Die ideologisch bedingte Einseitigkeit und Realitätsentwöhnung, die die ARD-Sendung „Kontraste“ vom 9. April der Bundeswehr zumutet, treibt immer abenteuerlichere Blüten. So schob man die Traditionsgemeinschaft ehemaliger Pioniere, darunter Panzervernichtungstrupps der Wehrmacht, ins politische Abseits, weil dazu nicht nur Ritterkreuzträger, sondern auch der eine oder andere Angehörige der Waffen-SS gehörten.
Nun dienten in solchen an vorderster Front kämpfenden Truppen sicher keine hohen Generale oder SS-Führer, denen man möglicherweise eine Mitschuld am NS-Regime oder am Kriege vorwerfen könnte, sondern Mannschafts- und höchstenfalls Kompanieoffiziersdienstgrade, denen man solches schon aus Altersgründen nicht anlasten kann. Jedenfalls trat deswegen der Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung aus dieser Gemeinschaft aus, deren Mitglied er als ehemaliger Flußpionier der Bundeswehr war. Daß ein Minister sich nicht um die Einzelheiten solcher Vereinigungen kümmern kann, leuchtet ein. Aber zumindest hätten sich seine Berater rechtzeitig damit befassen sollen.
Bei nicht allzu großem Bemühen wären sie auf das Buch „Kampfkraft“ des bekannten israelischen Militärhistorikers Martin van Creveld gestoßen, der bei aller berechtigten Kritik am strategischen Führungsdefizit der Wehrmacht deren taktische Fähigkeiten und Leistungen, vor allem die große Kampfkraft der durch Kameradschaft und inneren Zusammenhalt geprägten kleinen Gruppe als heute noch beispielhaft hervorhebt und für die Taktik anderer Armeen nachahmenswert hält. Das Buch wurde übrigens vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr als Band 31 der Einzelschriften zur Militärgeschichte bereits 1996 in dritter Auflage herausgegeben.
Am 30. April schlug „Kontraste“ erneut zu. Es ging um den Artikel eines ehemaligen Angehörigen des Eliteverbands der Wehrmacht, der Division Brandenburg, in dem vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr herausgegebenen Wegweiser zur Geschichte Afghanistans. Bemängelt wurde, daß es einem solchen Mann, der das Land vom Zweiten Weltkrieg her kannte, gestattet war, an einer Publikation der Bundeswehr, und sei sie noch so sachlich, mitzuwirken. Hier scheint jemand ohne größere Fachkenntnis das öffentlich-rechtliche Fernsehen zur Kühlung seines Mütchens an der Bundeswehr zu mißbrauchen.
Dr. Horst Boog war leitender wissenschaftlicher Direktor des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) in Freiburg und arbeitete an der MGFA-Reihe über den Zweiten Weltkrieg.