der ersten Reihe der Partei“ der Öffentlichkeit präsentiert.  

Neuanfang unmöglich

Ebenso unternahm auch das Mitte November in „Amt für Nationale Sicherheit“ umbenannte MfS eine förmliche „Charme-Offensive“, so Schöne. Um sich eine Rechtfertigung für die weitere Existenz zu verschaffen, stilisierte sich die Behörde selbst zu einer Institution, welche die „größte Errungenschaft der DDR verteidigen“ wollte – den Antifaschismus. Zu diesem Zweck wurden Bedrohungsszenarien über mögliche Folgen des wachsenden Einflusses des Westens durch die offenen Grenzen entworfen. „Man versuchte den Bürgern den Eindruck zu vermitteln, daß eine Übernahme der DDR durch Rechtsextremisten unmittelbar bevorstehe“, so Schöne. >>

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Doch Modrow und Gysi sei inzwischen bewußt gewesen, daß das MfS als Institution viel zu stark durch seine Vergangenheit belastet war. Zu laut waren die Rufe der Bürger nach Abschaffung der Behörde, ein Neuanfang daher unmöglich. Daher habe sich in der Partei schnell die Auffassung durchgesetzt, daß es sinnvoll sei, das ehemalige MfS zu „opfern“, um sich auf diese Weise im Gegenzug von einem großen Teil der eigenen Verantwortung zu befreien.

Auf dieser Grundlage sei es dann wahrscheinlich, daß die bereits vor zwei Jahren vom ehemaligen Dresdener Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer geäußerte Behauptung, die Vorbereitungen zur Besetzungen der MfS-Zentralen seien bereits am 3. Dezember 1989 durch Modrow gesteuert worden, der Wahrheit entspreche. Denn tatsächlich müssen die entscheidenden Weichen für das Geschehen am 4. Dezember tags zuvor gestellt worden sein, so Schöne. So wurde bereits am Morgen die Forderung des Neuen Forums nach einem „Ende der Aktenvernichtung“ in den MfS-Zentralen und deren Kontrolle durch die Bürgerrechtler auch in vielen bis dahin staatskonformen Medien verbreitet.  

DDR-Oppositionelle wurden sogar direkt aufgefordert

Für eine gezielte Inszenierung durch die SED spreche zudem das Verhalten der Bezirksstaatsanwälte, so Schöne. Diese seien in der Diktatur stets ein besonders treues Werkzeug der Staatspartei gewesen. Nun stellten sich diese Anwälte jedoch bei der Besetzung der MfS-Zentralen und der Sicherung des Materials der Opposition zur Verfügung. Viele DDR-Oppositionelle wurden sogar unmittelbar aus den Anwaltsbüros angerufen, um sich aktiv am Geschehen beteiligen zu können, obwohl zuvor kein persönlicher Kontakt bestanden habe.

Doch nicht alle ehemaligen Bürgerrechtler können heute diese vorläufigen Ergebnisse des Forschungsprojekts bestätigen. So weist der damals in Halle lebende DDR-Oppositionelle Frank Eigenfeld darauf hin, daß die Abläufe am 4. Dezember aus seiner Sicht längst „nicht so übereinstimmen“, wie dies „auf den ersten Blick“ erscheine. Auch in der Rückschau ließen sich keine stichhaltigen Indizien dafür finden, daß es sich um ein manipuliertes Geschehen gehandelt habe.

So seien zumindest die bei der Besetzung der MfS-Verwaltung in Halle angetroffenen Mitarbeiter des MfS „ganz und gar nicht eingeweiht“ gewesen, sondern hätten sich offensichtlich „von ihren einstigen Auftraggebern verlassen“ und „hilflos“ gefühlt, so Eigenfeld. Diese Auffassung bestätigt auch der Leipziger Bürgerrechtler Tobias Hollitzer. Selbst unter den damaligen Umständen wäre das MfS von der SED niemals komplett geopfert worden.

JF 3/10

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