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Am „Tag M“ hatte das Politbüro Sitzungspause

Am „Tag M“ hatte das Politbüro Sitzungspause

Am „Tag M“ hatte das Politbüro Sitzungspause

 

Am „Tag M“ hatte das Politbüro Sitzungspause

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Was haben Joachim Hoffmann, Viktor Suvorov, Heinz Magenheimer, Wolfgang Strauss, Ernst Topitsch, Erich Helmdach, Adolf von Thadden, Heinrich Härtle, Carl Gustaf Ströhm, Günther Gillessen, Gerd Schultze-Rhonhof gemeinsam? Den Glauben an eine „Geheimrede“ Josef Stalins im Moskauer Politbüro, gehalten am späten Abend des 19. August 1939. Bereits durch die ältere „revisionistische“ Literatur, etwa des einstigen „Rosenbergianers“ Härtle und des früh erfolgreich die These vom deutschen „Präventivschlag“ vermarktenden Helmdach geisterte diese ominöse Rede. Doch erst Gillessen, so führt jetzt der Moskauer Historiker Sergej Slutsch in einer umfangreichen quellenkritischen Studie aus (Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 4/2004), habe sie 1986 mit einem Artikel in der FAZ in einen als seriös geltenden Diskurskontext eingeführt. Anlaß seines Vorstoßes sei ein 1985 publizierter Aufsatz des sich hinter dem Pseudonym Viktor Suvorov verbergenden sowjetischen Geheimdienstoffiziers gewesen, für den die FAZ „Reklame“ gemacht habe. „Damit wurde der Anfang eines neuen Historikerstreits gelegt, dieses Mal über die These von einem Präventivkrieg Hitlers im Jahre 1941, der bis zum heutigen Tag nicht beendet ist.“ Tatsächlich hat Suvorov dann mit den in zwei Büchern („Der Eisbrecher“, 1989, und „Der Tag M“, 1995) ausgebreiteten Thesen, die er 2000 nochmals selbst kolportierte (vgl. darüber die Kontroverse zwischen Dag Krienen und Walter Post, JF 51/00 und 3/01) diesen neuen Historikerstreit lange dominiert. Der 1996 noch für die Welt tätige Journalist Ströhm, die Historiker Magenheimer, Hoffmann und Topitsch, der sich auch in dieser Zeitung mehrfach zur Thematik äußerte (zuletzt JF 31-32/01), wie auch der sich diesem Thema intensiv widmende General a.D. Schultze-Rhonhof sorgten im Anschluß an Suvorov für eine breite öffentliche Resonanz der „Präventivkrieg“-These. Diese hätten laut Slutsch wie der einstige NPD-Vorsitzende von Thadden genauso oder der „nationalrevolutionäre“ Strauss kräftig zur „Umdeutung der Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges“ instrumentalisiert. Dieser Phalanx aus mehr oder minder politisch motivierten „Umdeutern“ versucht Slutsch nun ein zentrales Glied ihrer Beweiskette zu zerstören: ebenjene Stalin-Rede vom 19. August 1939, auf die sich alle „Präventivkrieger“ stützen. In dieser Rede, so lauten unisono deren Inhaltsreferate, habe der mächtigste Mann der UdSSR seinen Fahrplan zur kommunistischen Weltherrschaft präsentiert. Am Vorabend des Paktes mit Adolf Hitler habe der Diktator seine Motive zum Abschluß dieses Nichtangriffsvertrages erläutert. Danach sei er im wesentlichen von der strategischen Überlegung beherrscht gewesen, den Krieg zwischen Hitler und den Westmächten auszulösen, damit die beiden Kontrahenten bis zur Erschöpfung kämpfen, um so der Roten Armee den Weg zur Revolutionierung Europas zu ebnen. Stalins Verantwortung soll nicht heruntergespielt werden Stalins Rede, gewertet als Dokument seines unbeugsamen Kriegswillens, sei, so Slutsch, eine komplette und ungeschickte Fälschung. Sie tauchte erstmals im November 1939 in Form einer „Sensationsmeldung“ der französischen Nachrichtenagentur Havas auf. Dieser Text, auf den Stalin mit einem Dementi antwortete, nahm dann seinen Weg bis in die Archive der Sowjetunion. Dort wurde er in den neunziger Jahren „entdeckt“ und – wie Slutsch rekonstruiert – von russischen Historikern im „antistalinistischen Übereifer und in völliger Vernachlässigung der Maßstäbe von historiographischer Professionalität und Quellenkritik“ als Beleg verbreitet für die „aggressiven Absichten der sowjetischen Führung und ihre direkte Beteiligung an der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges“. Nicht zuletzt durch Strauss‘ Büchlein über diesen „russischen Historikerstreit“ („Unternehmen Barbarossa“, 1998) sei die Authentizität der vermeintlichen „Quelle“ als „aus russischen Geheimarchiven“ stammend quasi beglaubigt worden und habe den „apologetischen Tendenzen mancher deutschen Historiker in die Hände gespielt“. Slutschs stärkstes Argument gegen die Echtheit der „Stalin-Rede“ besteht in dem minutiösen Nachweis, daß am fraglichen 19. August, Suvorovs „Tag M“, überhaupt keine Politbüro-Sitzung stattfand. Kein Wunder, daß es darum in Moskauer Archiven nur den Text französischer Provenienz, aber keine originäre sowjetisch-staatliche Überlieferung gibt. Weitere Indizien für die französische Urheberschaft seien die vielen typisch westlichen, etwa mit der Rolle der Komintern in Stalins Machtgefüge wenig vertrauten Formulierungen sowie die Konstellationen der Pariser Innenpolitik im Herbst 1939, die nach einer propagandistischen Diskreditierung der nun im „feindlichen Lager“ stehenden Kommunistischen Partei Frankreichs verlangten. Er wolle, so Slutsch, die erhebliche Verantwortung, die Stalin bei der Entstehung und Ausweitung des Zweiten Weltkrieges hatte, nicht „herunterspielen“, aber ihn mittels eines gefälschten Dokuments zu dessen Urheber zu machen – dies lasse „das wissenschaftlich gesicherte Bild“ dieser Katastrophe nun doch nicht zu. Foto: Ribbentropp und Stalin besiegeln am 23. August 1939 in Moskau ihren Nichtangriffspakt: Slutsch zerstört Glied der Beweiskette

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