Der Leiter der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“, Peter Steinbach, hatte Ende April die „Vermutung“ geäußert, den Grund für jene Flugblatt-Aktion der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ am 13. Februar 1943 gefunden zu haben, die zur Verhaftung der Gruppe geführt hatte (JF berichtete). Bei der leichtsinnigen Aktion am hellichten Tage in der Uni München waren die Geschwister Scholl entdeckt und verhaftet und infolgedessen vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt worden. Unklar ist bis heute, warum sich die Geschwister auf ein solches Unternehmen eingelassen hatten, anstatt die Flugblätter wie zuvor anonym per Post zu verschicken. Steinbach vermutet nun, der damals 18jährige Schüler Hans Hirzel, ebenfalls Mitglied der Weißen Rose, der allerdings den „Volksgerichtshof“ überlebte, habe in einem Gestapo-Verhör am 17. Januar die Geschwister verraten. Hirzel äußerte sich zu diesen Vorwürfen ausführlich in einem Interview in JF 21/01. Die JUNGE FREIHEIT versuchte in der vergangenen Woche ihre Berichterstattung zu dem Thema mit einem Hintergrund-Interview fortzusetzen. Doch der Gesprächspartner Wilfried Breyvogel, Professor an der Universität Essen und Fachmann für Jugendwiderstand im Dritten Reich, zog sein Interview zurück, als er feststellte, daß er – trotz ordentlichen Fax- und Telefonverkehrs – über Tage hinweg die JUNGE FREIHEIT mit der ehemaligen FDJ-Zeitung Junge Welt verwechselt hatte (siehe „JF Intern“, S. 15). Befragt nach den Gründen für die verhängnisvolle Aktion der Geschwister erklärte er: „Es gab schon zuvor riskante Unternehmungen, etwa eine Flugblattverteilung um den Münchner Hauptbahnhof. Insofern ist nicht anzunehmen, daß es ein bewußtes ’sich Hinopfern‘ war. Sophie selbst gibt in ihrem Vernehmungsprotokoll den Grund mit ‚Übermut und Dummheit‘ an.“ Zum Vorwurf gegen Hans Hirzel sagte er, hätte Hirzel etwas verraten, sei es „kaum denkbar, daß die Gestapo solche Informationen nicht weitergeleitet hätte“. Letzte Sicherheit könne aber nur ein Einblick in die Vernehmungsprotokolle Hirzels geben. Die JUNGE FREIHEIT hatte fälschlich gemeldet (JF 21/01), alle Dokumente seien den Historikern zugänglich, und Steinbach zu Unrecht Täuschung oder Irrtum nahegelegt. Weiter behandelte das Gespräch die Motive der Gruppe: Bei der Weiße Rose könne trotz tiefer Verwurzelung in verschiedenen Parteien, Bünden und Organisationen der extremen Rechten der Weimarer Republik weder von bündischem noch von explizit nationalem Widerstand gesprochen werden. „Gleichwohl aber bediente sie sich solcher Bezüge und appellierte an das Sittliche im Nationalbewußtsein der Deutschen.“ „Im Mittelpunkt“, so Breyvogel, „stand die Sorge um Deutschland“.