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Weiche Konturen zwischen Wissenschaftlichkeit und Kunst

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Unter dem Titel „Ein Theaterskandal wird totgeschwiegen“ (JF 3/03) berichteten wir über einen Theaterabend in den Münchner Kammerspielen mit der Inszenierung von Texten aus den Protokollen des Minsker Prozesses gegen deutsche Gefangene, obwohl die willkürlichen Anklagen und die vielfach erfolterten Geständnisse des stalinistischen Schauprozesses von 1946 längst widerlegt sind. Die „Installation des Textkörpers“ als Beiprogramm zur Wehrmachtsausstellung stammt von Hannes Heer, dem von Jan Philipp Reemtsma entlassenen Ausstellungsleiter. Die Intendanz wurde rechtzeitig auf die Fragwürdigkeit des Textes, in dem laut dem Begleitzettel des Theaters „die Inszenierung der Wirklichkeit deutlich wird“, aufmerksam gemacht. Vergeblich, man berief sich auf das Urteil der befangenen Gutachter Reemtsmas, die unmißverständlich die „Seriosität der Heerschen Quellenarbeit“ bestätigt hätten. Die zehn Schauspieler trugen die entsetzlichen Texte vor, kein klarstellender Satz kam als Schlußpunkt. Fünf Tage später fand unter dem Titel „Eine Stadt hat sich verändert?“ eine Podiumsdiskussion zur Wirkung der Ausstellungen in München statt, die Münchens Oberbürgermeister Christian Ude beherrschte. „Kein einziges Dokument kann widerlegt, und kein einziges Photo kann dementiert werden“, hatte er bei der Eröffnung der ersten Ausstellung in München verkündet. Mit keinem kritischen Wort wurde dabei auf das umstrittene Rahmenprogramm zur Ausstellung eingegangen. Auch die auf dem Podium Anwesenden, der CSU-Politiker Peter Gauweiler und der Moderator Stephan Sattler, Kulturchef vom Focus, schwiegen. Einige Tage später traf auch die Stellungnahme Jan Philipp Reemtsmas ein, in der er beschwichtigte, verantwortlich für das Beiprogramm zur Ausstellung sei nicht das Institut. Er schreibt, er hätte seinerzeit Heers Vorschlag, die Minsker Prozeßakten zu publizieren, abgelehnt, „und zwar auch aus dem von Ihnen angeführten Grund, daß das Zustandekommen der Aussagen zumindest unklar, wahrscheinlich in vielen Fällen durch Folter erpreßt, war. Was aber ein ehemaliger Mitarbeiter mit den Prozeßakten tut, ist seine Sache bzw. die des Veranstalters. Verantwortlich für Konzeption und Durchführung des Beiprogramms ist aber nicht das Institut, sondern die Stadt München. Wir haben uns an keinem Ausstellungsort in die Gestaltung des Beiprogramms eingemischt, ob es uns gefiel, oder – aus welchen Gründen auch immer – nicht.“ Trotz klarer Fehler sei eine Verurteilung grundlos Reemtsma bestätigt damit die Kritik an Heers Fehlverhalten, das er schon während der ersten Ausstellung erkannt hat. Er sieht aber keinen Grund, Heers Inszenierung zu verurteilen, die seine Glaubwürdigkeit ins Zwielicht setzt und beruft sich dabei auf die Verantwortung der Stadt München für das Beiprogramm. Auch Ude antwortet dazu auf Anfrage und bezieht sich dabei auf den Begleitzettel der Kammerspiele zur Inszenierung. Unter dem Bild der sichtlich schwer angeschlagenen Minsker Angeklagten steht: „Hannes Heer (…) hat aus dem Material dieses Prozesses einen Textkörper zusammengestellt, der die Rekonstruktion der Vergangenheit sichtbar macht: Vernehmungsprotokolle, Lebensläufe und Zeugenaussagen werden mit ihrer eher spröden Form der Dokumentarisierung konfrontiert. Gerade durch diese Reibung entsteht aber eine Atmosphäre des Textes, in der die Inszenierung der Wirklichkeit deutlich wird.“ Mit diesen Sätzen wird der Wirklichkeitsgehalt der Prozeßaussagen ausdrücklich bestätigt, den Hannes Heer in Anspruch nimmt. Daran ändert auch das Schreiben Udes nichts, wenn er dabei „auf die artifizielle Atmosphäre einer Textinstallation“ hinweist und schreibt, „die Veranstaltung konnte und wollte keine kritisch-wissenschaftliche Aufarbeitung eventuell noch unklarer historischer Fragen sein“. Inzwischen ist die Ausstellung weitergewandert nach Chemnitz und Neumünster, Hannes Heer ist jedesmal mit seinem Vortrag „Vom Verschwinden der Täter“ dabei. In diesem Text rechnet er mit seinen Kritikern ab, stellt triumphierend seine eindeutige Rehabilitierung fest und behauptet dreist, nur zwei Fotos von NKWD-Opfern seien fälschlicherweise als Opfer der Wehrmacht ausgewiesen worden und von den 1.433 Fotos der Ausstellung hätten nur weniger als zwanzig nicht in eine Ausstellung über die Wehrmacht gehört. Auch die Behauptung, das „Heidenreich-Tagebuch“ sei eine Fälschung, läßt er nicht gelten. Auch eine andere Mitwirkende und Förderer der alten Ausstellung werden zu Begleitern der neuen Schau wie Walter Manoschek, Ralph Giordano oder Manfred Messerschmidt. Dazu gehört auch Christian Streit von der Historikerkommission, der bei der Eröffnung in Chemnitz referierte, der Vernichtungskrieg sei nicht nur von oben befohlen, sondern auch von unten mitgetragen worden. Viele hätten den Kommissarbefehl und Gerichtsbarkeitserlaß als „Erlaubnis zum Töten“ verstanden.

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