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Ein Tschekist mit Trendsetter-Qualitäten

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Weißmann, Reich, Republik, Nachkriegsrechte

Die letzte Begegnung mit dem langjährigen Vizechef des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), Markus Wolf, fand vor drei Jahren auf einer Pressekonferenz in Berlin-Lichtenberg statt. Wolf stellte damals dort mit ehemaligen MfS-Kollegen eine neue Rehabilitationsschrift vor. Hauptverantwortliche des staatlichen Repressionsapparates der DDR behaupteten darin, ihr fragwürdiges Handwerk nur aus Altruismus sowie um des Friedens in Europa willen ausgeübt zu haben. Als der Autor dieses Beitrags fragte, ob angesichts zahlreicher Belege der Spionagegeschichte nicht vielmehr doch monetäre Überlegungen insbesondere für West-Agenten einen wesentlichen Anreiz darstellten, protestierten die MfS-Kader energisch gegen eine solche Unterstellung. Einzig und allein ein Herr mit Igelschnitt, Brille und stechendem Blick griff schließlich mit einem leichten Schmunzeln ein: Neben allem Idealismus dürfe man nicht übersehen, so Wolf, daß die gezahlten Gelder an die Agenten eine „durchaus motivierende Rolle“ gespielt hätten. Wolfs Reaktion war keineswegs verblüffend: Er hatte es im Gegensatz zu großen Teilen der DDR-Nomenklatura nie nötig, starr an einzelnen Dogmen von Partei und MfS festzuhalten, soweit sich diese durch Fakten widerlegen ließen. Doch irgendein Zweifel am Grundsätzlichen, am „inneren Kern“ der Lehre, kam für Wolf als Prototyp eines kommunistischen Technokraten nie in Frage. Markus Wolf wurde 1923 in Hechingen als Sohn des Naturarztes Friedrich Wolf geboren. Die Familie emigrierte 1933 zunächst in die Schweiz und ab 1934 in die Sowjetunion. Hier wurde Wolf im Alter von 19 Jahren Mitglied der Exil-KP und besuchte die Schule der Kommunistischen Internationale. Dort lernte er nicht nur, der Partei unter allen Umständen treu zu dienen, sondern zugleich auch die Grundlagen des „tschekistischen Handwerks“. Bereits wenige Jahre nach der Rückkehr nach Deutschland als Mitglied der „Gruppe Ulbricht“ stieg Wolf zum Leiter der Hauptverwaltung XV auf, dem außenpolitischen Nachrichtendienst der DDR, der 1956 in Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) umbenannt und dem MfS unterstellt wurde. Die zentrale Aufgabe der HVA war es, Spione in westlichen Führungszentren – insbesondere in der Bundesrepublik – geschickt zu plazieren und anschließend als ergiebige Quellen zu nutzen. Wolf führte bis zu 4.000 Auslandsagenten. Nachdem Erich Mielke 1956 zum Minister für Staatsicherheit aufstieg, wurde Wolf sein Stellvertreter. In der Art und Weise, wie sie diese Tätigkeit ausübten, unterschieden sich beide indes erheblich. Während Mielke sich schwertat, seinen mangelnden Intellekt und fehlenden Witz zu verbergen, agierte Wolf selbstbewußt, charmant und professionell, im Stile eines guten Schachspielers eiskalt die gegnerischen Züge berechnend und danach dann bedenkenlos handelnd. Lange Zeit wurde vom Westen seine Führungsrolle beim MfS wenig beachtet oder stark unterschätzt, erst nach der Enttarnung seines Top-Mannes, Günter Guillaume – persönlicher Referent von Bundeskanzler Willy Brandt -, geriet Wolf stärker ins öffentliche Visier. Als sich Wolf 1986 freiwillig von seinem Amt zurückzog, entstand bei manchen Zeitgenossen der Eindruck, daß er in Opposition zu den Dogmatikern Honecker und Mielke stehe. Tatsächlich hatte Wolf aufgrund seiner hervorragenden Kontakte nach Moskau jedoch nur die Zeichen der Zeit erkannt, die auf „Glasnost“ und „Perestroika“ zielten. Eine echte Abwendung vom System war damit keineswegs verbunden. Vielmehr zog Wolf nach der Maueröffnung vom 9. November 1989 seine Fäden intensiver denn je: Die Vernichtung von belastendem Aktenmaterial des MfS trug deutlich Wolfs Handschrift, aber auch die Umbenennung der SED und einige rasche interne Reformen, mit deren Hilfe die Auflösung der ehemaligen Staatspartei verhindert werden sollte. Nach der Wiedervereinigung floh Wolf für mehrere Monate nach Moskau, da in der Bundesrepublik Anklagen gegen ihn vorlagen. Doch schon 1991 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er seine Hauptaufgabe im Verfassen von Büchern wie „Im eigenen Auftrag“ sah, in denen insbesondere die Tätigkeit der HVA nach allen Regeln der Kunst beschönigt wurden. Von etwaiger Reue für die vom MfS und der SED begangenen Staatsverbrechen oder von Mitgefühl mit deren zahlreichen Opfern war in diesen Schriften keine Spur zu finden. Vor Gericht weigerte sich Wolf kategorisch, die Namen von West-Agenten zu nennen. Viele von ihnen dürften daher bis heute noch nicht enttarnt sein. Nachdem eine Verurteilung Wolfs wegen Landesverrats und Bestechung zu sechs Jahren Haft von 1993 zwei Jahre später durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aufgehoben wurde, erhielt Wolf 1996 wegen Freiheitsberaubung in vier Fällen lediglich zwei Jahre Haft auf Bewährung. Es scheint eine Ironie der Geschichte, daß Wolf ausgerechnet an einem 9. November starb, dem Tag, an dem mit der Maueröffnung das Ende der DDR eingeleitet wurde. Doch die von ihm verbreiteten Legenden dürften als gesellschaftliches Gift noch längere Zeit weiterwirken. Dafür bürgen schon seine politischen Epigonen aus der PDS, die Wolf nach seinem Tod in den höchsten Tönen lobten.

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